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    Butter On The Latch
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Butter On The Latch
    Von Andreas Günther

    Die Ähnlichkeiten zu Josephines Deckers Zweitwerk „Thou Wast Mild & Lovely“ sind offensichtlich: Auch das Langspielfilmdebüt der Independent-Regisseurin zieht den Zuschauer tief in weibliche Verführungsstrategien hinein, dabei heißt auch hier die Hauptfigur Sarah. Anstelle einer blonden Landschönheit mit offenen Zügen - in „Thou Wast Mild & Lovely“ virtuos gespielt von Sophie Traub - steht aber im Vorgänger „Butter On The Latch“ eine dunkelhaarige, attraktive Städterin im Mittelpunkt. Trotz vieler Experimente mit der Optik ist Deckers Debüt wesentlich traditioneller erzählt als der komplexere Nachfolger. Aber die Mischung aus Erotik- und Mystery-Thriller ist nicht weniger interessant.

    Nach einer durchtanzten Nacht wacht Sarah (Sarah Small) nackt neben einem fremden Mann auf und fühlt sich seltsam gedemütigt. Sie beschließt zu entfliehen und an einem Sommercamp mitten im Wald teilzunehmen, das ihr von Freundin Isolde (Isolde Chae-Lawrence) empfohlen wurde. Die jungen Frauen üben sich dort in bulgarischen Volkstänzen und bulgarischer Musik. Zum Dissens kommt es, als Sarah Gefallen an dem Banjospieler Steph (Charlie Hewson) findet, der Isolde total auf die Nerven geht. Bei der ersten intimen Begegnung bahnt sich eine Katastrophe an.

    Den Titel ihres Films fand Regisseurin und Autorin Josephine Decker in einem alten bulgarischen Volkslied. „Butter On The Latch“ heißt „Butter auf der Türklinke“ und soll ein Mittel sein, um einen Mann, den man begehrt, in sein Haus zu locken. Der Titel spielt natürlich auf Sarahs Vorgehen an: „Kann ich Dir Gesellschaft leisten?“ fragt sie noch halb unsicher, als sich Pete in der Nähe ihrer Hütte blicken lässt, doch bald geht sie weiter: So lenkt sie beim Teeschlürfen seine Aufmerksamkeit zielsicher auf ihren Mund. Ihre Gedanken in diesem Moment illustriert die Kamera, die für einige Sekunden auf einer kunstvoll ausgesägten Öffnung im Geländer am Eingang der Hütte verweilt. Die Öffnung hat die Form eines Apfels, kann aber auch als intimes Körperteil gedeutet werden. Ein wunderbar stilles, scheinbar zufällig gefundenes Symbol für das unsagbare Verlangen der Protagonistin.

    Sarah will sich dieses Verlangen erfüllen, aber nicht wie nach ihrer vorherigen Clubnacht am Anfang des Films. Hier will sie die Initiative behalten und nimmt dafür auch eine Wartezeit in Kauf. Wenn er auf ihre Annäherungsversuche zurückweicht, reagiert sie ruhig, nimmt es hin, lässt sich nicht locken. Sie gibt die Unnahbare, lässt ihn einmal im Wald stehen. Erstaunlich präzise setzen die durchgehend improvisierenden Schauspieler dabei die von Josephine Decker konzipierte Story um. Ohne in ein feministisches Pamphlet abzugleiten, erzählt diese von einer Art erotischer Ermächtigung der Frau. Ganz genau lässt sich Sarah von einer Kursleiterin die Aufgabe der Drachen in der bulgarischen Mythologie erklären, die Freier der Prinzessinnen willenlos zu machen. Zeitlupenaufnahmen von festlich gekleideten Frauen in tranceartigen Tänzen verdeutlichen, dass sich Sarah mit uralten Riten für die Eroberung des anderen Geschlechts rüstet. Doch dabei halten sich die Anziehungskraft von Pete und die von Isolde verkörperte Abneigung gegen ihn gefährlich die Waage…

    Fazit: Josephine Decker erkundet in „Butter On The Latch“ archaische Erotik, wobei Erzählung, Bebilderung und die Improvisation der Schauspieler immer im Einklang stehen.

    Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2014. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 64. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.

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