Mein Konto
    Superbad
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Superbad
    Von Carsten Baumgardt

    Im Westen nichts Neues? Nein, nicht wirklich. Oder etwa doch? Das Kreativ-Team von Jungfrau (40), männlich, sucht... und Beim ersten Mal landet mit Greg Mottolas brüllend komischer Teenie-Komödie „Superbad“ den dritten Tophit in Folge und etabliert sich damit als derzeit zuverlässigster Lieferant von Klamauk mit einem Hauch Anspruch, der stets im Subtext schwelt... was auch mit ein triftiger Grund dafür ist, warum diese Filme, die auf den ersten Blick der puren, sinnfreien Unterhaltung frönen, sich von den Kritikern protegiert zu großen Publikumserfolgen aufschwingen. Somit ist es keine Überraschung, dass „Superbad“ qualitativ seinen Vorgängern das Wasser reichen kann. Es ist erfreulich, wie in Hollywood eine kleine Gruppe von Leuten Stellung bezieht, die im Mainstream ihre eigenen, abgedrehten Ideen durchsetzt und damit instinktiv das Richtige tut.

    Seth (Jonah Hill) und Evan (Michael Cera) blicken mit leiser Wehmut den letzten Tagen ihrer Highschoolzeit entgegen. Die Kindheitsfreunde werden verschiedene Colleges besuchen und ihre Wege sich mehr oder minder trennen. Dummerweise sind die beiden Außenseiter sexuell auch noch nicht so richtig zum Zug gekommen, was vor dem neuen Lebensabschnitt aber unbedingt noch nachgeholt werden soll. Die Verzweiflung ist groß, das Ziel nicht gerade greifbar. Der übergewichtige Seth hat es auf die schöne Jules (Emma Stone) abgesehen und der schüchterne Evan ist zumindest dabei, bei der süßen Becca (Martha MacIsaac) zu landen. Als Jules eine Party geben will, auf der sich die In-Leute der Schule treffen, lädt sie überraschend auch Seth ein, der sich in grober Selbstüberschätzung großspurig anbietet, Alkohol für die ganze minderjährige Partygesellschaft zu besorgen. Schließlich hatte Nerd-Kumpel Fogell (Christopher Mintz-Plasse) verlauten lassen, dass er nun einen gefälschten Ausweis besitze, der dem Trio den Weg zum begehrten Stoff ebnen soll. Doch mit Fogells gefaktem Führerschein beginnt eine ganze Reihe von Problemen, die in irrwitzigen Verwicklungen münden. Zwar gelingt es Fogell, an die Spirituosen zu gelangen, doch als er gerade vor dem Vollzug steht, haut ihm ein Räuber kräftig einen über den Latz. Die beiden anrückenden Streifenpolizisten Michaels (Seth Rogen) und Slater (Bill Hader) zeigen jedoch nicht nur ein Herz für Fogell alias McLovin, wie sein Führerschein aussagt, sondern erweisen sich auch als äußerst trinkfest, schießwütig und kindisch...

    Im Dunstkreis von Judd Apatow, der bei „Jungfrau (40), männlich, sucht...“ und „Beim ersten Mal“ Regie führte und das Drehbuch schrieb, darf jeder aus seiner Clique mal ran. Komiker Seth Rogen, der in beiden Filmen an Bord war, ist diesmal zwar nur in einer Nebenrolle zu sehen, steuert aber mit seinem Jugendfreund Evan Goldberg das Drehbuch bei, welches die beiden im stolzen Alter von 13 Jahren in der ersten Version niederschrieben. Das Duo packte seinen ganzen Teenagerfrust in das Skript, das auf wundersame Weise 2007 seinen Weg auf die Leinwand fand. Mastermind Apatow hält sich diesmal vornehm zurück und tritt nur als Produzent auf, den Regiestuhl überließ er TV-Regisseur Greg Mottola, der gemeinsam mit Rogen und Apatow an einigen Folgen der Serie „Undeclared“ arbeitete. Die Unerfahrenheit Mottolas auf der großen Bühne des Kinos macht sich bei „Superbad“ jedenfalls nicht negativ bemerkbar.

