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    Extreme Rage
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Extreme Rage
    Von Jürgen Armbruster

    Gäbe es einen Oscar für den Darsteller mit dem höchsten Testosteronspiegel, käme die Academy an einem Mann nicht vorbei: Vin Diesel. Seitdem er seine Zusage für eine Fortsetzung des Kassenschlagers „xXx - Triple X" gab, gehört Diesel zum elitären Kreis all jener, die eine Gage von Jenseits der Zwanzig-Millionen-Dollar-Grenze pro Film kassieren. Eine beachtliche Summe, wenn man bedenkt, dass sich über sein wahres schauspielerisches Potenzial kaum eine Aussage machen lässt. Diesel musste bisher schlicht und einfach nie wirklich als Darsteller eines komplexen Charakters überzeugen. Seine große Stärke ist die schier unschlagbare Leinwandpräsenz. Tritt das in New Yorker geborene Kraftpaket vor die Kamera, verkommt alles andere um ihn herum zur Nebensache. Diesel ist der Prototyp einer neuen Generation von Action-Helden, die sich nach dem allmählichen Rückzug der Herren Schwarzenegger, Willis, Gibson und Stallone aufmacht, das Genre zu erobern.

    Dieser Tage ist es nun soweit. Vin Diesels neuester Streich steht kurz vor der Veröffentlichung in den hiesigen Lichtspielhäusern. Neuester Streich? „Alter“ ist in diesem Fall wohl der angebrachte Ausdruck. Die Dreharbeiten zu „Extreme Rage“ begannen schließlich bereits am 12. Dezember des Jahres 2000, also noch bevor „The Fast And The Furious“ veröffentlicht und Diesel das erste Mal in den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses rückte! Der Release wurde immer wieder verschoben, wofür vor allem zwei Dinge verantwortlich waren: Habgier und Dummheit! Scheinbar war es den Verantwortlichen nicht möglich, ihrem Kind einem Namen zu geben. Der ursprüngliche Titel des Projekts lautete „El Diablo“, doch hierbei wurde die Rechnung ohne den renommierten Computerspielehersteller „Blizzard Entertainment“ gemacht, deren Zugpferd die Spiele aus dem von ihnen erschaffenem Diablo-Universum sind. Da zum damaligen Zeitpunkt geplant war, das Computerspiel zu verfilmen, untersagte es Blizzard den Produzenten, diesen Namen zu verwenden. Dies entpuppte sich als schwerer Schlag für die kreativen Köpfe von Warner und Co. Nach langem hin und her wurde aus „El Diablo“ „This Man’s Dominion“. Einem Release im Jahr 2002 stand eigentlich nichts mehr im Wege. Doch zu diesem Zeitpunkt kam die Karriere von Vin Diesel so richtig ins Rollen. Man entschloss sich, den Film noch einige Zeit einzumotten und den Erfolg von „xXx - Triple X" abzuwarten. Um einen Hype zu kreieren und dem Film einen mystischen Touch zu verleihen, wurde „This Man’s Dominion“ kurzerhand offiziell in „Untitled Vin Diesel Project“ umbenannt (kein Witz!). Die Rechnung ging auf. Vin Diesel ist mittlerweile ein Weltstar und seine Fangemeinde lechzt geradezu nach neuem Stoff. Einige Monate und eine weitere Umbenennung später – diesmal zu „A Man Apart“ – rückt die Veröffentlichung in greifbare Nähe. Doch die Farce um den Namen des Films ist damit noch nicht beendet. Scheinbar waren einige Herren beim Verleih Warner der Meinung, dass dem dämlichen deutschen Publikum einen komplizierten Titel wie „A Man Apart“ nicht zugemutet werden kann. Also nennt sich der Streifen im deutschsprachigen Raum nun „Extreme Rage“. „Was lange währt, wird endlich gut.“ Diese uralte Binsenweisheit ist wohl jedem unter uns ein Begriff, doch ob sich dies auch auf „Extreme Rage“ übertragen lässt, durfte in Anbetracht dieser Peinlichkeiten bereits im Vorfeld bezweifelt werden. Die einfach Frage, die hinter all dem steckt, muss gestellt werden: Warum einen Film derartig lange zurückhalten, wenn man selbst von dessen Qualität überzeugt ist?

