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    House of Flying Daggers
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    House of Flying Daggers
    Von Claudia Holz

    Nicht nur die mächtige Actionfilm-Industrie, die jährlich Hunderte von geballten Filmladungen in atemberaubender Geschwindigkeit auf den Markt schießt, zeigt, wie potent Kino aus Hong Kong ist. Mit „Tiger And Dragon“ räumten die Chinesen den Oscar ab und gewannen die Massen der Welt, mit „Hero“ waren dann auch die Kritiker mit an Bord und durch den hohen Output an cineastischem Futter, war es nur eine Frage der Zeit, bis sich auch im Genre des historischen Action-Dramas eine gewisse Routine einstellte. Der indirekte Nachfolger von „Hero“ hatte der Regisseur Yimou Zhang sofort in Planung und der kommt nun auch bei uns in die Kinos. „House Of Flying Daggers“ heißt das Werk und begeistert ebenfalls als erwachsenes Action-Adventure-Märchen mit historischen Kostümen. Wozu fragen wir uns? „Hero“ war durchaus spektakulär, opulent, gut besetzt und als teuerster chinesischer Film aller Zeiten glücklicherweise auch rein finanziell ein Gewinn. Doch Herr Zhang war, trotz allem Ruhm, nicht ganz zufrieden mit seinem „Hero“ und versichert nun, dass „House Of Flying Daggers“ sein eigentliches Herzensprojekt ist. Vielversprechend klingt es zumindest...

    Im Jahre 859 herrscht große Unruhe in China. Eine Untergrundorganisation, die sich die „fliegenden Messer“ nennt, bekämpft den Kaiser und seine korrupte Regierung. Das Gerücht, es gäbe einen neuen Anführer in der Organisation, führt dazu, dass die beiden Polizisten Leo (Andy Lau) und Jin (Takeshi Kaneshiro), den neuen Führer ausfindig machen sollen. Koste es, was es wolle. Die blinde Tänzerin Mei (Ziyi Zhang) wird daraufhin verdächtig, ein Mitglied der „fliegenden Messer“ zu sein und sofort von den beiden Polizisten festgenommen. Als Mei von einem Unbekannten aus ihrer Gefangenschaft befreit wird, staunt sie nicht schlecht, als sie herausfindet, dass dieser Jin ist. Der wiederum spielt nicht mit offenen Karten und soll Mei lediglich beschatten, so dass sie ihn womöglich in das geheime Versteck der Rebellen führt. Doch Jin erliegt bei der Flucht, mehr und mehr, dem Charme der blinden Frau und beginnt, sich in sie zu verlieben. Die Polizisten sind den beiden allerdings stets dicht auf den Fersen und so beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel, bei dem es natürlich um Liebe, aber auch um Vertrauen und Loyalität geht. Jin und Mei müssen sich in diversen Kämpfen beweisen und Jins Kollege Leo ist ihnen dabei oftmals einen Schritt voraus...

    Es sind natürlich die Lieblingsthemen der Chinesen: Loyalität und Liebe, Freundschaft und Verrat. Das erzeugt große Emotionen und zieht praktisch immer. Fast immer. Doch ein Schritt nach dem anderen und nichts überstürzen. Zunächst einmal ist „House Of Flying Daggers“ eine funktionierende Dreiecksliebesgeschichte, die allerdings erst relativ spät so richtig in Fahrt kommt. Gleich zu Beginn wird dem Zuschauer aber die unübertreffliche Kampfkunst des Hong-Kong-Kinos geboten. Dabei kommt nicht nur Karate, mit teilweise fliegenden Einsätzen, zum Zug, sondern auch Bogenschießen, Messerkampf, Schwertkampf, der ein oder andere Wurf mit einem Bambusrohr und, und, und.

