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    The Black Dahlia
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    The Black Dahlia
    Von Carsten Baumgardt

    Für Cineasten sollte es das Fest des Jahres werden. Unbeachtet von den gleichmachenden Auswüchsen des Mainstreamkinos positionierte sich Brian De Palmas James-Ellroy-Verfilmung „The Black Dahlia“ in Kritikerzirkeln zum meisterwarteten Film der Saison. Ein Meisterregisseur verfilmt mit Star-Besetzung das beste Werk eines grandiosen Kriminalliteraten. Doch was bleibt, ist bittersüße Enttäuschung. Nicht weil De Palma einen schlechten Film abliefert, sondern nur einen guten Noir-Thriller, aber eben nicht den ultimativen Nachfolger von Curtis Hansons L.A. Confidential, der im direkten Vergleich weit vorn liegt.

    Los Angeles, Januar 1947: Die B-Movie-Aktrice Elizabeth Short (Mia Kirshner), wegen ihres lasziven Äußeren die Schwarze Dahlie genannt, wird bestialisch zugerichtet tot in der Nähe des Leimert-Parks im Zentrum von L.A. in zwei Hälften zerteilt, aufgefunden. Die beiden hochgeachteten Cops Officer Dwight „Bucky“ Bleichert (Josh Hartnett) und Sergeant Leland „Lee“ Blanchard (Aaron Eckhart), die sich auch als Boxer einen Namen gemacht haben, sollen den mysteriösen Fall untersuchen. Bleichert freundet sich nicht nur mit Blanchard, sondern auch dessen Frau Kaye (Scarlett Johansson) an, die drei bilden ein eingeschworenes Trio. Bei einem Routineeinsatz, der in eine wilde Schießerei ausartet, rettet Blanchard seinem Partner auch noch das Leben, was sie zusätzlich zusammenschweißt. Die Ermittlungen an dem Dahlien-Fall setzen Blanchard allerdings hart zu, er verändert sich, die Fassade bröckelt. Als Bleichert bei Recherchen auf die reiche Madeleine Linscott (Hilary Swank) im Kreis der Verdächtigen stößt, werden die beiden Polizisten immer tiefer in den Sog von Liebe, Wahnsinn und Tod gerissen...

    James Ellroy zählt zu bedeutendsten Autoren der Kriminalliteratur. Es ist erstaunlich, dass erst Curtis Hanson 1997 dem Kalifornier mit dem Meisterwerk „L.A. Confidential“ zu einer würdigen Leinwandverfilmung verhalf. Die kleineren Produktionen „Der Cop“ (1988) und später auch „Brown´s Requiem“ (1998) spielen in einer komplett anderen Liga. Wirklich verwunderlich ist es nicht, dass Ellroy so verhalten verfilmt wird. So brillant seine Romane auch sind, schreckt die Hollywood-Studios doch sicher die beinharte Gangart und Sprache der Protagonisten ab. „Die schwarze Dahlie“ aus dem Jahr 1987 ist der dritte Teil von Ellroys inoffiziellem „L.A.-Quartett“ („Blutschatten“, „L.A. Confidential“, „White Jazz“) und insgesamt sein siebter Roman. Aber mit einem Budget von 50 Millionen Dollar und einem Mann wie De Palma (Mission: Impossible, Carlito´s Way, Scarface, „Dressed To Kill“, „Die Unbestechlichen“) auf dem Regiestuhl musste es einfach klappen, einen modernen Klassiker zu schaffen. Das Buch basiert auf den Fakten eines der rätselhaftesten Mordfälle der amerikanischen Kriminalgeschichte. Ellroy verwob Fiktion und Fakten zu einem grandios-komponierten Thriller mit überbordend komplexer Struktur von Figuren und Nebenhandlungen.

    Warum „The Black Dahlia“ daran scheitert, als Meisterwerk in die Annalen einzugehen, hat drei Gründe. 1. Brian De Palma ist ein hervorragender Regisseur, aber für die Ellroy-Umsetzung der falsche Mann. 2. Drehbuchautor Josh Friedman versteht es nicht, die mehrdimensionalen Figuren und komplizierten Handlungsstränge der Vorlage tiefgründig genug für die Leinwand aufzuarbeiten. 3. Die beiden Hauptdarsteller Josh Hartnett und Aaron Eckhart sind fehlbesetzt.

