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    Yella
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Yella
    Von Björn Helbig

    Da ist er nun, Teil 3 von Christian Petzolds Gespenster-Trilogie. Nach seinem ersten Kinofilm Die innere Sicherheit (2000) um ein Terroristenpaar, das sich seit Jahrzehnten versteckt hält und dem fünf Jahre älteren Gespenster, der von Grimms Märchen „Das Totenhemdchen“ inspiriert wurde, in dem eine Mutter den Tod ihrer Tochter nicht verkraften kann, präsentierte Petzold seinen achten Spielfilm „Yella“ auf den 57. Berliner Filmfestspielen. Wie bei den Vorgängern geht es um eine Frau, die ihren Platz im Leben sucht.

    Yella (Nina Hoss) will das trostlose Wittenberge verlassen. Nachdem ihr (mittlerweile Ex-) Freund Ben (Hinnerk Schönemann) mit seiner Firma pleite gegangen ist, möchte die junge Frau ihr Glück in Hannover versuchen. Ben hat aber nicht vor, sie gehen zu lassen. Am Tag ihrer Abreise überredet er Yella, sie zum Bahnhof zu fahren, manövriert seinen Wagen dann stattdessen direkt in die Elbe. Doch Yella (samt Koffer) entkommt dem Wasser. Sie schleppt sich durchnässt mit letzter Kraft zum Bahnhof und tritt die Reise in eine neue Zukunft an. Auch wenn schon der Anfang von „Yella” nicht gerade realistisch erscheint – Petzold inszeniert diesen Prolog durchaus dramatisch. Anders als seinerzeit in Gespenster, schafft es der Regisseur den Zuschauer sofort in die Geschichte hineinzuziehen.

    Nach diesem starken Auftakt mit der Ankunft in Hannover setzt allerdings ein langsamer Verfallsprozess ein: Die Firma, in der Yella die Stelle antreten wollte, ist pleite, aber sie lernt in ihrem Hotel Philipp (Devid Striesow) kennen, der für eine private Equity-Firma arbeitet und sie mit zu einem Geschäftstermin nimmt. Yella bewährt sich und wird erst Philipps Partnerin, dann seine Geliebte. Doch langsam mischen sich düstere Vorzeichen in Yellas Erfolgsgeschichte. Auch im Hauptteil des Films gelingt Petzold eine größtenteils atmosphärische Inszenierung. Wie man es von ihm gewohnt ist, sind die Farben blass, die Locations deprimierend und die Protagonisten nicht gerade Plaudertaschen. Doch zu den einfachen, klaren Bildern mischt sich in „Yella“ ein ungewohnt irrealer Zug: Yella, die in ihrer ewig-roten Bluse durch den Film geistert, mausert sich aus dem Stand zur versierten Risiko-Kapital-Queen und gewinnt zudem das Herz ihres unterkühlten Chefs. Im Eilschritt scheint sie dem Traum von Wohlstand und einer glücklichen Beziehung entgegenzueilen. Doch wie aus dem Nichts taucht der anscheinend ebenfalls unverletzte Ben wieder auf und erinnert sie an ihre Vergangenheit.

    Ein großer Pluspunkt am dritten und letzten Teil von Petzolds „Gespenster“-Reihe, ist mit Sicherheit Nina Hoss (Elementarteilchen, Nackt, Die weiße Massai) und ihre Rolle. Wie das Wort „Yella“ im bayerischen für „immer in Bewegung und voller Tatendrang“ steht, lässt auch der Filmcharakter Yella nicht locker, ihrer Vorstellung von einem guten Leben hinterherzurennen. Sehr dezent und trotzdem ausdruckvoll spielt Nina Hoss ihre beängstigend zielstrebige Figur. Nina Hoss gewann für ihre Darstellung den Silbernen Bären für die beste weibliche Hauptrolle und setzte sich damit unter anderem gegen Marion Cotillards grandiose Darstellung von Edith Piaf in La Vie En Rose durch. Die anderen Schauspieler können nicht ganz so fesseln, obwohl sie durchaus ihre Funktion erfüllen: Vor Hinnerk Schönemann (Fremde Haut, Komm näher, Emmas Glück hat man Angst, der wandlungsfähige Devid Striesow (Die Fälscher, Der rote Kakadu, Lichter) spielt Philipp als charismatischen, etwas unterkühlten Pragmatiker, der nicht schlecht zu Yella passt. Beide Figuren leiden allerdings unter dem mitunter unnatürlich wirkenden Text, den sie von sich zu geben haben. Die relative Einfallslosigkeit bei der Ausformulierung des Plots und der Wirksamkeit der Pointe macht sich ebenfalls negativ bemerkbar. Stets offene Hoteltüren, die rote Bluse, Krähengeschrei – hätte man hier nicht noch etwas plausiblere Elemente finden können?

    Trotzdem: Petzold ist einer der wenigen deutschen Regisseure, die es schaffen, in das stark realistisch geprägte deutsche Kino eine geheimnisvolle, fast mystische Note einzubringen. Zuletzt sah man etwas Ähnliches in dem kleinen Film Die blaue Grenze von Till Franzen. „Yella wird ja im Laufe des Films immer wieder den Versuch machen, nach Hause zurückzukehren, und gleichzeitig wird sie damit beschäftigt sein, ein anderes, selbstständiges Leben zu entdecken. Sie will selbstständig sein, sie will aber auch nach Hause. Das ist ihre Zerrissenheit“, erläutert Petzold einen zentralen Aspekt seines Film. Zwischen welchen Polen Yella in Wirklichkeit hin und her gerissen ist, erfährt der Zuschauer erst am Ende. An dieser Stelle wird sich auch entscheiden, ob man dem Film seinen Plot abkauft. Es dürfte nicht wenige geben, die nach mehreren Filmen der jüngeren Vergangenheit keine Lust mehr auf diese Sorte Story haben. Wie man auch immer zu diesem Aspekt des Films steht, – die Dialogschwächen lassen sich nicht schöndiskutieren. Vor allem deswegen kann der an sich eindrucksvolle und atmosphärische Film sein Potenzial nicht ganz entfalten.

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