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    Wilderness
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Wilderness
    Von Carsten Baumgardt

    Die New Wave Of British Heavy Horror ist nicht aufzuhalten. Im Jahr 2005 avancierte Neil Marshalls Genre-Glanzstück The Descent zum Publikumsliebling des Fantasy Filmfests, ein Jahr später soll Michael J. Bassetts artverwandter Survival-Schocker „Wilderness“ in die Fußstapfen treten – immerhin schaffte „The Descent“ den Weg ins Kino und begeisterte Fans rund um den Erdball. Der Film gilt als aktuelle Referenz des britischen Horrorfilms. Ob „Wilderness“ die legitime Nachfolge antreten kann, ist allerdings zu bezweifeln. Trotz guter Ansätze springt am Ende nicht mehr als solide bis gute Genreware heraus.

    Nachdem sich der labile Davie (John Travers) in einer englischen Jugendhaftanstalt auf psychologischen und physischen Druck seiner Mithäftlinge die Pulsadern aufschnitt und verblutete, folgen Konsequenzen. Die Gruppe um den Neuling Callum (Toby Kebbell, Match Point) wird zur Disziplinierung auf eine einsame Insel abkommandiert, um dort von Aufseher Jed (Sean Pertwee, Goal!) ordentlich gedrillt zu werden. Die Überraschung ist groß, als die kleine Einheit merkt, dass sie entgegen der Annahme nicht allein ist. Aufseherin Louise (Alex Reid) und ihre Jugendstraftäterinnen zelten ebenfalls im Wald. Doch die Probleme liegen ganz woanders. Spätestens, als Jed per Pfeil und Bogen an einen Baum genagelt und anschließend von Deutschen Schäferhunden ausgeweidet wird, bricht die Panik aus...

    Regisseur Michael J. Bassett („Deathwish“) steht mit seinem Zweitling für die neue Gangart, hart zur Sache zu gehen, was aber im Kern nur eine Rückbesinnung auf die 70er Jahre ist, als der Horrorfilm noch blutig und schmutzig war. In diesem Seventies-Style präsentiert sich auch „Wilderness“. Die Claims sind schnell abgesteckt, die Truppe eingeführt und dann kann das Survial Game auch schon losgehen. Die Stimmung ist durchweg gefällig - unterstrichen durch die stilvolle Photographie der rauen Insellandschaft.

    Die Schauspielleistungen und Charakterisierungen sind - wie im Horrorgenre Standard - kaum der Rede wert. Die üblichen Verdächtigen bekommen diesmal als Variation nur den Background der jugendlichen Strafgefangenen übergestülpt. Am besten gefällt noch die The Descent-erfahrene Alex Reid, die als toughe Wärterin Louise mit einer starken Präsenz glänzt. Auch Toby Kebbell macht als Einzelgänger Callum eine ansehnliche Figur. Den Blutzoll setzt Bassett auf einem beachtlichen Niveau an. „Wilderness“ springt nicht zimperlich mit seinem Personal um, jedoch gehen die Tötungsszenen nicht übermäßig an die Nieren, weil sie konsequent over the top inszeniert sind. Während ein Verfangen in einer Bärenfälle eine kleine Anleihe bei Saw nimmt, ist der Film ansonsten thematisch John Boormans „Beim Sterben ist jeder der Erste“ näher als hippen Horror Flicks à la Saw oder Hostel. Abgerissene Gliedmaßen, durchschnittene Kehlen, abgetrennte Köpfe, Feuerröstungen... „Wilderness“ schlägt einen ruppigen, unfreundlichen Ton an.

    Als Schwachpunkt erweist sich der Bösewicht (Stephen Don) der Story. Schon früh wird klar, wer und was hinter der Blutjagd steckt. Das ist weder originell, noch besonders plausibel. Da die Charaktere nahezu durch die Bank weg unsympathisch angelegt sind, hält sich das Mitleiden in den Zuschauerreihen in Grenzen. Der wenig nette Skinhead von nebenan (Stephen Wright) mit dem tattoovierten Hakenkreuz auf dem Arm hat es nicht leicht, sich in die Herzen des Publikums zu spielen. Bemerkens- und lobenswert ist jedoch die Konsequenz, mit der Bassett seine Figuren reduziert, wobei der Regisseur keine Rücksicht auf konventionelle dramaturgische Kniffe nimmt und früh eine der wenigen Sympathieträger opfert. Das Durchbrechen der alten Muster wirkt belebend und zeigt für die Folgezeit an, dass der Zuschauer nicht sicher sein darf, dass hier nach Genreregeln getötet wird.

    Nach guter erster Stunde und dem Offenbaren des Jägers holt den bis dahin erfrischenden „Wilderness“ doch noch die Konvention ein. Selbst ein unterschwelliger, leichter Trashfaktor schwingt mit, wenn die Letzten ums Überleben kämpfen. Einen Originalitätspreis wird der Horrorfilm kaum gewinnen, aber für Fans des Genres ist Bassetts markiger Zweitfilm ohne Frage einen Blick wert. „Wilderness“ ist besser als vieles, das den Direct-To-DVD-Markt überschwemmt und hätte sich einen Kinostart in Deutschland durchaus verdient.

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