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    Wege zum Ruhm
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Wege zum Ruhm
    Von Matthias Ball

    Stanley Kubricks Frühwerk „Wege zum Ruhm“ zeigt den ehrgeizigen französischen General Paul Mireau (George Mcready), der inmitten des Ersten Weltkriegs seine Chance zum Aufstieg als Divisions General sieht. Letzte verbleibende Hürde ist der Sturm der Höhe 19, welche sich derzeit in den Händen der Deutschen befindet. Schnell merkt auch er, dass ein Angriff zu dieser Zeit völlig sinnlos wäre – große Teile des Regiments sind demoralisiert, verwundet und erschöpft. Folglich beschließt er, die Aufgabe dem Regimentsführer Colonel Dax (Kirk Douglas) zu übertragen. Nachdem dieser einen ersten Angriff wagt, fällt das Ergebnis erschreckend aus. Nicht einmal auf halber Strecke sind bereits große Teile des Regiments gefallen. Die zweite Welle, die unterstützendes Sperrfeuer liefern soll, verweigert ganz, da weiteres Vorgehen unmöglich scheint. General Mireau ist empört und befiehlt, auf die eigenen Truppen zu feuern. Als auch dieser Befehl ihm verweigert bleibt, entscheidet er, das Regiment abzulösen und aufgrund von „Feigheit vor dem Feind“ an drei Soldaten ein Exempel zu statuieren. Ziel dieses Exempels sei es „Die Moral der Truppe“ wiederherzustellen - eine disziplinierte Armee brauche nunmal ab und ein paar Erschießungen. Dax, der seine Männer vor dem Kriegsgericht verteidigt, kommt immer näher an die wirklichen Gründe dieses Befehls und versucht die eigentlichen Schuldigen, Mireau und General George Broulard (Adolphe Menjou), zur Verantwortung zu ziehen. Broulard, einzig und allein an der Erhaltung seiner Macht interessiert, weht sprichwörtlich im politischen Wind und stellt immer wieder das eigene Wohlergehen vor das der Männer an der Front.

    Unerbittliche Ironie zeigt sich während Mireaus Stippvisite in den Schützengräben des 701. Regiments. Unterlegt mit Marschmusik stolziert dieser, in seiner scheinbar makellosen Uniform die Schützengräben entlang und grüßt die völlig kriegsermüdeten Soldaten mit einem kräftig positiv stimmenden „Na, wollen wir denen drüben mal einheizen?“ - währenddessen schlägt ringsherum Artilleriefeuer ein, verwundete Kämpfen um ihr Leben. Der Zuschauer ist schockiert und angewidert zugleich. Diese grauenvolle Ironie zieht sich durch den kompletten Film. Während Daxs Truppen die verzweifelte, wahnsinnige und zum Scheitern verurteilte Offensive auf Höhe 19 starten, beobachtet Mireau das Treiben aus sicherer Entfernung. Für ihn gibt es nichts Wichtigeres als einen kurzen Moment des Sieggefühls in einer bereits verlorenen Schlacht um seine Chancen auf die in Aussicht gestellte Beförderung zu wahren.

    Der erste Weltkrieg gilt als schrecklichster und sinnlosester Krieg überhaupt. Ohne einen wirklich nachvollziehbaren Grund ließen viele Millionen Menschen in ganz Europa ihr Leben. Eine der meist umkämpften Gebiete war dabei die deutsch-französische Frontlinie. Allein 1914 verliert Deutschland 750.000 Soldaten, Frankreich rund 900.000 Mann. In keinem folgenden Kriegsjahr werden die Verluste jemals wieder so hoch sein wie in diesen ersten fünf Monaten. Nichts würde näher liegen als die für dieses Debakel verantwortlichen Generäle abzulösen – das Gegenteil geschieht. Kinofilme zur Thematik des Ersten Weltkrieges sind rar gesät. Neben Charlie Chaplin, der gegen Ende des Krieges 1918, mit „Gewehr über!“ und „The Bond“ zwei Kurzfilme veröffentlichte, kam 1930 das verfilmte „Im Westen nichts Neues“ (OT: „All Quiet On The Western Front“) in die Kinos. Während des Zweiten Weltkriegs wurden u.a „The Fighting 69th“ (1940) und „Sergeant York“ (1941), zwei weitgehend unbekannte Filme, veröffentlicht. Es folgte eine bis 1957 anhaltende Durstrecke. Zurück blickend auf die großen Erfolge von Anti-Kriegsfilmen, liegt vor allem der Vietnam-Krieg schwer im Trend. „Platoon“, „Full Metal Jacket“, oder auch „Apocalypse Now“ sind weit bekannte Vertreter dieses Genres.

