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    Mann unter Feuer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Mann unter Feuer
    Von Jürgen Armbruster

    Tony Scott, Denzel Washington und Brian Helgeland. Drei Namen, die eigentlich mit einem Mindestmaß an Qualität verbunden werden. Wenn sich diese drei für einen gemeinsamen Film zusammen tun, kann doch eigentlich nicht all zu viel schief gehen. Zumindest solide Unterhaltung sollte diese Kooperation schon abwerfen. Doch hier war leider der Wunsch Vater des Gedanken. Wie „Mann unter Feuer“ - so die vollkommen überflüssige und fast schon lächerliche Eindeutschung des Originaltitels „Man On Fire“ - eindrucksvoll beweist, sind große Namen noch lange keine Garantie für große Unterhaltung.

    Creasy (Denzel Washington) ist ein ehemaliger Elite-Agent des CIA. Eingesetzt wurde er vorrangig bei den richtig schmutzigen Jobs, die offiziell nie existierten. Wie es für den Filmhelden von heute gehört, plagen ihn die Geister dieser Vergangenheit. Sein schlechtes Gewissen und seine Albträume ertränkt er im Alkohol. Bis zum Suizid ist es nur noch ein kleiner Schritt. Dies erkennt auch sein alter Freund Rayburn (Christopher Walken), als Creasy zu Besuch in Mexico-City weilt. Um ihm wieder eine Aufgabe zu geben, verschafft Rayburn ihm eine Anstellung als Bodyguard der jungen Pita (Dakota Fanning). Kidnapping ist in Mexiko ein äußerst lukratives, an der Tagesordnung stehendes Geschäft. Und da Pitas Eltern Samuel (Marc Anthony) und Lisa (Radha Mitchell) wohlhabend sind, ist dieser Schutz auch dringend nötig. Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Das menschliche Wrack Creasy freundet sich tatsächlich mit dem zehnjährigen Mädchen an, diese wird dann (Achtung, Überraschung!) entführt, Creasy dabei schwer verwundet, die Geldübergabe scheitert und dann gibt’s eben Feuer. Vorhang auf zu Creasys blutiger One-Man-Show beim Feldzug gegen die organisierten Kindesentführer.

    Was ist bei „Mann unter Feuer“ alles schief gelaufen? Schließlich darf - nein, man muss von allen an diesem Film Beteiligten einiges verlangen. Beginnen wir bei Brian Helgeland. Eigentlich ist er ja einer der begnadetsten Drehbuchautoren der Gegenwart. Herausragend sein Script zu Clint Eastwoods letztjährigem Thriller-Drama „Mystic River“. Fast unterreicht sein Meisterwerk „L.A. Confidential“. Doch Helgeland hat auch ein zweites, ein hässliches Gesicht. Ein peinlicher Kapital-Flop wie „Sin Eater“ darf einem Mann mit einem derartigen Potential einfach nicht passieren. „Mann unter Feuer“ schlägt in die gleiche Kerbe. Zunächst einmal ist es eine wahnsinnig originelle Idee, einen Ex-Elite-Militär auf einen blutigen Rachefeldzug zu schicken. Ohnehin ist das Thema Rache mittlerweile reichlich ausgelutscht. Doch dies lasten wir an dieser Stelle ausdrücklich nicht Helgeland persönlich an. Schließlich handelt es sich bei „Mann unter Feuer“ um eine Auftragsarbeit und die Adaption von A.J. Quinnells gleichnamigen Romans. Doch alles andere muss Helgeland eindeutig auf seine Kappe nehmen. Beispielsweise die Unfähigkeit, dem Thema auch nur eine neue Facette abzugewinnen. So wird munter ein altes klingonisches Sprichwort zitiert, das als Startschuss zu dem grandiosen Rache-Epos eines gewissen Herrn Tarantino diente. Sollte dies nun eine Hommage sein? Wahrscheinlich, aber wirken tut dies eher wie der verzweifelte Griff nach dem letzten Strohhalm. Helgeland hat schlicht und einfach die vollkommen falschen Schwerpunkte gesetzt. Bis der Film mit der Entführung Pitas halbwegs ins Rollen kommt, vergeht eine knappe Stunde, in der das Publikum schon fast das Interesse verliert. In dieser Zeit will der Film wohl ein ernsthaftes Charakter-Drama sein. Doch dafür sind die Figuren einfach zu simpel gestrickt, zu eindimensional. Geht dann endlich Creasys Rachefeldzug los, läuft alles stur nach Schema F ab: Einen der bösen Buben fassen, ihn solange foltern, bis er einen Namen ausspuckt und weiter geht’s. Auf die Dauer von knapp zweieinhalb Stunden ist dies alles ermüdend, ein Spannungsbogen kaum erkennbar.

