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    In der Hitze der Nacht
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    In der Hitze der Nacht
    Von René Malgo

    Sparta, eine Kleinstadt in Mississippi. Polizei-Sergeant Sam Wood (Warren Oates) findet auf der Straße die Leiche eines stadtbekannten Industriellen. Sogleich steht fest, dass der Mann gewaltsam ermordet wurde. Wood trifft am Bahnhof auf einen farbigen Fremden (Sidney Poitier), der auf Durchreise ist. Sofort verhaftet er ihn als Hauptverdächtigen, ohne weiter nachzufragen. Auch der knallharte Polizeichef Bill Gillespie (Rod Steiger) glaubt an die Schuld des Schwarzen. Dann stellt sich aber peinlicherweise heraus, dass der Fremdling Virgil Tibbs ist, einer der besten Polizeidetektive von Philadelphias Mordkommission. Als Gillespie im Fall nicht mehr weiter weiß, muss er Tibbs um Hilfe bitten. Doch mit seinem Misstrauen Tibbs gegenüber hindert er die Ermittlungen und die zwei Männer geraten sich ständig in die Haare. Auch von anderer Seite schlägt Tibbs Rassismus entgegen. Die beiden müssen ihre Vorurteile und Vorbehalte überwinden, um den Fall erfolgreich zum Abschluss zu bringen.

    Sieben Oscar-Nominationen und fünf gewonnene Academy Awards sprechen für „In der Hitze der Nacht“. Über Sinn und Unsinn der Oscarverleihungen kann immer wieder trefflich gestritten werden, doch das verhindert nicht, dass die ausgezeichneten Filme durchaus gewisse Qualitäten aufzuweisen haben. Und seien es auch nur Qualitäten, die sich lediglich dem Mainstreampublikum und nicht den Cineasten erschließen. Die Vorzüge eines „In der Hitze der Nacht“ darf aber für jedermann außer Debatte stehen. Eher ließe sich schon darüber streiten, warum eine achte Oscarnominierung fehlt, nämlich die für Sidney Poitier. Es gab Oscars für den besten Film, das adaptierte Drehbuch nach einem Roman von John Ball, für Rod Steiger als Hauptdarsteller, für Schnitt und Ton. Des Weiteren erhielt Norman Jewison („Anatevka“, „Hurricane“) für die Regie eine Nominierung und dazu wurden die Toneffekte mit einer Nennung bedacht. Auch bei den BAFTA Awards und Golden Globes machte „In der Hitze der Nacht“ von sich reden sowie bei einigen anderen Preisverleihungen mehr.

    Der Erfolg von „In der Hitze der Nacht“ ist begründet. Denn das Krimi-Drama funktioniert auf mehreren Ebenen: als spannender Krimi über Mord und falsche Fährten, als kritisches Drama über Rassismus und als Milieustudie über eine rückständige Kleinstadt im Süden der USA des Jahres 1967. Ein fortschrittlicher Großstädter, ein mit allen Wassern gewaschener Mordermittler, noch dazu ein Farbiger trifft auf eine in Konventionen erstarrte Welt, geprägt von rassistischen Vorurteilen und alten kolonialistischen Traditionen. In dieser Welt stoßen Tibbs und Gillespie aufeinander. Der eine modern und alles hinterfragend, der andere reaktionär und konservativ. Nicht nur, dass da zwei Weltbilder aufeinander prallen, es sind sprichwörtlich zwei Rassen. Gillespie denkt noch in Schwarz und Weiß, in vielerlei Hinsicht. Für ihn steht der Täter bald fest. Er unterscheidet strikt zwischen weißen und schwarzen Amerikanern. Tibbs tut dies nicht, er sagt, es sei nicht sein Volk. Er will diese Unterteilung nicht. Doch auch er hat Vorurteile, Vorbehalte. Beide drohen sie, falschen Fährten nachzugehen, wenn sie nicht zusammen arbeiten wollen. Beide haben sich schon eine Meinung gebildet. Gillespie vom eingebildeten Schwarzen aus dem Norden, Tibbs vom rassistischen Süden.

