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    Stirb langsam 4.0
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Stirb langsam 4.0
    Von Carsten Baumgardt

    Eigentlich ist Arnold Schwarzenegger der „Last Action Hero“, wie John McTiernan in seinem gleichnamigen Rohrkrepierer aus dem Jahr 1993 feststellte. Doch er hätte es besser wissen sollen, denn der wahre letzte Actionheld der alten Schule, der Last Man Standing, ist natürlich Bruce Willis, der sich aufgrund akutem Superhitmangel zwölf Jahre nach Stirb langsam 3 dazu breit schlagen ließ, das erfolgreiche Action-Franchise doch noch fortzusetzen. Seit dem Jahrtausendwechsel kann Willis nur zwei Hits (Unbreakable, Sin City) vorweisen, was den Superstar wohl genötigt hat, das weiße Feinripp-Unterhemd noch einmal hervorzukramen. Da John McTiernans Karriere spätestens seit dem Remake-Desaster Rollerball den Bach runter, und der Regisseur von Stirb langsam und Stirb langsam - Jetzt erst recht sowieso ein Auslaufmodell ist, hörte Willis - der Gralshüter der „Die Hard“-Reihe - auf seine Tochter Rumer. Die hatte ihrem Vater die Underworld-Filme ans Herz gelegt. Und der Papa war derart begeistert von den stilistischen Fähigkeiten eines Len Wiseman, dass dieser gleich auf dem Regiestuhl von „Stirb langsam 4.0“ Platz nehmen durfte. Die gute Nachricht: Die Erwartungen eines modernen Actionfilmpublikums werden erfüllt. Die schlechte: Dementsprechend industriell sieht der Film auch aus, weshalb der Charme der Vorgänger trotz grandioser Schauwerte nicht erreicht wird.

    Ein Routineauftrag artet für den New Yorker Cop John McClane (Bruce Willis) zu einem möglichen Ende der Zivilisation aus. Nachdem er seine Tochter Lucy (Mary Elizabeth Winstead) verärgert hat, indem er deren Möchtegern-Freund unsanft aus ihren Armen entfernte, soll McClane den Computerhacker Matt Farrell (Justin Long) zum Verhör auf die Wache bringen. Doch in der Wohnung angelangt, hagelt es gleich reichlich Maschinengewehrkugeln. Nur dank McClanes Einzelkämpferqualitäten wird der Computerfreak gerettet und das ungleiche Gespann kann entkommen, während das Apartment um sie herum in Schutt und Asche gelegt wird. Sieben von Matts Hackerkollegen werden liquidiert, doch ehe Einsatzleiter Bowman (Cliff Curtis) dies durchschaut hat, bricht plötzlich der komplette Datenstrom der USA zusammen. Eine terroristische Profi-Hackergruppe um den genialen Anführer Thomas Gabriel (Timothy Olyphant) hat die Vereinigten Staaten im Würgegriff. Nichts geht mehr. Alle Systeme sind down. In den Städten bricht eine Panik aus. Die hastig formierten Sondereinheiten agieren kopf- und hilflos. Der einzige, der den Überblick behält, ist Old-School-Cop John McClane, der Matt beschützen und nach Washington bringen will. Der Hacker durchschaut am schnellsten, was die Terroristen vorhaben... und ist McClane eine große Hilfe dabei, seine nur in Nullen und Einsen denkenden Gegner zu verstehen...

    Stirb langsam (1988) gilt in Genrekreisen für nicht wenige als bester Actionfilm überhaupt. John McTiernans knallhartes, sarkastisches Meisterstück begeistert durch furiose Action, coole Sprüche und glänzt mit einem atemberaubenden Duell zwischen Good Guy Bruce Willis und Bösewicht Alan Rickman. Stirb langsam 2 (1990) und Stirb langsam - Jetzt erst recht (1995) konnten zwar nicht ganz an dieses Niveau anknüpfen, gefielen aber als überaus launige Actionfeuerwerke. Was ist nun von „Stirb langsam 4.0“ zu erwarten? Ein Actionheld der späten 80er Jahre, der auf den neuesten Stand der Hollywood-Evolution gebracht wird? Dieser Gedanke kommt einem unweigerlich bei einem Blick auf die Besetzung des Regiestuhls. Kate-Beckinsale-Ehemann Len Wiseman kommt aus der Werbung, was seinem Stil in den beiden bisherigen Filmen (Underworld, Underworld: Evolution) deutlich anzumerken ist. Diese Werke kennzeichnet optische Brillanz, die auf inhaltlicher Ebene jedoch nicht erwidert wird. Doch die Befürchtung, dass Wiseman aus „Stirb langsam 4.0“ nun einen komplett seelenlosen Hochglanz-Actioner fabriziert, bewahrheiten sich zum Glück nur in kleinen Teilen.