    Produziert wurde „Wege zum Ruhm“ von Stanley Kubrick, dem das gleichnamige Buch von Humphrey Cobb als Vorlage diente. Wer den Namen Kubrick hört, denkt sofort an Meisterwerke eines „A Clockwork Orange“, oder „2001 – Odyssee im Weltraum“, mit denen ihm der absolute Durchbruch gelang. Das bereits 1957 in die Kinos gekommene Kriegsdrama „Wege des Ruhms“ fristet allerdings bis heute ein Dasein in relativer Unbekanntheit. Das liegt zum einen sicherlich an seinem frühen Entstehungsdatum und der Verschwiegenheit der Öffentlichkeit dem Ersten Weltkrieg gegenüber, zum großen Teil wohl aber auch an der unmissverständlichen Thematik, die sich zwanghaft weigert, in das Genre des Unterhaltungsfilms gepresst zu werden. Die radikale Abrechnung mit maßlosem Pflichtgefühl, Gehorsam, und völlig übertriebenen Moralvorstellungen regen unweigerlich zum Nachdenken an. Fragen nach dem Sinn und den Grenzen des blinden Gehorsams beschäftigen den Zuschauer noch lange dem Abspann.

    Schauspielerisch bewegt sich „Wege des Ruhms“ auf höchstem Niveau. Kirk Douglas glänzt als Colonel Dax wie nie zuvor – eine Rolle die ihn beinahe an „Spartacus“ erinnert – von den eigenen Idealen angetrieben auf der Suche nach der nicht vorhandenen Gerechtigkeit. Dax ist der eigentliche Protagonist des Films. Nachdem drei Soldaten aus seinem Regiment vor das Kriegsgericht gestellt werden, muss er einsehen, dass weder Schuld noch Unschuld entscheidend sind, sondern dass die mit dem Krieg eingezogene Willkür regiert. Eine weitere Hauptrolle wird von George Mcready besetzt. Manchen noch aus William Shakespeares Verfilmung „Julius Cäsar“ bekannt, spielt er hier mit völliger Überzeugung den gefühlskalten General Mireau. Sein Freund und Generalskollege Broulard wird von Adolphe Menjou verkörpert. Menjou der schon unter Charlie Chaplins Regie in „A Woman Of Paris“ (1923) einen wohlhabenden Liebhaber spielt, passt zu dieser Rolle wie kein anderer. Man könnte meinen, er lebt diese Persönlichkeit auch außerhalb des Sets, so überzeugend wirkt er. Vor allem aber das Zusammenspiel der drei Charaktere funktioniert ausnahmslos. Douglas, Mcready und Menjou ergänzen sich zu jeder Zeit und sorgen somit für ein Meisterwerk, das auch von den übrigen Darstellern, den Vergleich mit anderen Großen des Genres locker aufnehmen kann.

    Durch die äußerst kurze Laufzeit vermeidet Kubrick jegliches Aufkommen von Längen, die dem Film seine eigentliche Aussage nehmen könnte. 87 schonungslose Minuten, die das Geschehen schockierend und beklemmend zugleich zeigen. Moralvorstellungen, die soweit fernab der Realität sind, zeigen den Krieg von seiner schlimmsten Seite und machen „Wege zum Ruhm“ zu einem der besten Anti-Kriegsfilme aller Zeiten, der knapp 50 Jahre nach seinem Erscheinen kaum an Wichtigkeit verloren hat.

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