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    Alles auf Zucker
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Alles auf Zucker
    Von Ulf Lepelmeier

    „Alles auf Zucker“, ein Film der eigentlich für das Fernsehen produziert worden war, dann aber doch seinen Weg ins Kino fand und knapp über eine Dreiviertelmillion Zuschauer verbuchen konnte, war der große Gewinner bei der Verleihung des 55. Deutschen Filmpreises. Mit sechs goldenen Lolas in den Kategorien „Beste Musik“, „Beste Kostüme“, „Beste Regie“, „Bestes Drehbuch“, „Bester Hauptdarsteller“ und „Bester Spielfilm“ wurde die Komödie um einen deutsch-jüdischen Familienclan, der sich aus gegebenen Umständen wieder zusammenraufen muss, ausgezeichnet. Die Anregung zur Umsetzung des Stoffes bekam Regisseur Daniel Levy von dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, welcher forderte, das Jüdische Leben auch einmal außerhalb der Historie zu zeigen.

    „Endlich lacht man mit, nicht über uns“: Paul Spiegel über die jüdische Filmkomödie „Alles auf Zucker“... Im Leben von Jaeckie Zucker (Henry Hübchen) läuft einfach überhaupt nichts rund. Der ehemals erfolgreiche Sportreporter ist einer der großen Verlierer des Mauerfalls und hält sich nun mit Billard spielen gerade so über Wasser. Doch nun droht ihm der Gerichtsvollzieher mit Knast und seine Frau Marlene (Hannelore Elsner) mit Scheidung. Das European Pool Turnier scheint seine letzte Chance zu sein, doch noch das Geld zur Schuldenbegleichung aufzutreiben. Als ein Telegramm von Jaeckies Bruder Samuel ankommt, in welchem er ihn von dem Tod der Mutter und ihrem letzten Willen, in Berlin beigesetzt zu werden, in Kenntnis setzt, ist auf einmal Eile geboten. Soll dem orthodoxen Samuel doch das Bild einer intakten, gläubigen Familie vorgespielt werden. Und zu allem Überfluss schreibt das Testament der Verstorbenen auch noch vor, dass ihre beiden dickköpfigen und seit 40 Jahren zerstritten Söhne nur als Erben eingesetzt werden sollen, wenn sie sich aussprechen und wieder zueinander finden.

    Daniel Levy gelingt es in seinem Film, mit jüdischen Sitten und Gebräuchen aber auch mit dem Ost-West-Konflikt auf spielerische Weise umzugehen. Mit großem Tempo treibt er die Geschichte Jaeckis voran, der versucht, sein Leben wieder in Ordnung zu bringen und langsam versteht, wie wichtig familiärer Zusammenhalt ist. Mit Jaekie und Samuel treffen zwei Extreme aufeinander. Samuel, der im Kapitalismus des Westens verwurzelte orthodoxe Jude, und sein, seine jüdischen Wurzeln verneinender Bruder Jaekie, der immer noch dem Kommunismus hinterher weint, könnten unterschiedlicher nicht sein. Doch irgendwie müssen die beiden Brüder samt Familien sich gegenseitig aushalten, müssen sie doch nach jüdischem Gesetz gemeinsam die siebentägige Totenwache halten. Dabei schwanken die komödiantischen Einlagen zwischen intelligentem Witz und trivialer Albernheit. Oder muss dem Zuschauer wirklich ein orthodoxer Jude im Ecstasyrausch vorgesetzt werden, der sich zu Technorhythmen bewegt?

    Am gelungensten sind stets die amüsanten Szenen mit religiöser Thematik. Etwa wenn Marlene sich verzweifelt mit den jüdischen Traditionen bekannt macht oder Jaeckis Enkelin Sarah ihren Onkel mit „Ach sie sind Onkel Ajatola“ an der Tür begrüßt.

    Die Schauspieler machen ihre Sache gut und ihnen ist der Spaß beim Dreh anzumerken. Besonders hervorzuheben sind hier die Leistungen von Hannelore Elsner und Hauptdarsteller Henry Hübchen („Lichter“), dessen Berliner Schnauze und augenzwinkernde Darstellung des Jaecki Zucker viel vom Charme des Films ausmachen. Doch auch wenn Hübchen voll zu überzeugen weiß, bleibt es schier unverständlich, wie die Deutsche Filmakademie ihn zum „Besten Hauptdarsteller“ machen konnte. Stand doch der mit seiner Leistung alles überragende Bruno Ganz zur Wahl, der eine herausragende Performance in Oliver Hirschbiegels „Der Untergang“ geboten hatte.

    Leider ist dem Film seine Fernsehbestimmung jederzeit anzusehen. Das grobe und kontrastarme Bild läst einfach kein Kinofeeling aufkommen. Ebenfalls negativ auffallen tun die überaus konstruierten und unnötigen Beziehungsgeflechte der Kinder des ungleichen Bruderpaares. Hervorzuheben ist aber, dass „Alles auf Zucker“ trotz nicht zu übersehender Schwächen eine kurzweilige, nette Komödie darstellt, der es auf amüsante, unverkrampfte Weise gelingt das Leben der Juden im Hier und Jetzt frei von Berührungsängsten darzustellen und letztlich zeigt, dass es zu einer Aussprache nie zu spät ist. Die Kugel des Lebens braucht manchmal eben nur einen kleinen Anstoß um wieder an Fahrt aufzunehmen... „Ich glaube, dass „Alles auf Zucker“ dazu dienen kann, Juden wie Nichtjuden in Deutschland auf einen Weg der Normalität zu bringen.“ (Paul Spiegel)

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