    Ganz klar, das Franchise wird einer sichtbaren Modernisierung unterzogen, die nur noch eine große und sehr wichtige Konstante hat: John McClane ist immer noch John McClane, selbst wenn das legendäre, blutverschmierte weiße Unterhemd nur unter seinem Outfit durchscheint. Die lakonischen Oneliner haben sich nicht geändert und funktionieren wie eh und je. McClanes Methoden sind dieselben wie immer, was ihn auch dazu befähigt, als einziger dem überlegenen Gegner gewappnet zu sein. Es macht zwar nicht wirklich Sinn, dass ein hartgesottener New Yorker Straßencop sämtlichen Intelligenzen der US-Verteidigung überlegen ist, aber diese Prämisse muss man einfach hinnehmen, um an dem Film seinen Spaß zu haben. Denn diesen verbreitet „Stirb langsam 4.0“ über weite Strecken ungemein. Wiseman schert sich nicht um eine konventionelle Einführung der Charaktere, sondern stellt diese anhand von krachenden Actionszenen vor. Bevor der Zuschauer das erste Mal zu Atem kommt, sind bereits ein Häuserblock und Dutzende von Autos fachgerecht zerlegt. Dieses immens hohe Tempo hält „Stirb langsam 4.0“ auch über lange Zeit der satten 129 Minuten durch. Lediglich vor dem dritten Akt gönnt sich der Film einen kleinen Durchhänger, wenn vor dem großen Finale noch einmal tief Luft geholt wird.

    Auch wenn der Film natürlich CGI-Effekte enthält, ist das Hauptaugenmerk auf altmodische, handgemachte Action gelegt - lediglich bei den Explosionen fällt die Herkunft aus dem Computer negativ auf. Wiseman brennt ein Feuerwerk ab und zermalmt alles, was dem Held in den Quere kommt. Besonders spektakulär fällt McClanes unkonventioneller Versuch aus, mit einem rasenden Autokatapult einen Hubschrauber vom Himmel zu holen. Je länger das Franchise dauert, desto mehr erweitert sich der Spielplatz für die Handelnden. Von der klaustrophobischen Atmosphäre eines Hochhauses, über den begrenzten Raum eines Flughafens hin zur Schnitzeljagd durch New York, wagt die dritte Fortsetzung nach dem Beginn im Big Apple auch eine ausgiebige Fahrt über Land. Das erweitert zwar die Möglichkeiten, entfernt den Film aber immer weiter von der Grundidee. Das Moderne an „Stirb langsam 4.0“ ist zu aller erst die erhöhte Schlagzahl, die die Story noch mehr in den Hintergrund drängt und in einer wahren Materialschlacht mündet - der Vergleich zu Terminator 3 drängt sich auf. So ist Wisemans Werk zwar als moderner Industriefilm für die ganz große Masse konzipiert, aber die Konstante John McClane garantiert, dass dies nur ein paar Charmewerte kostet, nicht aber von guter Unterhaltung abhält.

    Die Story, dessen Idee des Cyberterrorismus John Carlins 1997 erschienenem Artikel „A Farewell To Arms“ entnommen ist, gibt sich auf den ersten Blick hyperaktuell. Computerterrorismus in unruhigen Post-9/11-Zeiten... das ist schon hip. Abgesehen davon, dass der ganze Computer-Gaga-Hipshit im Detail für Laien ebenso wenig verständlich ist wie für John McClane, entpuppt sich dieser legitime Storyaufhänger im zweiten Teil des Films nur noch als vorgeschobener Köder für das junge Publikum. Sind die bösen Buben erst einmal eingeführt und das Spiel läuft so richtig, greifen plötzlich wieder die uralten Genremuster aus der Actionfilm-Mottenkiste. Warum könnte zum Beispiel Hottie Mary Elizabeth Winstead (Final Destination 3, Quentin Tarantinos Death Proof - Todsicher) bloß am Anfang in einer kurzen Szene eingeführt worden sein? Vielleicht wird sie ja später standesgemäß vom Chefbösewicht entführt, um den unnachgiebigen Vati zu erpressen? Vielleicht! Erzählerische Elemente treten zum Ende hin komplett in den Hintergrund, der konventionelle Showdown Mann gegen Mann wird ohne störendes Beiwerk ausgefochten.