    „In der Hitze der Nacht“ behandelt ernste Angelegenheiten. Rassismus ist ein beliebtes Thema in Filmen, da leider immer aktuell. Oft drohen solche ehrenhaften, filmischen Unternehmungen sich in Sentimentalität, Kitsch oder Klischeehaftigkeit zu verlieren. In diesem Krimi-Drama ist das nicht der Fall. „In der Hitze der Nacht“ bemüht sich deutlich darum, seine anspruchsvolle Geschichte klischeefrei zu erzählen. Nicht jeder Stereotyp kann umschifft werden, doch Norman Jewison hält sich bei der Inszenierung angenehm zurück, sodass sein Werk nüchtern wirkt. Der Zuschauer wird nicht in einen emotionalen Aufruf gegen Rassismus hineingezogen, sondern bleibt Beobachter, auf gesunder Distanz und doch nah genug, um sich zu identifizieren oder seinen eigenen Standpunkt hinterfragen zu können. Dadurch kann das Publikum tiefer berührt werden, als bei einem wohlgemeinten, aber undifferenzierten und blinden (Rundum)Schlag vor den Kopf. Es kommt dem Film zugute, dass zugleich ein spannender Kriminalfall erzählt wird. Die Zuschauer müssen sich so nicht nur über Vorurteile und Rassismus Gedanken machen, sondern können auch spannend unterhalten werden. Humoristische Parts und ironische Unterschwelligkeiten werden dem Publikum auch nicht vorenthalten, sodass die Unterhaltung in mehrfacher Hinsicht funktioniert.

    Die Geschichte ist überdurchschnittlich, Stirling Silliphants Drehbuchadaption ebenso. Geschickt werden anspruchsvolle Fragen mit spannenden Ereignissen verbunden, ohne dass „In der Hitze der Nacht“ dabei zu plakativ oder zu oberflächlich wirkt. Inszenatorisch hat Jewison auch schon bessere Arbeiten abgeliefert (z. B. „Anatevka“), doch einen schlechten Job macht er keineswegs. Die Atmosphäre ist beachtlich und profitiert maßgeblich vom stimmigen Südstaatensetting. In Sachen Stimmung und Spannung weist der Film alle Qualitäten auf, die ein sehr guter Kriminalthriller benötigt. Die Dialoge sind gut gewählt und zusammengesetzt, gehen in die Tiefe und sorgen dafür, dass die Rassismusthematik nicht nur Aufhänger für den Krimiplot ist.

    Maßgeblich am guten Gelingen sind aber die Darsteller beteiligt. Zu Recht erhielt Rod Steiger seinen Oscar als bester Hauptdarsteller für die Rolle des Polizeichefs Gillespie. Lebensnah verkörpert er den harten Hund, in Wahrheit ein einsamer Mensch, der in seiner Stadt zwischen den Fronten steht. Er hat keinen einfachen Stand, das merkt der Betrachter schnell, sodass auch Gillespie trotz rassistischer Vorurteile Tibbs gegenüber Sympathiepunkte verbuchen kann. Denn er ist vor allem eins: menschlich. Das ist auch Sidney Poitier als Virgil Tibbs. Keineswegs wird er als perfekter Strahlemann, nur Opfer der Umstände porträtiert. Auch er hat Vorurteile, oder seine Schwächen und wirkt ob seiner geistigen Überlegenheit gar ein wenig arrogant. Doch auch er ist ein Sympathieträger und eine Identifikationsfigur des Films. Es verwundert, dass Poitier für sein nuanciertes und zurückhaltendes Spiel nicht mal eine Oscarnominierung erhalten hat. Wohlmöglich war die Botschaft des Films noch nicht ganz zur Academy durchgedrungen. Jedenfalls agieren die beiden Hauptdarsteller völlig gleichberechtigt nebeneinander und erhalten genug Gelegenheit, ihre Charaktere zu entwickeln. Selbiges gilt für die Nebenfiguren, denen genügend Raum gegeben wird, um als eigene, profilierte Charaktere zu funktionieren. Es sind die markanten Nebendarsteller, die das Werk zusätzlich veredeln. Die Verantwortlichen des Films dürfen sich eines perfekten Castings rühmen. Der passende Soundtrack von Quincy Jones und der Titelsong „In der Hitze der Nacht“ runden den ansprechenden Eindruck ab und leisten einen erheblichen Beitrag zur dichten Atmosphäre.

    Auch heute funktioniert der Film noch. Die Thematik bleibt aktuell, denn Rassismus gibt es nicht nur unter Schwarz und Weiß und Vorurteile haben diverse Farben oder Facetten. Die Geschichte hat keineswegs Staub angesetzt, sodass auch der moderne Betrachter in den Genuss eines sehr spannenden, erstklassigen Kriminalthrillers kommen kann. Ein wichtiger, ein besonderer Film, unbedingt empfehlenswert.

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