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    Das Ding aus einer anderen Welt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Das Ding aus einer anderen Welt
    Von Björn Becher

    Der Kurzgeschichte „Who Goes There?“ von John W. Campbell Jr. wird großer Einfluss auf einige Werke der Filmgeschichte nachgesagt. Don Siegels „Die Dämonischen“ soll genauso wie Ridley Scotts Meisterwerk Alien von der campbellschen Geschichte inspiriert sein. Auf jeden Fall wurde auch die Geschichte von Campbell Jr. selbst verfilmt. 1951 inszenierten Christian Nyby und Howard Hawks Das Ding aus einer anderen Welt. 1975 sollte die Geschichte dann erneut verfilmt werden. Die Produzenten Lawrence Turman ( American History X, Die Reifepruefung) und David Foster (Getaway, Collateral Damage ) wollten John Carpenter verpflichten. Sie konnten sich jedoch mit dem Vorschlag den seinerzeit noch recht unbekannten jungen Regisseur mit der Aufgabe zu betrauen gegen das produzierende Studio Universal nicht durchsetzen. Universal bevorzugte Tobe Hooper („The Texas Chainsaw Massacre“), der schon ein erstes Drehbuch (und bald noch weitere) in Auftrag gab und über den Cast nachdachte. Doch die Drehbücher der von Hooper beauftragten Schreiber wussten nicht zu überzeugen, so dass das Projekt bei Universal zu versauern drohte. Als dann Alien in die Kinos kam, – wie gesagt wohl auch beeinflusst von Campbells Kurzgeschichte - schien die Story zu aufgebraucht zu sein. Doch Carpenter hatte mittlerweile „Halloween“ gedreht und mit diesem Erfolg auch den Vorstand von Universal überzeugt. Da Carpenter, Turman und Foster den Film nach wie vor machen wollten, gab es grünes Licht. Bill Lancaster setzte sich an ein Drehbuch, während Carpenter noch „The Fog“ und „Die Klapperschlange“ drehte. Schließlich war es dann soweit: Carpenter drehte seine Version von „Das Ding aus einer anderen Welt“ die 1982 in die Kinos kam. Diese hält sich deutlich stärker an die zugrunde liegende Geschichte von John W. Campbell Jr., verwendet die Nyby / Hawks – Version aber sichtlich als Inspiration. Trotzdem haben beide Filme fast nur die Ausgangsposition gemein.

    Auch bei Carpenter sieht sich eine Gruppe von Forschern einer außerirdischen Bedrohung gegenüber. Dieses Mal findet dies allerdings am Südpol (und nicht wie in der Version von 1951 am Nordpol) statt. Dieses Mal tritt „das Ding“ nicht zuerst als Koloss, sondern anfangs als Schlittenhund auf und entpuppt sich sehr schnell als heimtückischer Organismus, der in der Lage ist die Körper anderer Lebewesen zu übernehmen. Dies verleiht Carpenters Film eine neue Note: Jeder auf der Forschungsstation könnte nicht mehr er selbst, sondern nur der Träger des außerirdischen Organismus sein. Carpenter macht dem Zuschauer schnell klar, was das bedeutet: Dr. Blair (Wilford Brimley, Die Firma), der sich der daraus entstehenden Gefahr zuerst bewusst wird, zerstört die vorhandenen Fahrzeuge und ist bereit die gesamte Station samt aller Menschen in die Luft zu jagen. Ihm ist bewusst, dass dieser Organismus, sofern er die Forschungsstation verlassen kann, die gesamte Menschheit vernichten könnte, so wie er es schon zuvor mit den Forschern einer norwegischen Station gemacht hat. Die anderen Mitglieder der Station, allen voran der immer wieder beherzt handelnde Helikopterpilot MacReady (Kurt Russell, Dark Blue), können Blair gerade noch stoppen. Aber spätestens hier ist ihnen selbst klar: Sie können einander nicht mehr trauen.

    Carpenter entwickelt so recht schnell zwei Quellen für seinen Horror. Einmal könnte jederzeit das Ding wieder zuschlagen und die Mitglieder der Forschungsstation weiter dezimieren, zum anderen geht die Gefahr von ihnen selbst aus. Man wird immer paranoider, hat Angst, dass man selbst infiziert werden könnte. Der ehemals beste Freund, der gerade neben einem sitzt, könnte den Tod bringen. Dieses neu hinzugewonnene Spannungselement gereicht dem Film zum Vorteil. Da Carpenter zudem auf sehr viel Action setzt, gibt es kaum einen Moment, in welchem der Zuschauer verschnaufen kann. Entweder es kracht in den Auseinandersetzungen zwischen Menschen und dem Ding oder die Spannung ist zum Zerreisen gespannt, weil sich jeden Moment einer der Menschen als ebenfalls infiziert entpuppen könnte.

