Mein Konto
    Stadtlandliebe
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Stadtlandliebe
    Von Christoph Petersen

    Zwei sinnsuchende Großstädter ziehen aufs Land und verlieben sich nach einigen Anlaufschwierigkeiten doch noch in das beschauliche Dorf und seine verschrobenen Bewohner – der Plot von „Stadtlandliebe“ klingt ganz nach einer berechnend-harmlosen Komödie für „Landlust“-Abonnenten und alle sonstigen Metropolengeschädigten, die sich insgeheim nach Besinnlichkeit, Naturnähe und Stallausmisten sehnen. Aber Pustekuchen! Regisseur Marco Kreuzpaintner („Sommersturm“, „Krabat“) inszeniert das vermeintliche ländliche Idyll Kloppendorf als nahezu surreale Ausgeburt des Wahnsinns, fast so als hätten die entlaufenen Bewohner einer Nervenheilanstalt ein verlassenes Kaff besiedelt. Ein beilschwingender Nudist, ein angriffslustiger Gemischtwarenhändler, eine passiv-aggressive Sprechstundenhilfe, ein skurriler Begrüßungs-Chor auf dem eigenen Dachboden und aufdringliche Umzugshelfer, die den ihrer Meinung nach überflüssigen Hausrat direkt und ohne Nachfrage entsorgen – in der ersten Hälfte wirkt es fast so, als wären die Protagonisten versehentlich in eine aberwitzige Parallelwelt irgendwo zwischen David Lynch und Jacques Tati gestolpert. Aber dann setzt schließlich doch noch eine herkömmliche Komödien-Dramaturgie ein – und damit fällt der Film mit einem Mal völlig in sich zusammen.

    Als der erfolgreichen Chirurgin Anna (Jessica Schwarz), die selbst ihre eigene Mutter im routinierten Schnelldurchgang operiert, ohne zu merken, wer da gerade unter ihrem Messer liegt, eine Beförderung zur Chefärztin angeboten wird, ist für sie der Zeitpunkt zum Absprung endgültig gekommen: Sie überredet ihren Werbetexter-Freund Sam (Tom Beck), mit ihr aufs Land zu ziehen, wo sie eine Dorfpraxis übernimmt und er endlich in Ruhe an seinem lange geplanten Roman arbeiten kann. Aber das Dorfleben, das die beiden sich vorgestellt haben, existiert so leider nicht – zumindest nicht in Kloppendorf: Ihr neues altes Haus ist völlig marode, die übrigen Dorfbewohner lassen ihnen keine ruhige Minute und das mit dem selbstangebauten Gemüse erweist sich auch nur als Gerücht (warum sollte man sich dafür auch die Maniküre versauen, wenn es doch einen super Salatkopf für 50 Cent im Supermarkt gibt). Aber das größte Problem hat gar nichts mit Kloppendorf und seinen sehr speziellen Bewohnern zu tun: Anna will ein Kind und Sam will keins …

    „Stadtlandliebe“ punktet in der ersten halben Stunde mit einigen gut beobachteten Pointen: Als Sam etwa völlig verschlafen zu spät zu einer Präsentation kommt (die fickenden Krabben findet der Babywindel-Kunde leider nicht so richtig geil), entschuldigt er sich lediglich mit einem sehr kurzen Verweis auf die S-Bahn – und dann fragt auch keiner weiter nach (Berliner verstehen den Gag sofort). Auch wie Anna nach kurzer Verwunderung hinnimmt, dass ihre wuchtige Sprechstundenhilfe Gertie (Gisa Flake) die Patienten behandelt und sie selbst nur zuschauen darf, erzählt  Regisseur und Co-Autor Kreuzpaintner mit einer ebenso verblüffenden wie verstörenden Selbstverständlichkeit. Sind denn hier alle übergeschnappt? Ja, das sind sie – und es macht auch Spaß, ihnen dabei zuzuschauen, selbst wenn das tonal total uneinheitliche Drehbuch die ganze Zeit über wie ein sehr, sehr loser erster Entwurf anmutet.

    Aber dann haben die Macher offenbar Angst vor der eigenen Courage bekommen – denn ab etwa der Hälfte der Spielzeit drängt sich immer mehr der total klischeehafte, völlig aufgesetzt wirkende, keine einzige Sekunde glaubhafte Baby-oder-kein-Baby-Konflikt in den Vordergrund und macht den ganzen schönen Aberwitz wieder kaputt, indem er den Film in die denkbar langweiligsten, ausgelutschtesten Beziehungskomödien-Bahnen zwängt. Während es den Hauptdarstellern Jessica Schwarz („Heiter bis wolkig“) und Tom Beck („Alarm für Cobra 11 – Die Autobahnpolizei“) zuvor noch gelingt, selbst die absurdesten Momente mit ihrem sympathisch-charmanten Spiel zu erden, können auch sie den Malen-nach-Zahlen-Dialogen (inklusive Finale-auf-dem-Dach-Klischee) im weiteren Verlauf nicht den geringsten Anflug von Wahrhaftigkeit verleihen. Schade um den ganzen schönen Wahnsinn, den sich  deutsche Komödienmacher ohnehin viel zu selten zutrauen.

    Fazit: Völlig gaga und zugleich völlig schablonenhaft: „Stadtlandliebe“ wirkt, als wären hier zwei absolut gegensätzliche Filme einfach zu einem zusammengeschmissen worden – mit der Folge, dass keiner von beiden so recht funktioniert.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top