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    For No Eyes Only
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    For No Eyes Only
    Von Christian Horn

    Viele der 53 Spielfilme, die Alfred Hitchcock im Lauf seiner Karriere als Regisseur inszeniert hat, gelten als ewige Klassiker des Kinos. Dementsprechend inspirieren die Werke des Altmeisters andere Filmemacher bis heute immer wieder. Einer seiner berühmtesten Filme ist der Thriller „Das Fenster zum Hof“ von 1954, von dem gab es beispielsweise schon ein TV-Remake mit Christopher Reeve, er wurde als Teenie-Thriller mit Shia LaBeouf neu aufgelegt („Disturbia“) und diente sowohl beim „Tatort“ („Hitchcock und Frau Wernicke“) als auch bei den „Simpsons“ („Ein grausiger Verdacht“) als Vorlage. Zuletzt lief mit „Open Windows“ auf dem Fantasy Filmfest 2014 ein Thriller, in dem die Prämisse des Hitchcock-Stoffs mit moderner Spähsoftware umgesetzt wurde. In eine ähnliche Kerbe schlägt nun der 24-jährige Tali Barde, der mit dem Independent-Thriller „For No Eyes Only“ sein Langfilmdebüt als Regisseur, Drehbuchautor, Cutter und Darsteller gibt. Er verpflanzt den Hitchcock-Stoff in die Gegenwart und daher geht es ganz zeitgemäß auch um die Privatsphäre im Internet. Zwar ist der Film sehr liebevoll und erstaunlich stilsicher umgesetzt, die Story kommt hingegen nicht so recht in Schwung. 

    Der 16-jährige Sam Anders (Benedict Sieverding) hat sich beim Hockey-Spielen das Bein gebrochen und ist nun für eine ganze Weile an sein Zimmer gefesselt. Schnell überkommt den Schüler die Langeweile – bis er eine simple Möglichkeit entdeckt, die Webcams seiner Mitschüler zu hacken. Fortan lässt Sam die Überwachungssoftware auf zwei Monitoren gleichzeitig laufen und beobachtet seine nichtsahnenden Klassenkameraden beim Umziehen, Schminken oder Onanieren. Doch dann macht Sam eine seltsame Entdeckung und vermutet, dass sein neuer Mitschüler Aaron (Tali Barde) seinen Vater ermordet hat. Gemeinsam mit seiner Langzeit-Angebeteten Livia (Luisa Gross), die die geheimen Einblicke in das Leben der Anderen ebenfalls interessant findet, geht Sam der Sache auf den Grund. Unter einem Vorwand besucht Livia Aaron und positioniert eine weitere Kamera in seinem Haus. Dass der Unmengen an Eis in den Keller schafft und dort irgendetwas in Müllsäcke verpackt, erhärtet den Mordverdacht…

    „For No Eyes Only“ ist im Rahmen einer von Tali Barde geleiteten Film-AG am Otto-Hahn-Gymnasium in Bensberg bei Köln entstanden. Man kann den ambitionierten Thriller also durchaus als unabhängig produziert bezeichnen – und dass der Film mit seinen Laiendarstellern und den eingeschränkten Mitteln im Großen und Ganzen durchaus funktioniert, ist an sich schon eine respektable Leistung. Tali Barde bringt einige technische und ästhetische Finessen ein, die oft mehr als nur bloße Spielereien sind und „For No Eyes Only“ unterhaltsam machen: Schräge Kameraperspektiven und stilisierte Schnittpassagen im Stil von „Requiem For A Dream“ fallen besonders positiv ins Auge. Hinzu kommt ein klassischer Thriller-Soundtrack, der seinen Zweck ebenfalls erfüllt. Die Story als solche hat hingegen etwas wenig Fleisch auf den Rippen. So kommt es in dem gemächlich erzählten Jugendthriller, der über weite Teile an ein Kammerspiel erinnert, mitunter zu Leerlauf, woran auch die gestelzten Dialoge eine Mitschuld tragen.

    Von manipulierten Webcams konnte der mit einem simplen Fernglas und einem Teleobjektiv hantierende James Stewart in „Das Fenster zum Hof“ allenfalls träumen. Ansonsten weisen der Hitchcock-Film und „For No Eyes Only“ allerhand Parallelen auf. Wie beim großen Vorbild avanciert der Zuschauer auch bei Tali Barde zum Komplizen des Protagonisten und hofft, dass die illegalen und unmoralischen Spähaktionen nicht auffallen. Die doppelten Maßstäbe, die wir dabei anlegen, werden in der Haltung Livias gespiegelt. Sie ist von den geheimen Einblicken in das Leben ihrer Mitschüler zunächst ebenso fasziniert wie Sam, doch der Gedanke, dass er auch auf ihre eigene Webcam Zugriff hat, gefällt ihr überhaupt nicht. Als ein erzählerisches Versäumnis erweist es sich allerdings, dass von den observierten Mitschülern lediglich Aaron eine Rolle spielt: War die Hinterhaus-Nachbarschaft bei Hitchcock noch regelrechter gesellschaftlicher Mikrokosmos sind die Beobachteten in „For No Eyes Only“ lediglich Beiwerk in einer wenig originellen Krimihandlung.

    Fazit: Erzählerisch etwas schwacher, aber inszenatorisch respektabler Jugendthriller zum Thema Überwachung im Internet, in dem die Prämisse von  Hitchocks „Das Fenster zum Hof“ an die moderne Technik angepasst wird.  und trotz einer smarten Stilisierung kaum verbergen kann, dass die Story etwas mau ausfällt.

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