    John Carpenter ist zudem ein Meister der spannungserzeugenden Musik. In seinem genialen Film „Assault on Precinct 13 – Das Ende“ hat er dies mit einem minimalistischen Score auf die Spitze getrieben und schon früh perfektioniert. Sein Score zu „Halloween“ ist so legendär, dass er von einigen anderen Filmemachern und Musikern aufgegriffen wurde. Bei „Das Ding aus einer anderen Welt“ zeichnet sich Carpenter zwar (zum ersten Mal) nicht selbst für die Musik verantwortlich, hat aber mit Ennio Morricone einen der besten Scorekomponisten aller Zeiten verpflichten können. Obwohl Morricones populärste Arbeiten bei den Leone Filmen, vor allem bei Spiel mir das Lied vom Tod und bei Zwei glorreiche Halunken aus dem Westerngenre stammen, hat er schon oft bewiesen, dass man ihn nicht auf dieses Genre festlegen sollte. Hier drängt sich sein Score nie in den Vordergrund, ist ähnlich minimalistisch wie die Carpenter Scores, untermalt die Situationen aber sehr gelungen und trägt – auch dank der gelungen Verknüpfung mit den Bildern – sehr zum Spannungsaufbau bei.

    Carpenters Version von „Das Ding aus einer anderen Welt“ ist vor allem für seine Effekte berüchtigt. Carpenter setzte mit der Stilisierung von blutigen Bildern neue Maßstäbe im Kino. Das Blut platzt teilweise nur so aus den Körpern heraus, was mit einer der Gründe dafür ist, dass der Film bei seinem Start von der Kritik nicht wohl gesonnen aufgenommen wurde und in Deutschland sogar indiziert ist. Die recht ekligen Szenen, vor allem die „Transformationen“ des Dings stechen heraus, sind auch fast fünfundzwanzig Jahre später nicht veraltet, sondern noch immer sehr eindrucksvoll.

    Darstellerisch fällt natürlich am ehesten Kurt Russell auf. Carpenter verzichtet leider fast völlig auf eine tiefer gehende Charakterisierung der Figuren, so dass die meisten Charaktere nur dem „Zehn kleine Negerlein“-Prinzip dienen. Der von Russell verkörperte Helikopterpilot MacReady sticht dabei als einer der wenigen etwas heraus, bleibt aber doch insgesamt nur ein Stereotyp. Natürlich spielt er einen Eigenbrötler mit dem Hang zum Alkohol, aber das war ein auch damals schon recht abgenutzter Charaktertyp. Es ist wohl die größte Schwäche des Films, dass es Carpenter nicht gelingt, seine Figuren dem Zuschauer näher zu bringen und sie ihm größtenteils recht egal bleiben.

    Hier unterscheidet sich der Film sehr stark von Nybys und Hawks Version des Stoffes. Dort wird gerade auf die Charaktere sehr explizit eingegangen. Die unterschiedlichen Ansichten und Diskussionen darüber, wie mit der außerirdischen Lebensform zu verfahren ist, sind gerade die Stärken der Nyby / Hawks Version. Die Charaktere spielen bei Carpenter nur in puncto gegenseitiges Misstrauen eine Rolle. Trotzdem sieht man wie sehr Carpenter die erste Filmversion schätzt. Vor allem die Untersuchung der norwegischen Forschungsstation durch MacReady und einen Kollegen ist eine einzige lange Reminiszenz an die Nyby / Hawks Version. Die Videobänder, welche MacReads von der Station mitnimmt und die später von seinen Kameraden gesichtet werden, machen dies noch deutlicher.

    Die schwache Charakterausgestaltung, die für viele Filme höchstens noch Mittelmaß bedeuten würde, schadet Carpenters Film nicht. Carpenter, dem die Charaktere sowieso herzlich egal waren, zieht aus den schwachen Charakteren weitere Möglichkeiten zur Spannungserzeugung. Da die Männer auf der Station (die einzige „Frau“ im ganzen Film ist MacReadys weiblicher Schachcomputer und stirbt einen sehr frühen „Tod“) egal und austauschbar sind und so auch nie die Sympathien des Zuschauers erreichen, kann man sie wunderbar wie Figuren auf dem Schachbrett „Film“ verschieben. So finden auch laufend Rochaden statt, jede Figur steht in ihrer Einordnung woanders. Wer eben noch in den Augen des Zuschauers als sicher infiziert gilt, wird von diesem im nächsten Moment als einziger Unverdächtiger betrachtet. Und Carpenter verschont dabei wirklich keinen einzigen der Charaktere.

    So bleibt auch die ´82-Version von „Das Ding aus einer anderen Welt“ aufgrund der hoch spannenden Inszenierung von John Carpenter trotz des kleinen Malus der schwachen Charakterausgestaltung ein exzellenter und sehenswerter Film.

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