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    Six Ways to Sunday
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Six Ways to Sunday
    Von Björn Becher

    Wenn Filme erst dadurch wieder an das Licht der Öffentlichkeit gelangen, dass ihre Darsteller sich mittlerweile einen Namen gemacht haben, ist dies meist kein gutes Qualitätsmerkmal. Oft versucht man mit den bekannten Namen den schnellen Euro zu machen. Auch bei der Buchverfilmung „Six Ways To Sunday“ drängt sich dieser Vorwurf auf den ersten Blick auf, bestätigt sich aber auf den zweiten Blick glücklicherweise nicht, denn der Film hat zwar seine Schwächen, aber auch seine Stärken.

    Harry (Norman Reedus, Blade 2) hat die High School hinter sich, aber keine Perspektive. Er lebt immer noch bei seiner Mutter Kate (Deborah Harry, Videodrome), die fast den einzigen sozialen Kontakt des Sohns darstellt. Kate ist obsessiv, sie behandelt Harry wie ein Kleinkind, wäscht und umhegt ihn, kontrolliert ihn und verbietet ihm jeden Kontakt mit Frauen. Neben seiner Mutter scheint es in Harrys Leben nur noch seinen Jugendfreund Arnie Finklestein (Adrien Brody, King Kong, Der Pianist) zu geben. Arnie ist ein Hallodri und arbeitet als Handlanger für den Mafia-Geldeintreiber und Killer Abie Pinkwise (Peter Appel, Léon - Der Profi). Als Arnie bei einem Job für diesen Harry mitnimmt, zeigt sich dessen Überzeugungskraft durch brutale Schläge. Das bringt ihm das Vertrauen von Abie und, nachdem er bei einem Polizeiverhör seine Zuverlässigkeit unter Beweis stellt, von dessen Boss Louis Varga (Jerry Adler, Couchgeflüster), dem Mafiapaten des Viertels. Während Arnie nach einem misslungenen Überfall ins Gefängnis wandert, macht Harry schnell Karriere im Mafiaclan und steigt bald zum Top-Killer auf. Doch seine Mutter ist darüber nicht gerade glücklich. Sie stört allerdings weniger die Arbeit von Harry, als dass sie Angst hat, er könne bei dem Beruf in Kontakt mit Frauen kommen und sie verlassen.

    Man könnte meinen, dass „Six Ways To Sunday“ eine jener obercoolen Gangster-Komödien ist, die in den 90er Jahren versuchten, im Kielwasser von Pulp Fiction Erfolge zu feiern und immer wieder schnell zum neuen Kultfilm hochstilisiert wurden. Hauptdarsteller Norman Reedus hat mit Der blutige Pfad Gottes ja auch in einem dieser pseudo-coolen Gewaltgangsterfilmen mitgewirkt, was den Eindruck verstärken könnte. Man wird damit aber „Six Ways To Sunday“ nicht gerecht. Sicher hat der Film viele Szenen, die in diese Richtung gehen und Regisseur Adam Bernstein ließ es sich auch nicht nehmen, ein paar blutige Bilder im Film zu platzieren, die wahren Stärken liegen aber woanders.

    „Six Ways To Sunday“ ist mit seinem Zynismus (dieser erinnert durchaus an Der blutige Pfad Gottes) und vor allem der Inzestgeschichte deutlich anspruchsvoller als die meisten auf den ersten Blick ähnlich gelagerten Werke. Die Beziehung zwischen Harry und seiner Mutter nimmt einen Großteil der Geschichte in Anspruch. Der Film zeigt dabei gekonnt, wie sich die Obsession der Mutter auf Harrys Leben auswirkt. Harry hat sich mit Madden (Holter Graham, „Amy und die Wildgänse“) eine Fluchtpersönlichkeit geschaffen, die selbstständiger und selbstbewusster auftritt als er. Die durch den Ödipuskomplex erzeugte Schizophrenie bei Harry kann sicher, wie auch noch die ein oder andere weitere Szene, als Referenz an Hitchcocks Psycho verstanden werden. Nur über sein anderes Ich Madden gelingt es Harry einer Frau, Iris (Elina Löwensohn, Schindlers Liste), den Hof zu machen. Natürlich unternimmt seine Mutter dann alles, um diese Beziehung wieder zu zerstören.

    Dieser Part des Films lebt von seinen Schauspielern. Blondie-Sängerin Deborah Harry stellt eindrucksvoll ihr schauspielerisches Können unter Beweis. Die Stärken des Films leben vor allem Dank ihres Spiels. Norman Reedus schafft das glaubhafte Wechselspiel zwischen eiskaltem Killer und schüchternem Muttersöhnchen und Elina Löwensohn gibt eine gute Verbindung zwischen den beiden Figuren ab. Das Problem von „Six Ways to Sunday“ ist, dass Adam Bernstein kein Inzestdrama inszenieren wollte. So taucht dieser Aspekt der Geschichte zwar immer wieder auf, wird aber genauso oft wieder durch andere Themen verdrängt, vor allem scheint dann doch der coole Gangsterfilm durch. Bernstein lässt es sich dann nicht nehmen mit coolen Sprüchen und typischem Gangstergehabe das Publikum solcher Filme zu befriedigen.

    Die Frage ist nur, ob man sich damit einen Gefallen getan hat. Denn es könnte durchaus sein, dass „Six Ways To Sunday“ schließlich zwischen allen Stühlen wieder findet. Wer einen coolen Gangsterfilm mit komischen Elementen sucht, wird mit der Dramatik der Mutter-Sohn-Beziehnung vielleicht nichts anfangen können. Freunden des anspruchsvollen Dramas werden einige platte Gangsterklischees sicher sauer aufstoßen. Das ist schade, denn „Six Ways To Sunday“ hat seine Qualitäten. Immer wieder blitzt genialer schwarzer Humor auf und die Geschichte hat ihre Stärken. Nur das Motto „weniger ist manchmal mehr“ hätte man beherzigen sollen. Hier wären weniger Inhalte sicher deutlich mehr, nämlich ein richtig guter Film geworden. So bleibt ein durchaus sehenswerter Beitrag über, dessen Sichtung man ruhig wagen sollte, wenn man sich mit der Themen und Genrevielfalt des Films anfreunden kann.

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