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    Die reichen Leichen. Ein Starnbergkrimi
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Die reichen Leichen. Ein Starnbergkrimi
    Von Lars-Christian Daniels

    Der zehnfache Grimme-Preisträger Dominik Graf („Die geliebten Schwestern“) sorgt in der deutschen Krimilandschaft immer wieder für Furore, denn er schert sich nicht groß um Sehgewohnheiten und Erwartungen. Bereits 1995 setzte der Ausnahmeregisseur mit seinem umstrittenen „Tatort: Frau Bu lacht“ ein echtes Ausrufezeichen in der langen Geschichte der Krimireihe, erntete aber mit seiner ungewöhnlichen Erzählweise auch starken Gegenwind. Ähnlich war es später bei seiner preisgekrönten Serie „Im Angesicht des Verbrechens“, die ihren Platz im Hauptabendprogramm nach wenigen Folgen verlor und von den Verantwortlichen der ARD tief in der Nacht versendet wurde. Jüngste Beispiele in einer langen Reihe eigenwilliger Krimis sind der starke Münchner „Tatort: Aus der Tiefe der Zeit“, der so manchem Zuschauer zu anstrengend inszeniert, zu hektisch geschnitten und viel zu unübersichtlich arrangiert war, und der „Polizeiruf 110: Smoke On The Water“ (Erstausstrahlung: 19.10.2014). Deutlich konventioneller fällt im Vergleich dazu sein Starnbergkrimi „Die reichen Leichen“ aus: Graf schlägt hier eine deutlich gemächlichere Gangart an, lässt es sich aber nicht nehmen, seine eigene Note in die ansonsten oft recht dröge Heimatkrimi-Reihe zu bringen und sorgt so für frischen Wind.

    Die Polizeimeisteranwärterin Ariane Fink (Annina Hellenthal) verschlägt es aus ihrer Heimatstadt Dortmund in den Ort mit der höchsten Millionärsdichte Bayerns: ins idyllische Starnberg, das vor allem für seinen wunderschönen See bekannt ist. Aus diesem ziehen die Ermittler schon bald einen Toten: Die Leiche von „Kini“ (Martin Feifel), der den Spitznamen des bayerischen Königs Ludwig II. angenommen und sich wie der ehemalige Herrscher frisiert und gekleidet hat, wird genau an der Stelle aufgefunden, an der eben jener Monarch 1886 den Tod fand. Fink macht sich gemeinsam mit dem ortsansässigen Polizeichef Lu Reinhold (Andreas Giebel) und Hauptkommissar Timo Senst (Florian Stetter) an die Aufarbeitung der Tat. Während die Polizei noch darüber grübelt, ob es sich um Mord oder Selbstmord handelt und ob die Narkolepsie des Verstorbenen mit seinem Tod in Zusammenhang steht, ereignet sich schon das nächste Verbrechen: Die hübsche Millionärstochter Sisi (Alicia von Rittberg) wird entführt und soll nur gegen Zahlung von fünf Millionen Euro Lösegeld freikommen...

    Mehr Lokalkolorit geht kaum: „Die reichen Leichen“ ist auf den ersten Blick ein Heimatkrimi durch und durch. Das liegt zum einen an den idyllischen Landschaftsaufnahmen, die die Handlung unmissverständlich in der wohlhabenden Gegend am und um den Starnberger See verorten, zum anderen am fleißig zum Besten gegebenen Dialekt („Wer umkippt und ersauft, braucht koa Kugel mehr!“). Nicht jeder Zuschauer dürfte den markigen Zungenschlag so tapfer wegstecken wie Ruhrpott-Export Fink, der ähnlich wie der ebenfalls zugereiste Hauptkommissar Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) im Münchner „Polizeiruf 110“ als Identifikationsfigur für das TV-Publikum nördlich des Weißwurst-Äquators dient. Wer eine typisch-traditionelle Krimigaudi mit viel deftigem Humor und launig überzeichneten Stereotypen  erwartet, erlebt allerdings eine Überraschung:  Dominik Graf und der deutsch-indische Drehbuchautor Sathyan Ramesh („Schöne Frauen“) erzählen nach zurückhaltendem Beginn eine tempo- und abwechslungsreiche Geschichte mit einigen gelungenen überraschenden Wendungen im Mittelteil. Fast noch prickelnder als der Mordfall ist dabei der zweite Handlungsstrang um die entführte Millionärstochter Sisi: Ihre getrennt lebenden Eltern Rita Weilinger (Ulrike C. Tscharre) und Gerd Sinnern (Hannes Jaenicke) haben sich schon seit Jahren nichts mehr zu sagen – so ist „Die reichen Leichen“ nebenbei auch immer wieder ein ernstes Familiendrama.

    Schwache Running Gags wie die permanent dreckigen Schuhe eines schluderigen Polizeibeamten bleiben in diesem Starnbergkrimi erfreulicherweise die Ausnahme – stattdessen streuen die Filmemacher vor allem bei den Gesprächen auf dem Polizeipräsidium („Ist das Sojamilch?“ – „Nein, wir finden Laktose super.“) viel knackigen Dialogwitz ins Geschehen ein. Zudem erhält der Film – ähnlich  wie 2013 der Kieler „Tatort: Borowski und der freie Fall“, in dem der Badewannentod von Uwe Barschel neu aufgerollt wurde – eine historische Dimension: Auch um den Tod von König Ludwig II. ranken sich bis heute wilde Gerüchte. Wie genau der gesundheitlich angeschlagene und entmündigte „Kini“ 1886 im Starnberger See den Tod fand, ist noch immer ungeklärt. Die Todesursache des königlichen Doppelgängers enthüllt uns Graf nun vorerst ebenfalls nicht: In einer knackig inszenierten Rückblende fängt die Kamera zwar ein, wie der „Kini“-Imitator ins Wasser fällt – nicht aber, ob dies freiwillig, durch einen tragischen Unfall oder das Eingreifen eines Dritten geschieht. Die Auflösung dieser klassischen Whodunit-Konstruktion bringt am Ende zwar keine große Überraschung, aber vor allem durch die Frage nach dem Tathergang – bei dem die Schlafkrankheit des Opfers eine nicht unwesentliche Rolle spielt – wird der Zuschauer bis zuletzt bei der Stange gehalten.

    Fazit: Wendungsreiches Verwirrspiel statt abgegriffener Weißwurst-Witze – Dominik Grafs humorvoll angehauchter Starnbergkrimi „Die reichen Leichen“ ist weit weniger eigenwillig als viele seiner früheren TV-Krimis, aber vor allem in der zweiten Hälfte sehr unterhaltsam.

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