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    Tristia - Eine Schwarzmeer-Odyssee
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Tristia - Eine Schwarzmeer-Odyssee
    Von Asokan Nirmalarajah

    Die neueste Dokumentation des polnischen Regisseurs Stanislaw Mucha („Absolut Warhola“) bezieht sich im Titel „Tristia – Eine Schwarzmeer-Odyssee“ auf einen wirkmächtigen Gründungstext der europäischen Exilliteratur. Die auf die Jahre 8 bis 12 nach Christus datierten Klagelieder, die der römische Dichter Ovid an seinem Verbannungsort Tomis am Schwarzen Meer verfasste, sind uns in den fünf Büchern der „Tristia“ überliefert. Mucha verwendet für seinen sieben Länder und 7000 km umspannenden Reisefilm rund um das Schwarze Meer den Titel und den historischen Hintergrund um die Entstehung der „Tristia“ lediglich als vorgeschobene Leitmotive, um mal amüsante, mal beliebige, oft einmalig schräge Eindrücke von Menschen, Ritualen und Lebensweisen entlang der Grenze von Europa und Asien aneinanderzureihen. Die kurzen Vignetten sind abwechslungsreich, voller kleiner Überraschungen und amüsanten visuellen Spielereien, die mitunter aber auch auf die Kosten der fotografierten Subjekte gehen. Eine Tendenz zur Freakshow und fehlende Dramaturgie bringt es leider mit sich, dass Zuschauer von den fremden Ländern und Menschen noch weiter distanziert werden.

    Für Ovid bot sein Aufenthalt am Schwarzen Meer Stoff für eine Geschichte eines ans Ende der Welt verbannten Dichters, der mit seinem Dasein fernab der Krönung der Zivilisation Roms hadert. In „Tristia - Eine Schwarzmeer-Odyssee“ fotografiert Stanislaw Mucha diese Region in grauen, blassen Farben und stellt sich mit gleichermaßen Faszination und Skepsis die Frage, warum und wie Menschen hier leben. Hierfür bittet er Bürger aus der Ukraine, Russland, Georgien, der Türkei, Bulgarien und Rumänien vor die Kamera, um die politische Lage und Geschichte ihres Landes zu kommentieren, eigene Gedichte vorzutragen, Musik zu spielen und Tänze vorzuführen. In diesen Begegnungen findet er die Spuren kommunistischer Ideologien, nationalistische Vorurteile und eigenwillige Selbstbilder – die er alle ohne Kommentar belässt und dadurch zwischen kruder Bloßstellung der Protagonisten und poetischer Abstrahierung ihrer Einzelschicksale pendelt.

    Fazit: Ein unterhaltsamer und über weite Strecken unberechenbar und visuell nahrhafter Dokumentarfilm über die Eigenarten der Menschen an den Küstenregionen des Schwarzen Meeres, der an einer kulturellen Freakshow entlang schrammt.

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