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    The Flock - Dunkle Triebe
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    The Flock - Dunkle Triebe
    Von Andreas R. Becker

    2002 erregte der in Hongkong geborene Wai-keung Lau mit Infernal Affairs international Aufmerksamkeit. Der verwickelte und originelle Thriller entstand zusammen mit Regisseurkollege Siu Fai Mak und sammelte zunächst auf asiatischen Filmfestivals einige Preise ein. Spätestens aber als Martin Scorsese 2006 mit The Departed: Unter Feinden zum Hollywood-Remake ansetzte und damit seinen Pflicht-Oscar abräumte, wurde die Story des asiatischen Originals weltweit berühmt. Weil es sich auf internationalem Parkett mit englisch aussprechbaren Namen einfacher macht, findet man Wai-keung öfter auch als Andrew, der nun nach einer Reihe asiatischer Filme mit „The Flock“ sein starbesetztes Hollywood-Debüt hinlegt. Mit seinem Sexualstraftäter-Sujet beschreibt der finstere Thriller einmal mehr die Abgründe menschlichen Seins und damit auch gleich eines der schwierigsten Themen überhaupt.

    Die Besetzung kann sich sehen lassen: Richard Gere (Chicago, Hunting Party, Pretty Woman) spielt einen verbitterten Staatsdiener, der für das „Department of Public Safety“ registrierte Sexualstraftäter überwacht und kurz vor dem Ruhestand seine Nachfolgerin Claire Danes (William Shakespeares Romeo und Julia, Igby, Die Familie Stone) einarbeiten soll. Herausgekommen ist dabei leider nur ein eher mittelmäßig überzeugendes Endprodukt, das nicht Fisch und nicht Fleisch ist: Zuviel Ernst und Komplexität für Unterhaltungshorror, zu wenig offene Fragen, um dem Gegenstand gerecht zu werden. Das ist schade, denn Richard Gere weiß in Rollen jenseits von Schwiegermuttertraum und Womanizer durchaus zu gefallen, wie er auch schon in Untreu und Die Mothman Prophezeiungen belegen konnte.

    Als Beamter der öffentlichen Sicherheit ist Erroll Babbage (Richard Gere) ganz dem Schutz der Bürger und damit der guten Sache verpflichtet. Dass es, wie so oft, um Gut und Böse aber auch hier nicht ganz so eindeutig bestellt ist, lässt bereits das Eingangszitat erahnen. Selbstkritisch bemerkt Babbage aus dem Off, dass der Monsterjäger darauf acht geben muss, beim Jagen nicht selbst zum Monster zu werden. Weil der Zweck die Mittel heiligt, wird bei den Befragungen der zu überwachenden Ex-Täter schon einmal das Protokoll etwas gedehnt. Es gibt eben Bürger, die man schützen muss, und andere Bürger. Damit ist eine Reihe widersprüchlicher Pulverfässer mit Aufschriften wie „Selbstjustiz“, „Grenzziehung“, „Schubladendenken“, „Menschenwürde“, „Privatheit“, „Intimität“, „Gewaltlust“ und „Staatssicherheit“ aufgemacht und die Verhandlung eröffnet. Und sobald es um den Schutz des friedlichen Teils der westlichen Bevölkerung geht, muss man doch alle Maßnahmen ergreifen? Zumindest, wenn der Zweck mit Schutz vor Terroristen und Sexualstraftätern zu tun hat, ist es einfach, die Mittel doch immer etwas heiliger aussehen zu lassen – das hat sogar Wolfgang Schäuble verstanden. Diese Problematik hatten auch die Drehbuchautoren voll im Blickfeld. Babbages Chef kommentiert dessen Verhalten gegenüber den (ehemaligen) Tätern (engl.: „offender“) mit den Worten: „The offenders feel offended.“ Deshalb auch soll Sprössling Allison Lowry (Claire Danes) ein Auge auf die fragwürdigen Methoden des Betriebsblinden werfen. Auf dessen Jagd nach einer Vermissten, einem Täter und seinen eigenen Dämonen wird allerdings auch Allison klar, dass sich Erfolg nicht immer an Regeln hält.

    Träger all dieser brisanten Themen ist eine gewöhnliche Krimihandlung, die im Wesentlichen auf einem banalen Katz- und Mausspiel aufbaut. Dass die Katze dabei immer ein bisschen schlauer ist als die Maus, hat vor allem damit zu tun, dass in Babbages Flock (engl.: Herde, hier: der zu betreuende Bezirk) irgendwie alle Straftäter miteinander zu tun haben. Das ergibt ein geschlossenes, für die Handlung praktisches, aber irgendwie unglaubwürdiges Netz, das überdies zu sagen scheint: „Die stecken doch eh alle unter einer Decke und geheilt wird auch nie einer.“ Insbesondere für letzteres sprechen zwar manche Statistiken, trotzdem hätte man sich einen etwas filigraneren Umgang mit der Thematik wünschen können. Auch die Dialoge sind stellenweise wenig überzeugend und obwohl Claire Danes eigentlich gut spielt, hat man hier und da den Eindruck, dass sie Gere nur hinterherdackelt. Der spielt – angepasst an seinen Charakter – im Schnitt eher minimalistisch-brummelig, hat aber immerhin einige starke Momente vorzuweisen, in denen ihm seine packende I’m-losing-my-mind-Mimik zur Hilfe eilt, die schon in „Untreu“ und „Die Mothman Prophezeiungen“ zu sehen war. Ihren Höhepunkt erreicht sie in einem unverhofft spannenden und aufrüttelnden Finale, das vor allem in zwei harten Sequenzen noch einmal alles in die Waagschale wirft, was das Thema hergibt – nichts für schwache Nerven. Dabei wird nebenbei nicht nur eine filmschurkenhistorische Lanze gebrochen, sondern auch eine deutliche Aussage zum Thema „Freier Wille“ getroffen...

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