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    Body
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Body
    Von Gregor Torinus

    Was soll man von einem Film halten, bei dem gleich in der ersten Szene Polizisten einen an einem Baum aufgehängten Mann vom Strick abschneiden und sich kurz darauf der vermeintliche Tote plötzlich erhebt und wortlos auf den nahen Fluss zugeht? Im ersten Augenblick meint man es mit einem düsteren Kriminalfilm zu tun zu haben, im nächsten Moment erscheint „Body“ bereits wie eine rabenschwarze Komödie. Tatsächlich ist der polnische Wettbewerbsbeitrag auf der 65. Berlinale sehr ernst und sehr komisch zur gleichen Zeit. Das Drama von Małgorzata Szumowska („Im Namen des…“) entfaltet eine ganz eigene Atmosphäre, die entscheidend zum besonderen Reiz dieses Films beiträgt.

    Dabei klingt die hier erzählte Geschichte zunächst alles andere als vergnüglich: Im Zentrum der Handlung steht die magersüchtige Olga (erstaunlich gut: die Laiendarstellerin Justyna Suwala) und deren Beziehung zu ihrem Vater Janusz (Janusz Gajos), der als Untersuchungsrichter arbeitet. Janusz ist ein arbeitssüchtiger Misanthrop und ist mit seiner magersüchtigen Tochter überfordert, die noch immer ihrer verstorbenen Mutter nachtrauert. Da der Vater befürchtet, seine Tochter könnte sich umbringen, lässt er sie in eine Klinik einweisen. Dort arbeitet die Psychologin Anna (Maja Ostaszewska), die sich mit großem Engagement um eine Gruppe von Mädchen mit Essstörungen kümmert.

    Dabei ist Anna ebenfalls ein gebrochener Mensch. Sie kommt nicht darüber hinweg, dass sie vor Jahren ihr Baby durch plötzlichen Kindstod verloren hat. Anna verbarrikadiert sich mit ihrem großen Hund in ihrer Wohnung und flüchtet sich in die Esoterik. Die Begegnungen zwischen dem gefühlskalten Rationalisten Janusz und der sich in höheren spirituellen Gefilden wähnenden, äußerst herzlichen Anna sorgen für zahlreiche skurrile Momente. Das Besondere an diesem Film von Małgorzata Szumowska besteht nun darin, dass selbst groteske Szenen mit einer großen Wahrhaftigkeit und einer spürbaren Empathie für die Figuren aufgeladen sind.

    So sind die so gegensätzlichen Qualitäten von Janusz und Anna, die kühle Vernunft und das tiefe Einfühlungsvermögen im Film selbst vereint. Ein schönes Beispiel hierfür ist eine anfängliche Szene, in der die militante Vegetarierin Olga ihrem gerade mit Genuss ein fettiges Hühnchen essenden Vater ein schlechtes Gewissen zu machen versucht: Da ihre Belehrung über die katastrophal klaustrophobischen Bedingungen, unter denen die Tiere gehalten werden, noch nicht ausreicht, folgt eine veranschaulichende Akrobatik. Olga überdehnt wie eine Schlangenfrau ihren Rücken, bis sie sich mit den Händen rückwärts an die Füße fassend wie ein eingepferchtes Hühnchen fortbewegt. Dieses groteske Bild zeigt auch: In „Body“ werden Konflikte und seelische Notlagen – der Titel legt es nahe - über den Körper ausagiert.

    Fazit: Im polnischen Drama „Body“ sind Zynismus und Empathie, Satire und die Suche nach dem Seelenheil auf überraschende Weise verbunden - eine ganz eigene, äußerst reizvolle Mischung.

    Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2015. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 65. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.

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