    Die Kernkompetenz der Apatow-Crew bleibt erhalten. Derzeit schafft es kein anderes Team, mit einer solch unglaublichen Leichtigkeit hemmungslose Vulgarität dies- und jenseits der Gürtellinie und des guten Geschmacks zu inszenieren. Oberflächlich betrachtet könnte man meinen, „Superbad“ sei eine beliebige Teenie-Klamotte, die einfach ihr Zielpublikum bedienen will. Doch es steckt mehr dahinter. Der Film zitiert den pubertären Witz von American Pie, rührt eine Extraportion Außenseitercharme hinzu und verbindet dieses Gemisch in einer Coming-Of-Age-Geschichte mit dem Geist der beiden inoffiziellen Vorgängerfilme - elegant flankiert von einem äußerst atmosphärischen, souligen und funkigen Soundtrack, der zusätzlich Genrekonventionen konterkariert. Unter all dem offensichtlichen Nonsens finden sich immer wieder kluge, ehrliche Einsichten in die zwischenmenschlichen Probleme des Erwachsenwerdens. Keine Frage, „Superbad“ schmettert höchst genüsslich Zoten, der Film zelebriert sie förmlich. Wenn Seth zum Beispiel beim Engtanz auf einer gesprengten Party mit dem Menstruationsblut der Freundin des Gastgebers auf der Hose peinlich berührt nach einem Ausweg aus dem potenziell schmerzhaften Schlamassel sucht, wird eine Kettenreaktion von Gags in Gang gesetzt. In dieser Struktur funktioniert ein Großteil des Films, über Sequenzen, die lose durch die dünne Grundhandlung miteinander verbunden werden. Zwischendrin sorgen kuriose Running Gags für Kontinuität, immer wieder laufen die Fäden in einer namenlosen amerikanischen Kleinstadt zusammen.

    Apropos Handlung: Streng genommen hat „Superbad“ keine bzw. eine arg überschaubare. Auch dies ließe sich als dem Subgenre geschuldet abtun, doch die Kunst besteht darin, aus einer Nicht-Handlung mit einer Maximalzahl von aberwitzigen Einfällen ein launiges Gagfeuerwerk zu kreieren. Und genau an dieser Stelle ist „Superbad“ superstark. Die Charaktere, die im Prinzip nur Sex, Alkohol und Drogen im Kopf haben, scheinen vertraut, sind aber trotzdem wirklich originell, weil jeder Schauspieler dazu auch noch passend besetzt ist. Jonah Hill („Jungfrau (40), männlich, sucht...“, „Beim ersten Mal“, Evan allmächtig) bestätigt mal wieder die Ausnahme von der Regel, dass man in Hollywood attraktiv sein muss, um Erfolg an der Spitze einer Besetzungsliste zu haben. Nach zahlreichen Nebenrollen darf der Kalifornier nun in der ersten Reihe ran und bildet mit Michael Cera (Geständnisse - Confessions Of A Dangerous Mind) das dominante Zentrum des Films. Ähnlich wie Rogen in „Beim ersten Mal“ ist Hill auf seine Art unglaublich komisch. Kompagnon Cera wie auch das Damen-Duo Emma Stone und Martha McIsaac dienen eigentlich nur zum Gegenspielen und Reagieren. Doch der heimliche Star ist Schauspielneuling Christopher Mintz-Plasse. Seine Darstellung des Paradenerds Fogell ist grandios witzig. Nach einer ruhigen Einführung der Figuren bildet seine Alkoholbeschaffungsarie im Schnapsladen den Auftakt zu einer irrwitzigen Gagachterbahnfahrt, die rasendes Tempo aufnimmt und nicht mehr zu stoppen ist. Die Episode, in der Loser Fogell am Sequenzende nach dem Überfall vor den Polizisten zu seinem Super-Alter-Ego McLovin mutiert, gehört zum lustigen, was in diesem Jahr über die Leinwände flimmert.

    Fazit: Regisseur Greg Mottola exerziert mit Bravour durch, wie man mit den richtigen Leuten am richtigen Platz aus einem Minimum an Story und dem Maximum an Kreativität einen verdammt witzigen Film machen kann, der einem breiten Publikum vorbehaltlos zu empfehlen ist - es sei denn, der Betrachter stört sich generell an Provokation und Schlüpfrigkeiten, die aber nie ins Niveaulose abrutschen. Das Ensemble ist sich für keine Albernheit zu schade. Das macht gute Komiker aus, auch mal dahinzugehen, wo es weh tut. Und hier wird viel gelitten. Zur Freude des Publikums...

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top