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    Lamento
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Lamento
    Von Petra Wille

    Ein Lamento ist laut Duden „das Lamentieren, [lautes] Gejammer, heftige Klage (umgangssprachlich abwertend)“ oder auch ein „Musikstück von schmerzlich-leidenschaftlichem Charakter“. Von dieser Definition ausgehend ist bei dem Titel „Lamento“ ein Film voller Trauer und Schmerz zu erwarten. Das Drama hat dann auch den Umgang einer Mutter mit dem Freitod ihrer Tochter zum Thema, bzw. eigentlich vielmehr das kontrollierte Unterdrücken der Beschäftigung damit. In dem Spielfilm-Debüt des Filmhochschulabsolventen Jöns Jönsson wird jedoch mehr verborgen als gezeigt, so dass beim Zuschauen zu viel Ratlosigkeit entsteht. Eine richtige Identifikation mit der Hauptfigur fällt so ungemein schwer.

    Johannes (Hendrik Kraft) kommt nach Schweden, um etwas abzuholen. Magdalena (sehr gut, wenn nur diese Ähnlichkeit mit Angela Merkel nicht wäre: Gunilla Röör) holt ihn ab. Er wird bei ihr übernachten, auch wenn bei ihr nur wenig Platz ist. Er ist der Exfreund ihrer Tochter Sara, die vor einigen Monaten Selbstmord beging. Abends gehen sie zusammen mit Saras Schwester Anne (Sandra Huldt) aus, Johannes kennt von früher noch ein paar weitere Leute dort. Auch wenn sich Magdalena um völlige Kontrolle der Situation bemüht, kann sie einen Zusammenbruch nach Johannes' Abreise nicht vermeiden.

    „Lamento“ ist ein Film voller Rätsel und Unklarheiten. Das kann reizvoll und interessant sein, in diesem Fall ist es schlicht nicht förderlich. Was wird eigentlich erzählt? Es geht um Magdalenas Umgang mit dem Tod ihrer Tochter. Ein unfassbarer, kaum zu verarbeitender Verlust. Stück für Stück zeigen sich beim Zuschauen Facetten der Vergangenheit und die Beteiligung der Protagonisten. Sara stürzte sich vom Balkon der Wohnung ihrer Mutter. Das berichtet diese mehrfach, wenn sie von eben diesem herunter blickt. Immer wieder betont sie, dass Sara ganz friedlich - „wie ein Engel“ - aussah dort unten. Sie wirkt dabei seltsam teilnahmslos. Auch bekräftigt sie mehrfach, dass es richtig war, Sara keine Medikamente zu geben. Diese litt vermutlich an einer  Depression. Die Namenswahl der Protagonistin traf Jönsson wohl nicht zufällig: Magdalena ist die Sünderin, die Heilige gleichen Namens ist Schutzpatronin der Frauen, der Verführten und der reuigen Sünderinnen.

    Magdalena erhält ein nach außen funktionierendes Leben und dessen Strukturen aufrecht, um sich daran festzuklammern. Die schwedische Schauspielerin Gunilla Röör („Das Glück kommt morgen“) zeigt diese Frau sehr präzise als nach außen intakt, nach innen aber leer. Warum sie glaubt, dass ihr Freund und Vertrauter Sigge (Björn Andersson) nichts vom Tod ihrer Tochter weiß, bleibt dabei völlig unklar. Sie selbst hat mit ihm bisher nicht darüber gesprochen. Auch wenn die beiden eng tanzen und er mit freiem Oberkörper bei ihr in der Wohnung sitzt, entwickelt sich ein ganz merkwürdiger Dialog, bei dem sie fast erstaunt ist, dass er von dem Selbstmord weiß. Dabei spielt die Handlung in einer überschaubaren Kleinstadt und Magdalenas Enkel ist in Sigges Schulklasse. Magdalena muss so mit ihrer Trauer alleine zurechtkommen. Sie scheint niemanden zu haben, dem sie sich anvertrauen kann. Freunden und ihrer anderen Tochter gegenüber gibt sie sich gut organisiert und unnahbar.

    Jönsson, der auch das Drehbuch schrieb, nutzt die kurze Anwesenheit von Saras Exfreund Johannes als dramaturgisches Moment, um bei Magdalena Trauer und endlich sichtbare Emotionen auszulösen. Der Grund für seinen Besuch – eine Plattenkiste von ihm, die Sara nach einem Berlin-Aufenthalt mit zurück nach Schweden nahm - ist jedoch reichlich konstruiert. Schließlich erfolgt ein Besuch bei Saras bester Freundin Lollo (Elin Söderquist), deren Rolle vage bleibt. Magdalena fühlt sich unwohl in ihrer Gegenwart, es geht um unausgesprochene Schuldzuweisungen. Die Szene, in der Magdalena Lollos Familie beim Abendessen stört, ist mit Abstand die stärkste im Film, weil endlich mal Gefühle aufkommen und Betroffenheit ausgelöst wird. Abgesehen von solch starken Einzelmomenten und der guten Hauptdarstellerin überzeugt vor allem die handwerkliche Seite, insbesondere die Kameraarbeit. Das hilft aber nicht darüber hinweg, dass „Lamento“ mit seinen vielen Auslassungen und schwer nachvollziehbaren Tatsachen kaum berührt und so insgesamt nur durchschnittlich ist.

    Fazit: Schwache Auslöser für starke Gefühle funktionieren beim Zuschauen nur sehr mäßig. Zu viele Fragen und Unklarheiten lenken vom Fokus ab, der auf der trauernden Magdalena liegen sollte.

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