    Bruce Willis (Pulp Fiction, 12 Monkeys) glänzt in seiner Paraderolle wie in den drei Filmen zuvor und zeigt keinerlei Abnutzungserscheinungen. Als guter Griff entpuppt sich auch Justin Long (Voll auf die Nüsse, Herbie: Fully Loaded) als Computergeek-Sidekick. Durch ihn hält McClane/Willis den Kontakt zur modernen Welt, dazu kann Long die Sympathien schnell auf seine Seite ziehen. Für einige Lacher ist auch Kultregisseur Kevin Smith (Clerks II) als Nerd-Guru Warlock gut. Während Maggie Q (Mission: Impossible 3) als hübsch-bösartiges optisches Beiwerk gefallen kann, bleibt Timothy Olyphant (The Girl Next Door, Lieben und lassen) als Oberbösewicht einigermaßen blass und beliebig. Obwohl die Ausrichtung seines Anliegens hochmodern ist, gestaltet sich die Charakterzeichnung und Motivation als altbacken und bereits tausendfach gesehen. Das Format eines Alan Rickman (aus Teil 1) sowie eines Jeremy Irons (Teil 3) erreicht Olyphant bei weitem nicht. Er passt sich quasi dem mittelprächtigen Drehbuch von Mark Bomback an, dessen Kinodebüt Godsend auch nicht gerade die Spitze der Schreibkunst verkörperte.

    „Stirb langsam 4.0“ ist trotz Retrofeeling kein Retrofilm, wie dies beispielsweise Sylvester Stallone mit Rocky Balboa vormachte und sich stilistisch feinfühlig an die 70er Jahre erinnerte. Hier ist America under attack und Bruce Willis alias John McClane das einzige Gegenmittel, gerade weil er für diese Zeiten eigentlich gar nicht mehr kompatibel ist. Len Wiseman inszeniert seinen Actionkracher zeitgemäß, jedoch mit nicht zu leugnenden Bezügen zur Vergangenheit. Dass aus John McClane inzwischen eine Art Superheld geworden ist, der den Gegnern in Comicmanier im Dutzend billiger den Garaus macht, ist sicher der Modernisierung geschuldet - ebenso wie die etwas verweichlichte Gangart des Films. „Stirb langsam 4.0“ bekam in den USA das begehrte, kommerziell wichtige PG-13-Rating, in Deutschland verhängte die FSK eine völlig unverständliche Freigabe ab 16 Jahren. Der Einspruch des Verleihers Fox wurde abgewiesen. Der Film bleibt in der Härte klar hinter seinen Vorgängern (besonders Teil 1) zurück, was nicht mehr und nicht weniger als ein knietiefer Hofknicks vor dem Kommerz ist. Der Kultspruch „Yippe-ki-yay, motherfucker“ (dt.: „Yippie-ay-yey, Schweinebacke“) wird den heutigen Zeiten der political Hollywood-Correctness angepasst. Dieses kleine Detail sagt eine Menge aus.

    Fazit: „Stirb langsam 4.0“ zeigt, was aus der Grundidee von 16 Blocks als Alternative zu machen ist und gibt die Antwort auf die Originaltitel gebende Ansage „Live Free Or Die Hard“... Das Actioninferno wird den Ansprüchen der heutigen Kinogänger voll gerecht. Der Geschmack des kommerziellen Erfolges wird Willis sicherlich wohl munden und lässt einen möglichen fünften Teil - in einigen Jahren, kurz bevor er in die Actionrente tritt, und nach erneutem Bitten der Fans - nicht unmöglich erscheinen.

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