    Die Quintessenz der Geschichte, die sich hinter „Extreme Rage“ versteckt, ist wenig originell und nichts anderes, als eine weitere Variation des altbekannten „Ein Mann sinnt nach Rache“-Themas. Sean Vetter (Vin Diesel) ist Agent bei der erfolgreichsten Abteilung der D.E.A. (Drug Enforcement Agency = amerikanische Anti-Drogen-Einheit). Sieben Jahre lang arbeitete er gemeinsam mit seinem Partner Demetrius Hicks (Larence Tate) an der Gefangennahme von Memo Lucero (Geno Silva), dem Anführer eines der größten kolumbianischen Drogenkartelle. In einer Nacht- und Nebelaktion gelingt der große Coup und Memo wandert hinter schwedische Gardinen. Doch nun beginnen die Probleme erst so richtig. Die Führung des zerschlagen geglaubten Kartells übernimmt der mysteriöse Diablo. Dieser lässt sich natürlich nicht lumpen und statuiert an Sean ein Exempel, um seine Widersacher zu warnen. Diablos Mannen dringen in die Wohnung von Sean und seiner Frau Stacey (Jacqueline Obradors) ein, um den beiden den Gar aus zu machen. Sean überlebt das Attentat schwer verletzt, doch für Stacey kommt jede Hilfe zu spät. Was folgt, liegt auf der Hand: Sean verliert mehr und mehr die Kontrolle über sich. Bei einem Undercover-Einsatz brennen in ihm schließlich alle Sicherungen durch. Er prügelt einen Verdächtigen windelweich, was dazu führt, dass beim darauf folgenden Schusswechsel drei seiner Kollegen sterben. Seine Suspendierung ist die logische Konsequenz. Fortan kennt er nur noch ein Ziel: Rache! Er mischt das Kartell von unten nach oben auf, angefangen vom kleinen Straßendealer, hoch zu den Mittelsmänner bis zu den Drahtziehern, in der Hoffnung, früher oder später Diablo vor den Lauf seiner Kanone zu bekommen.

    Mit der Inszenierung von „Extreme Rage“ wurde F. Gary Gray beauftragt. Eigentlich ein Umstand, der hoffen lies, war er doch für das unterschätzte Ghetto-Drama „Set It Off“ über das Schicksal vier junger Frauen und das packende Duell zwischen Samuel L. Jackson und Kevin Spacey in „Verhandlungssache“ verantwortlich. Doch auch ihm gelingt es nicht, den Film über das graue Mittelmaß hinaus zu hieven. Die handwerkliche Umsetzung des Stoffes kann durchweg als routiniert bezeichnet werden. Das Scheitern des Films lässt sich am ehesten durch sein ambitioniertes Vorhaben, Charakter-Drama und geradlinigen Actioner unter einen Hut zu bringen, erklären. In beiden Fällen wirkt „Extreme Rage“ unausgegoren. Daher lässt sich auch die Zielgruppe nur äußerst schwer definieren. Den Action-Fans wird zuviel Leerlauf zugemutet und für Freunde anspruchsvoller Dramen sind die Dialoge viel zu platt. Doch selbst wenn man „Extrem Rage“ als einen Film akzeptiert, der sich einfach nicht einer genauen Sparte zuordnen lassen möchte, so ist die von Christian Gudegast und Paul Scheuring geschriebene Geschichte immer noch voll gestopft mit logischen Ungereimtheiten. Wie ist es beispielsweise einem suspendierten Polizisten möglich, die Verlegung eines im Hochsicherheitsgefängnis inhaftierten Schwerverbrechers zu veranlassen?

    Aber auch „Extreme Rage“ besitzt eine gewisse Daseinsberechtigung. Zwar kann man sich diesen Streifen ruhigen Gewissens sparen, doch eine Tatsache ist durchweg positiv zu bewerten: Vin Diesel überzeugt als Schauspieler! Seit seinem Kurzauftritt in „Der Soldat James Ryan" wird von ihm erstmals wieder gefordert, mehr als zwei zusammenhängende Sätze von sich zu geben. Sicherlich wirken viele Szenen wie das obligatorische Trauern am Grab seiner Frau oder das Reflektieren über die glücklichen Tage in ihrem Strandhaus klischeebeladen und ausgekaut wie ein alter Kaugummi, doch Diesel weiß durchaus zu gefallen. Seine Leistung ist jedoch auch der einzig wirkliche Grund, sich „Extreme Rage“ anzuschauen. Diesel-Anhänger werden sich vom Kinobesuch wohl kaum abbringen lassen, allen anderen kann allerdings nur abgeraten werden.

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