    Produzent Art Linson spricht ein wahres Wort, gut gemeint, aber im negativen Sinne den Kern des Übels treffend: „Brian De Palma konzipiert die Sequenzen vom Bild her - der Dialog ist dann der Zuckerguss oben drauf. “ Das Fatale: Dieser Ansatz ist bei einer Ellroy-Verfilmung völlig falsch. Das Wort, der Charakter und die Handlung müssen dominieren und nicht die Optik, die sollte allenfalls der „Zuckerguss“ sein - anders als beim klassischen Film Noir der Bogart-Zeit. Curtis Hanson, der ein meisterhaftes Gespür für Figuren besitzt (siehe auch Wonder Boys, In den Schuhen meiner Schwester) hatte dies verstanden, De Palma kratzt mit seinen überragenden optischen Fähigkeiten deswegen nur an der psychologischen Oberfläche von Ellroys doppelbödigem Roman. Das ist jedoch größtenteils der Arbeit von Drehbuchautor Friedman geschuldet, dem es nicht gelingt, die Vorlage tiefenwirksam zu komprimieren und ein besonderes Gespür für die Charaktere zu entwickeln. Zudem hätte dem Film eine Spielzeit um zweieinhalb Stunden besser zu Gesicht gestanden, um die volle Tiefe aufzubauen. Warum die Produzenten dachten, dass ausgerechnet Friedman, der mit Außer Kontrolle sowie Krieg der Welten nur zwei mittelmäßige Skripts in der Vita stehen hat, der anspruchsvollen Aufgabe der Ellroy-Adaption gewachsen sei, ist ein ziemliches Rätsel. Bei „L.A. Confidential” gelang dieses Kunststück Brian Helgeland und Curtis Hanson bekanntlich bravourös.

    Ebenso grandios war dort die Besetzung der Figuren geglückt. Schon auf dem Papier ist klar, dass das „Dahlia“-Duo Josh Hartnett (Black Hawk Down, Sehnsüchtig, Hollywood Cops, Pearl Harbor) und Aaron Eckhart (Thank You For Smoking, The Core, Erin Brockovich, Paycheck) nicht in einer Klasse mit Russell Crowe, Kevin Spacey, Guy Pierce, Danny DeVito und James Cromwell spielt. Hartnett bemüht sich als Bucky Bleichert redlich, kann sein Milchbubi-Image aber nicht weit genug von sich weisen. Eckharts Performance ist durchwachen, die Tragik seiner Figur Lee Blanchard kann er nicht adäquat zu porträtieren, dafür ist er charismatischer. Die beiden haben jedoch nicht die erforderliche schauspielerische Kragengröße, um diese abgründigen, ambivalenten Hard-Boiled-Charaktere zu geben. Die Erstbesetzung Mark Wahlberg, der aus Zeitgründen passen musste, wäre als Bleichert sicher besser geeignet gewesen, die Rolle des Lee Blanchard ist einem Russell Crowe auf den Leib geschrieben.

    An den drei Leading Ladys von „The Black Dahlia“ gibt es nicht allzu viel zu kritisieren. Scarlett Johansson (Lost In Translation, Match Point, Die Insel) ist äußerlich wie geschaffen für die Epoche der 40er Jahre, leider gibt ihr das Drehbuch nicht die Chance, die komplette Vielschichtigkeit des Romans auszuspielen - sie ist zuviel Hausmütterchen, zu wenig Femme Fatale. Die zweifache Oscarpreisträgerin Hilary Swank (Million Dollar Baby, Boys Don´t Cry) kommt etwas besser weg, weil sie gefährlicher wirken darf. Beide überzeugen aber mehr durch reine Präsenz als überragende Substanz. Mia Kirshner („The L-Word“,„24“) sticht beide als Schlüsselfigur der Schwarzen Dahlie, deren Vorgeschichte über Schwarz-Weiß-Probeaufnahmen erzählt wird, aber problemlos aus, weil sie die Tragik ihrer Elizabeth Short auch ausspielen darf. Der Ansprechpartner aus dem Off ist übrigens Brian De Palma persönlich, der so zu einer Art Cameo kommt.

    Wer nun denken mag, „The Black Dahlia“ sei ein Reinfall, liegt aber daneben. Das Ausgangsmaterial ist viel zu gut, als dass nicht zumindest in der braven Version De Palmas, der den ausgestiegenen David Fincher als Regisseur ersetzte, genügend Stärke für einen sehenswerten Film steckt. Das Grundgerüst der verworrenen, sich am Ende sauber auflösenden Handlung, bleibt bestehen und wird von Kameramann Vilmos Zsigmond (Melinda und Melinda, Jersey Girl) in exzellente, stilvolle Bilder gebannt, die in Einzelszenen, wie zum Beispiel dem Mordanschlag auf Lee Blanchard, von De Palma in erwarteter Perfektion inszeniert werden. Das immer wiederkehrende Motiv der Doppelgänger findet sich auch hier in einem zentralen Konflikt um Madeleine, die von Elizabeth Short besessen war. Auch die absurden Episoden um die Familie Liscott, die der Schlüssel zum Fall ist, hat De Palma beispielhaft gut in Szene gesetzt (superb: Fiona Shaw). Hier ist in Ansätzen zu sehen, was „The Black Dahlia“ hätte werden sollen.

    De Palmas Version von Ellroys Albtraum ist abgründig, aber nicht abgründig genug; hart, aber nicht hart genug; geschickt konstruiert, aber nicht geschickt genug. Von allen Zutaten, die „L.A. Confidential“ zu einem Meilenstein werden ließen, ist viel vorhanden, aber schlussendlich nicht genug. Die knochenbrechende letzte Konsequenz fehlt dem Werk. Immerhin: Wie viele Filme dürfen schon als Enttäuschung gelten, selbst wenn sie trotzdem noch von annehmbarer Qualität sind... „The Black Dahlia“ ist eines dieser seltenen Exemplare.

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