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    Spider
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Spider
    Von Stefan Ludwig

    Manche Filme ziehen ihre Aufmerksamkeit über weite Strecken allein dadurch auf sich, dass der Zuschauer einen gewissen „Aha“-Effekt erwartet. So geht auch „Spider“ von David Cronenberg vor, der jetzt mit etwa zwei Jahren Verspätung auch in den deutschen Lichtspielhäusern anläuft. Cronenberg ist bekannt für verstörende und zugleich innovative Filme, die mit physischem und psychischem Horror arbeiten. Mit „Spider“ geht er jedoch einen etwas anderen Weg und präsentiert einen Psycho-Thriller, der sehr dialogkarg und eigenwillig langsam geraten ist. Schauspielerisch hat er einiges zu bieten und kann durchaus Interesse wecken, aber leider bleibt am Ende die ganz große Überraschung aus.

    Dennis Cleg (Ralph Fiennes) wird nach etlichen Jahren aus einer Anstalt für kriminelle Geisteskranke entlassen und zieht in eine Pension, deren restliche Bewohner ebenfalls etwas durchgedreht wirken. Er ist völlig verstört, murmelt ständig unverständliches Zeug vor sich hin, kritzelt Erinnerungen in ein Tagebuch und spricht mit den übrigen Menschen um ihn herum kaum ein Wort. Ständig schwebt er in furchtbaren Erinnerungen an seine Kindheit: Sein gewalttätiger Vater machte aus ihm ein verschrecktes Kind, das ohne Freunde ein einsames Dasein fristete. Als er dann auch noch mitbekam, wie sein Vater ein Verhältnis mit einer „Schlampe“ aus der örtlichen Kneipe anfing, zog sich der kleine „Spider“, wie ihn seine Mutter immer nannte, nahezu komplett aus seinem Umfeld zurück und versank in abstrusen und folgenreichen Gedanken...

    „Spider“ besitzt im wesentlichen zwei Zeitebenen. In der einen spielt Ralph Fiennes die erwachsene Version des Charakters Dennis Cleg mit beeindruckender Performance. Sein abwesender Blick und vor allem sein durch die Mimik aufgezeigtes inneres Leiden machen einen wesentlichen Teil der gut gewordenen Atmosphäre des Films aus. Positiv zu erwähnen sind auch die langsamen Bewegungen, die zwar zum schmunzeln verführen, aber nie unfreiwillig komisch werden. Fiennes füllt seine Rolle somit voll und ganz aus und trägt zum Gelingen des Films bei. Die übrigen Darsteller, seine Mutter (Miranda Richardson), sein Vater (Gabriel Byrne) und der junge Spider (Bradley Hall) spielen allesamt vorbildlich. Sein Film-Vater Gabriel Byrne ist gesondert zu erwähnen – er spielt den Charakter des fehlerhaften Vaters auf interessante Weise, da er ständig zwischen der Rolle des netten, freundlichen Kumpeltyps und dem aufbrausenden, gewalttätigen Horrorvater hin- und herwechseln darf.

    Zur packenden Atmosphäre trägt auch der schöne Score bei, der stets Spannung und Tragik angemessen unterstützt oder verschärft. Die Stimmung des Films schwankt zwischen leicht beklemmend, spannend und etwas verstört hin und her und wirkt über die gesamte Länge geglückt. Die ständige Suche nach der Lösung beschäftigt den Zuschauer besonders in den Momenten, in denen es ruhig und relativ ereignislos auf der Leinwand zugeht. Stets steht die Frage im Raum, was am Ende geschehen mag, da lange Zeit unklar bleibt, worum es eigentlich gehen soll. Das wird vollends erst im Schlussakkord klar, auch wenn sich vorher noch die Ereignisse deutlich zuspitzen und noch neugieriger auf das Ergebnis machen. Leider liegt letztlich bei diesem Ergebnis der Hase im Pfeffer – denn das geniale Ende mit großem „Aha-Effekt“ wird leider nicht geboten. Stattdessen lässt sich einiges vorher erahnen und trotz der Notwendigkeit einigen Nachdenkens am Ende, fehlt doch etwas mehr Überraschung. Bei einem Film, der sich so sehr auf die Erwartung der Lösung stützt, wäre mehr zu erwarten gewesen und so ist hier der größte Kritikpunkt anzusiedeln.

    Das Drehbuch erarbeiteten Autor des Buchs Patrick McGraths und David Cronenberg gemeinsam und an diesem lässt sich kaum etwas bemängeln. Trotz der Zeitsprünge ist stets zu erkennen in welcher Zeit die derzeitige Szene spielt. Die Regiearbeit ist auch auf hohem Niveau, besonders interessante Kameraperspektiven und gut eingesetztes Licht zeigen Cronenbergs ausgeprägte Fähigkeiten.

    Insgesamt ist „Spider“ ein spannender Psycho-Thriller, der leider durch das nicht schlechte, aber etwas zu unspektakuläre geratene Ende getrübt wird. Die schönen Schauspielleistungen, die gute Regiearbeit und die gut eingefangen Atmosphäre trösten darüber etwas hinweg - doch wirklich lange im Gedächtnis bleiben solche Filme nur, wenn sie mit einem beieindruckenderen Schlussakkord versehen sind. So enttäuscht der ansonsten bis auf ein paar sehr langsame, aber nicht langweilige Passagen durchweg unterhaltsame Film zum Ende hin etwas.

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