Mein Konto
    Nina Forever
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Nina Forever
    Von Lars-Christian Daniels

    Wenn in einer Beziehung der oder die „Ex“ des Partners zur Sprache kommt, ist der Streit fast schon vorprogrammiert: Niemand möchte gerne mit einer verflossenen Liebe verglichen werden – erst recht nicht, wenn der oder diejenige sich vielleicht durch gewisse Qualitäten in der Horizontalen ausgezeichnet hat. Was wohl erst passieren würde, wenn die Leiche einer verstorbenen Ex-Freundin plötzlich zum Leben erwecken und sich ungefragt in das Liebesspiel eines frischverliebten Pärchens einmischen würde? Eine ebenso absurde wie groteske Vorstellung – doch genau diese Idee bringen die britischen Filmemacher Ben Blaine und Chris Blaine, die bisher vor allem durch Kurzfilme und die TV-Produktion „Headspace“ in Erscheinung getreten sind, auf die Leinwand: In ihrer über Kickstarter finanzierten Horror-Romanze „Nina Forever“ entwickelt sich zwischen zwei Liebenden und einer totgeglaubten „Ex“ eine Ménage à trois der ganz besonderen Art. „Blutverschmierte Brüste – ich weiß, ihr mögt sowas“, kündigte der Moderator den Film auf dem Fantasy Filmfest 2015 in Stuttgart an, doch „Nina Forever“ hat mehr zu bieten: zwei interessante Hauptfiguren mit Tiefgang, tiefschwarzen Humor und eine feinfühlig erzählte Geschichte mit vielen Überraschungen.

    Der Tod seiner langjährigen Freundin Nina (Fiona O'Shaughnessy) nimmt den jungen Rob (Cian Barry) noch immer mit. Nina ist bei einem Motorradunfall gestorben – ein schwerer Schicksalsschlag, der nicht nur ihren Freund, sondern auch ihre Eltern Dan (David Troughton) und Sally (Elizabeth Elvin) aus der Bahn wirft, zu denen Rob ein enges Verhältnis pflegt. Für den jungen Mann erscheint aber ein Lichtstreif am Horizont, denn er findet in der hübschen Holly (Abigail Hardingham), die im selben Supermarkt jobbt wie er und sich nebenbei zur Rettungssanitäterin ausbilden lässt, eine neue Liebe. Doch bei der ersten gemeinsamen Nacht der frisch Verliebten geschieht das Unglaubliche: Die tote Nina entsteigt plötzlich der Matratze und mischt sich penetrant in das Liebesspiel ein – blutüberströmt und übel zugerichtet, aber irgendwie doch ziemlich lebendig. Holly ist geschockt und sucht zunächst das Weite. Schon bald jedoch kehrt sie zu Rob zurück, weil sie ihm über den Tod seiner Ex-Freundin hinweghelfen möchte. Fortan muss sie Mann und Bett mit Nina teilen...

    Ich bin keine Ex!“, stellt die lebendige Leiche schon bei ihrem ersten Intermezzo zwischen den Laken entrüstet fest – und Ninas Begründung ist durchaus einleuchtend: Rob und sie hätten schließlich nie Schluss gemacht. Während sich der regelmäßig eingestreute Dialogwitz meist aus den amüsanten Forderungen der (Un-)Toten und den irritierten Reaktionen des beim Akt gestörten Liebespaares ergibt, punktet „Nina Forever“ hin und wieder auch mit Situationskomik: Zu den spaßigsten Szenen des Films zählt Robs Besuch in einem Waschsalon, in dem er einen Beutel blutverschmiertes Bettzeug waschen will, das aussieht, als habe er auf seiner Matratze ein Schwein geschlachtet. Ansonsten fällt die Horror-Romanze trotz der schrägen Ausgangsidee überraschend bodenständig aus: Wer eine zotige Horror-Komödie mit spritzigen Gags und absurden Einfällen am Fließband erwartet, erlebt eine Enttäuschung. Nur in einer witzigen Szene mit Holly und ihrem Sanitäter-Kollegen Josh (Sean Verey) driftet der Film kurz in Richtung Albernheit ab. Für die wenigen echten Gänsehautmomente sorgen die toll inszenierte Sequenz, in der sich Nina geburtenähnlich den Weg ins Bett bahnt, und eine spätere Begegnung im Badezimmer, die so manchem Zuschauer einen kalten Schauer über den Rücken jagen dürfte.

    Unter dem Strich ist „Nina Forever“ aber weniger ein Schocker als vielmehr ein mit Humor angereichertes, groteskes Drama: Ben und Chris Blaine, die auch das Drehbuch zu ihrem Film schrieben, erzählen die Geschichte einer zunächst zart aufkeimenden, dann zunehmend intensiven Zuneigung zwischen zwei jungen Außenseitern, die sich weder von einem missglückten Kennenlern-Abend bei Ninas Eltern, noch von dem aufdringlichen Stammgast in ihrem Bett auseinanderbringen lassen. Die Blaine-Brüder beweisen ein feines Gespür für die Gefühlswelt ihrer Protagonisten, und versehen die bizarre Handlung mit Tiefgang. Das zahlt sich in der zweiten Filmhälfte aus, denn die – wenn auch köstliche - Ausgangsidee allein würde „Nina Forever“ kaum über eineinhalb Stunden Spielzeit tragen. Die Filmemacher sorgen in einigen Schlüsselsequenzen mit geschickten Parallelmontagen für zusätzliche Dynamik und bei den freizügigen, zunehmend irritierenden Sex-Szenen erhält „Nina Forever“ darüber hinaus fast einen nekrophilen Anstrich – doch anders als in Jörg Buttgereits Low-Budget-Horrorfilm „Nekromantik“ oder in Lynne Stopkewichs „Kissed“ präsentiert sich die Leiche beim Liebesspiel quicklebendig. Die beiden Hauptdarsteller Cian Barry („RPG“) und Abigail Hardingham („Angel of Decay“) harmonieren im Übrigen auch außerhalb des Schlafzimmers prächtig – heimlicher Star des Films ist aber Fiona O'Shaughnessy („Utopia“), die dem Affen in ihrer Rolle als „Bloody Bitch“ ordentlich Zucker gibt.

    Fazit: Die britischen Filmemacher Ben und Chris Blaine feiern mit ihrer unterhaltsamen Horror-Romanze „Nina Forever“ ein ebenso bizarres wie originelles Kinodebüt, bei dem sich die Hauptdarsteller nackt und blutverschmiert vor der Kamera austoben dürfen.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top