    Tony Scott stand schon immer etwas im Schatten seines großen Bruders Ridley. Kein Wunder, schließlich finden sich in seiner Biographie eine Fülle an Referenzfilmen wie „Blade Runner“, „Alien“ oder „Gladiator“ wieder. Da kann Tony nicht mithalten. Doch auch er hat schon mehr als nur brauchbare Filme zustande gebracht. Ob nun „Top Gun“, „Tage des Donners“, „Spy Game“ oder sein bisher vielleicht stärkster Film „True Romance“. Auch Tony kann unterhaltsame und vor allem stilistische bestechende Filme vorweisen. Zwar nichts absolut überragendes wie Ridley, aber unterhaltsam. Doch bei „Mann unter Feuer“ scheinen nun die Pferde vollkommen mit Tony durchgegangen zu sein. Stilistisch versucht er hier alles unter einen Hut zu bringen, was momentan in Mode ist. Schwarz-Weiß-Sequenzen und verwackelte DV-Handkamera-Einstellungen wechseln sich mit dem kläglichen Versuchen ab, möglichst viele Schnitte innerhalb einer Sekunde unter zu bringen. Das Ergebnis ist ein wildes Potpourri zahlreicher Stilelemente, die nie ein harmonisches Ganzes ergeben. Unfreiwillig amüsant wirkt auch die peinliche Resteverwertung des „Gladiator“-Scores des großen Bruders. Interessant und originell ist hingegen die eigenwillige, fast schon comicartig Positionierung der Untertitel in den Spanisch gesprochenen Passagen. Hoffentlich werden diese in der deutschen Fassung zumindest ähnlich umgesetzt.

    Dass Denzel Washington in einem Film wie „Mann unter Feuer“ gänzlich unterfordert ist, dürfte keine all zu überraschende Feststellung ein. Warum sich der bisher einzige Afro-Amerikaner, der mit der prestigeträchtigsten aller möglichen Auszeichnungen (gemeint ist hier selbstverständlich ein Oscar für den besten Hauptdarsteller) geehrt wurde, auf einen 08/15-Charakter wie den Creasy aus „Mann unter Feuer“ eingelassen hat, ist eigentlich unerklärlich. Was soll Washington auch aus dieser Rolle machen? Creasy ist im Prinzip nichts weiter als eine Mischung seines „John Q.“ und seines Alonzo Harris aus „Training Day“. Das heißt, dass er abwechselnd böse und traurig in die Kamera guckt. Das war’s dann aber auch schon. Die nicht ganz unwichtige Rolle der Pita wurde mit Dakota Fanning („Ich bin Sam“, „Uptown Girls“) besetzt. Eigentlich legt sie eine erstaunliche schauspielerische Reife an den Tag, doch das zehnjährige Mädchen nimmt ihr der Zuschauer nicht immer ab. Dafür sind insbesondere die Dialoge viel zu aufgesetzt und unglaubwürdig. Aber immerhin gelingt es ihr, dass sie vom Publikum süß gefunden wird, was fast schon als Legitimation für Creasys Handeln herhalten kann. Der Einzige, der aus dem austauschbaren Darstellerensemble heraus ragt, ist jedoch Christopher Walken. Zwar lassen sich seine Auftritte an den Fingern eine Hand abzählen, doch diese zählen ganz klar zu den besten Szenen von „Mann unter Feuer“. Sein schelmisches Grinsen ist einfach eine Augenweide und auf seine Kappe geht auch das wohl einzige, erinnerungswürdige Zitat des Films. Mehr Walken hätte „Mann unter Feuer“ sicherlich gut getan.

    Dies hört sich nun alles unheimlich schlecht an. Ist es eigentlich auch. Doch das Thema Rache wurde auch schon wesentlich schlechter verarbeitet. Siehe zuletzt „Walking Tall“. Und die eine oder andere kurzweilige Szene kann auch „Mann unter Feuer“ vorweisen. Das wahrscheinlich tödlichste Zäpfchen der Welt wird sicherlich jedem Zuschauer in Erinnerung bleiben. Doch für einen zweieinhalb Stunden langen Film ist dies einfach zu wenig. Eigentlich ist „Mann unter Feuer“ überflüssig wie ein Kropf. Für einen Actioner zu langatmig, für ein Charakter-Drama zu oberflächlich. Schade, die beteiligten Namen ließen mehr erhoffen.

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