    Dass das chinesische Kino vor allem ein Kino der Sinne ist, das dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Bereits die Eingangssequenz in Yimou Zhangs Dynastie-Streifen, wartet mit einem Fest für die Sinne, in diesem Fall Augen und Ohren, auf: Als Tänzerin in einem Bordell muss die blinde Mei beweisen, dass sie Geschicklichkeit, Gedächtnis und Rhythmus besitzt. Der Polizist Leo fordert sie zu einem Spiel heraus, dass schwer zu beschreiben ist und wahrscheinlich am ehesten dem 80er-Jahre-Computerspiel Senso ähnelt - ohne den Trash-Faktor. Diese Szene und auch der Rest dieses Films sind selbstverständlich wundervoll, ja perfekt geradezu fotografiert und führen den Zuschauer durch grandiose, mitunter digital manipulierte, Landschaftsaufnahmen, die im Wechsel der Jahreszeiten, mal mit einem herbstlichen Goldgelb, einem leuchtenden Bambusgrün, oder, wie im Finale, einem winterlichen Schneesturm, aufwarten. Zur besseren Visualisierung: Der Schneefall im „Kill Bill“-Duell zwischen O-Ren Ishii und Der Braut sieht dagegen wie Konfetti aus.

    Doch bei aller Perfektion und betörenden Aufnahmen fehlt „House Of Flying Daggers“ dennoch etwas und das sind die Charaktere. Dem Drehbuch lässt sich an dieser Stelle nichts anlasten, denn die Geschichte ist vollgepackt mit Twists, die in ähnlicher Geschwindigkeit aus dem Boden springen, wie die fliegenden Messer durch die Luft wirbeln. Da ist die Frage, ob Jins Zuneigung zu Mei echt oder nur gespielt ist. Und was führt der Polizist Leo wirklich im Schilde? Wer ist der unbekannte Rebellenanführer? Irgendwann weiß der Zuschauer glücklicherweise nicht mehr, wo hinten und vorne ist. Das ist also durchaus gelungen.

    Auch die Schauspieler trifft keine Schuld. Jeder einzelne von ihnen gibt sein Bestes, um einer etwas hölzern wirkenden Story, Bedeutung zu geben. Vielleicht liegt es aber auch einfach daran, dass der Film zusammengestückelt aussieht. Eine Episode reiht sich an die nächste, ohne jedoch mit Herz und Verstand die Figuren mitzuziehen. Diese sind irgendwann nur noch Marionetten in einem opulenten Varieté. Bereits nach der Flucht der beiden Hauptcharaktere Jin und Mei schleicht sich das Gefühl ein, dass die Story auf der Stelle tritt. Ab und an gibt es Annäherungsversuche von Jin, die Mei jedoch stets abwehrt und sie lässt sich besonders viel Zeit damit. Dieses Kriegt-er-sie-oder-nicht-Spiel wirkt irgendwann ermüdend und eigentlich schafft es der Zuschauer bis zum Schluss nicht, die Entscheidungen der Protagonisten mit all seinen Sinnen nachzuempfinden. Schade, da sich der Film ansonsten so sehr um die Sinne seines Publikums bemüht.

    Doch ehrlich gesagt ist dies im Anbetracht des Spektakels, für das der Zuschauer bezahlt, nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Denn das Erstaunliche ist, dass der Film auch mit diesem, nicht gerade leicht zu nehmenden Fehler, sein Publikum bei der Stange hält. In den Momenten, wo die Action zum Stillstand kommt, kann der Betrachter getrost die Örtlichkeiten benutzen oder eine weitere Tüte Popcorn kaufen und in jedem Fall sicher sein, dass nach einer drögen Romantiksequenz, der nächste Messerkampf schon Schlange steht. Für gelungene und unerwartete Twists, die nie langweilig werden, einem Showdown, der jeden Mexican Stand-off in den Schatten stellt, einer unprätentiösen, aber trotzdem glorreichen Kamera, wundervollen Kostümen und Sets sowie Kampfszenen ohne Atempause, gibt es Hochachtung und Anerkennung. Vielleicht könnte „House Of Flying Daggers“ sogar mit seiner eher simpel gestrickten Story den komplexen und teilweise unverständlichen „Hero“ schlagen. Mal ehrlich. Wer kann von sich behaupten, dass er die Flashbacks in „Hero“ wirklich auf die Reihe gekriegt hat? Und für Yimou Zhang ist sowieso schon klar, wer als Sieger in diesem Duell vom Platz gehen würde.

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