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    Love Is The Devil - Studie für ein Portrait von Francis Bacon
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Love Is The Devil - Studie für ein Portrait von Francis Bacon
    Von Christian Horn

    Fast zeitgleich mit der Veröffentlichung der Künstlerbiographie Caravaggio bringt der Nischenverleiher „Salzgeber“ einen weiteren biographischen Film über einen kontroversen Künstler in einer Wiederaufführung in die Kinos - „Love Is The Devil“, den Debütfilm des britischen Regisseurs John Maybury, der sich mit dem Maler Francis Bacon (1909-92) auseinandersetzt. Und es gibt noch eine Parallele zwischen den beiden Filmen: Nach seiner Ausbildung an der Kunstschule hat Maybury für „Caravaggio“-Regisseur Derek Jarman als Kostümdesigner und Ausstatter gearbeitet und dort nach eigener Aussage gelernt, „was erwachsenes Filmen ist“. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass John Maybury sich in seiner Biographie auf ähnliche Weise dem Porträt eines Künstlers nähert wie Derek Jarman zuvor in „Caravaggio“. Nämlich dadurch, dass die visuelle Gestaltung sich an dem Schaffen des Malers orientiert und durch diese Folie einen Blick auf das Innenleben desselben freigibt; und indem er auf die Schauwerte eines historischen Films verzichtet und (trotz der Ansiedelung der Geschichte im London der 60er Jahre) ohne aufwändige Straßenkulissen auskommt, um seine Protagonisten ungestört zu porträtieren.

    Dabei will Maybury keine historisch detaillierte Künstlerbiographie abliefern, sondern – wie der Untertitel andeutet – lediglich eine „Studie zum Porträt von Francis Bacon“. Dem Regisseur geht es darum, Stimmungen einzufangen, um so ein Bild des Menschen Francis Bacon zu skizzieren. Daher nimmt Maybury es mit der wahrheitsgetreuen Schilderung des Lebens von Francis Bacon nicht so genau; der Film basiert zwar auf tatsächlichen Begebenheiten, interpretiert diese aber höchst subjektiv. Das zentrale Thema im Werk Bacons war das Drama der menschlichen Existenz, das er für das Eigentliche aller Kunst hielt, und für das er in der Körperlichkeit eine perfekte Projektionsfläche fand. Deswegen brachte er in seinen Bildern auch seine intimsten Befindlichkeiten zum Ausdruck, ließ sich beinahe exhibitionistisch ins Innerste blicken; er dokumentierte in seinen Werken etwa die langjährige, komplizierte Beziehung zu seinem Lebenspartner George Dyer, dessen Selbstmord er 1971 in einem Triptychon verarbeitete. Und diesen durch das Werk des Malers legitimierten, subjektiv gefärbten Blick, nimmt auch John Maybury in seiner Annäherung an den Künstler an. In oft verzerrten und verstörenden, dabei immer stilsicheren Bildern, erzählt „Love Is The Devil“ von der Persönlichkeit Bacons, dessen Gedankenwelt durch Off-Kommentare verdeutlicht wird. Einmal ist die Kameralinse mit Farbe beschmiert und gibt so einen Blick durch die Pinselstriche Bacons auf ihn selbst frei – eine programmatische Aufnahme im ästhetischen Konzept des Regisseurs, das in seiner atmosphärischen Subjektivität stellenweise an die Filme von David Lynch (Lost Highway, Mulholland Drive) und Darren Aronofsky (Requiem For A Dream, Pi) erinnert und bisweilen als psychedelisch bezeichnet werden kann.

    Für die interpretatorische Darstellung Francis Bacons konzentriert Maybury sich auf die Beziehung des Künstlers zu George Dyer, der von Daniel Craig (Road To Perdition, München), dem neuen James Bond, gespielt wird. Gleich zu Beginn des Films wird dieser beim Einbruch ins Atelier Bacons von dem Künstler erwischt, der ihn aber nicht an die Polizei ausliefert, sondern zu seinem Modell, seinem Liebhaber und seiner Muse macht. Er führt Dyer in den gehobenen Kreis seiner Künstlerfreunde ein, bei denen er auf Ablehnung stößt; auch Dyers Freunde warnen ihn vor einem Umgang mit Bacon, da dieser ihn jederzeit fallen lassen könnte. Doch zu diesem Zeitpunkt hat sich zwischen dem Künstler und seiner Muse bereits eine intensive und exzessive Liebesbeziehung entwickelt, die in weiten Teilen auf dem masochistischen Sex aufbaut, bei dem Dyer den dominanten Part übernimmt und sich somit als bestimmenden Part der Beziehung fühlt. Als Bacon jedoch zunehmend von seinem Partner gelangweilt ist, fällt Dyer in einen Abgrund aus Eifersucht und seelischem Leid und die Beziehung entwickelt sich für ihn zu einer Hölle aus Abstoßung und Zuneigung. Dyer droht an der Situation zu zerbrechen und verfällt dem Konsum von Drogen und Alkohol, Alpträume plagen ihn und er versucht mehrfach sich das Leben zu nehmen.

    Wenn der Film Derek Jacobi als Francis Bacon beim Malen der Porträts zeigt, bringt der Darsteller eine große Kraft zum Ausdruck; die Farben klatschen regelrecht an die Leinwand, so exzessiv wie Bacon lebt, gestaltet er auch seine Kunstwerke. Und diese Kraft des Malers, der seine Gefühle auf der Leinwand ausdrückt, besitzt auch „Love Is The Devil“: Hart geschnittene Sequenzen und verzerrte, faszinierende Aufnahmen – auch mal durch Gläser hindurch – lassen den Film zu einem ausdrucksstarken, (zu)packenden Filmerlebnis werden, das einen Künstler zeigt, der das Leben in seinen Höhen und besonders in seinen Tiefen auskosten will, und dessen Begleiter daran zugrunde geht. Das Spiel der beiden Hauptdarsteller intensiviert diesen Eindruck und kann als durchweg gelungen bezeichnet werden, besonders Derek Jacobi stellt den selbstsüchtigen Star-Künstler sehr überzeugend dar.

    John Maybury hat mit seinem Debütfilm einen stilistisch gelungenen Film abgeliefert, der durch seine unkonventionelle und mutige Machart gefällt und den Lebenswandel Francis Bacons für den Zuschauer erfahrbar macht; ähnlich wie Bacon in seinen Bildern nicht erzählen wollte, sondern versuchte seine Verstrickung in das Drama des Lebens einzufangen. Die vorletzte Einstellung von „Love Is The Devil“ zeigt Bacon in einer käfigähnlichen Konstruktion sitzend, den Rücken einem verzerrten Spiegelbild zugewandt; im Vordergrund blitzt eine kurze Erscheinung seines mittlerweile verstorbenen Freundes Dyer auf, dessen Körper er vor dem Verschwinden sehnsuchtsvoll streichelt. Aus dem Off bringt er seine Einstellung zum Leben auf den Punkt: „Das ist die einzige Sicherheit im Leben: Alles geht zu Ende. Alles stirbt.“

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