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    27 Dresses
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    27 Dresses
    Von Patrick Becker

    In diversen Frauenmagazinen findet man hübsche kleine Psychotests, mit denen Frau herausfinden kann, ob sich ihr Lebensabschnittspartner als potentieller Ehemann eignet – oder eben auch nicht. So etwas gibt es nun auch fürs Kino: Anne Fletchers romantische Komödie „27 Dresses“ ist a) für frisch Verliebte, b) für Hochzeitsplaner, c) beides oder d) für alle anderen ein kitschiger Film mit mäßig komischen Dialogen und einer in jedem Augenblick vorhersagbaren Handlung.

    Seit ihrer Kindheit liebt Jane (Katherine Heigl) Hochzeiten. Und sie liebt es, anderen zu helfen: ihrer kleinen Schwester, ihrem Boss oder Bräuten - denn wo in New York andere Menschen am Wochenende damit beschäftigt sind, Porzellanschweinchen zu sortieren oder ihrem Chihuahua einen neuen Pelz zu kaufen, hilft Jane regelmäßig als professionelle Brautjungfer aus. Während eines besonders turbulenten Ich-tanze-auf-zwei-Hochzeiten-Abends wird Jane von Lokalreporter Kevin (James Marsden) beobachtet. Dieser schreibt für die New York Times schwülstig-romantische Kolumnen. Als ihm durch Zufall Janes Terminplaner in die Hände fällt, sieht er in der Geschichte der obsessiven Serien-Brautjungfer endlich die Chance für eine Abrechnung mit der gesamten Hochzeitsindustrie und nebenbei für einen Karrierekick gekommen. Als echte Romantikerin hat Jane allerdings anfangs weder Augen noch Ohren für den Zyniker. Stattdessen pflegt sie eine heimliche Liebe zu ihrem Boss George (Edward Burns). Als Jane endlich den Mut aufbringt, sich ihrem Chef zu offenbaren, flirtet ihr dummerweise ihre attraktive jüngere Schwester Tess (Malin Akerman) dazwischen – und schon ist George hin und vor allem weg! Janes heile Hochzeitswelt beginnt zu bröckeln…

    Es gibt sie wirklich, die Frau, die als Brautjungfer so begehrt war, dass sich Drehbuchautorin Alice Brosh McKenna nach eigener Aussage fasziniert fragte: „ Was für ein Mensch ist das? … Irgendwas hielt sie wohl davon ab, eine Beziehung zu haben, die nur ihr allein gehörte.“ Diese küchenpsychologische Deutung mag als erste Inspirationsquelle sicherlich ausreichen, doch McKenna und Regisseurin Fletcher (Step Up) denken gar nicht daran, sie im Verlauf des Films zu vertiefen. All jenen Frauen, die ernsthaft an die wöchentlichen Auswertungen der Partnerschaftstest in der Brigitte glauben und nach ihnen handeln, könnte „27 Dresses“ gefallen. Und all jenen Männern, die heimlich auf der Toilette die „Glamour“ ihrer Freundin lesen, um die weibliche Denke besser zu verstehen, könnte der Film auch gefallen. Für alle anderen gilt: Finger weg! Denn was das Kitsch-Duo Fletcher/McKenna hier präsentiert, ist vielleicht süß (und klebrig!), aber bis in die letzte Pore belanglos. Jede Hoffnung auf eine ironische Brechung von Janes Selbstfindungsprozess wird gnadenlos zugeschmust. Dabei nährt der desillusionierte und zynische Anfangs-Antagonist Kevin zunächst diese letztlich trügerische Hoffnung, indem er der verklärt-verkitschten Jane ihre brautverschleierten Augen öffnet – nur um dann vom Drehbuch gezwungen zu werden, sich in die niedliche Jane zu verlieben: Schließlich ist jeder Zyniker nur ein enttäuschter Romantiker. Die Vermutung liegt nahe, dass es an der grandios-naiven Freude der Amerikaner liegt, sich durchschnittlich vier bis fünf Mal in ihrem Leben zu trauen (bis der Tod oder ein Anwalt sie scheidet), dass in den letzten Jahren so viele, immer gleiche Hochzeitskomödien abgenudelt wurden. Sollte es offiziell noch kein eigenes „Hochzeits-Komödien“-Genre geben, eine prompte Neugründung würde sich definitiv lohnen.

    An der Besetzung lag es jedenfalls nicht. Zwar hat es schon knisterndere Leinwand-Paarungen als „Grey´s Anatomy“-Ärztin Katherine Heigl (Beim ersten Mal, Dabei sein ist alles) und James Marsden (X-Men, Dich kriegen wir auch noch, Verwünscht, Hairspray) gegeben, aber beide haben zumindest sichtlichen Spaß an ihren Rollen. Leider schaffen sie es aber nicht, den Charakteren genug Tiefe zu geben, um in den Dialogen zumindest den Anschein von emotionaler Relevanz zu erwecken. So überspielen die Darsteller ein ums andere Mal das löchrige Skript mit fiebriger Hektik und überspannter Stimme. Ähnliches gilt auch für die eigentlich gut gewählten Nebenrollen. Lediglich Judy Greer (American Dreamz) setzt auf eine gegensätzliche Taktik und fungiert als ruhender Pol. So wirkt sie streckenweise, als würde sie Valium statt Cookies zu ihrem „Coffee to Go“ mümmeln.

    So wie in jedem Genre gibt es gute und schlechte Vertreter und – weil wir gerade beim Thema sind - Timing! Der Film hat keins. Der überwiegende Teil der eh schon rar gesäten Pointen verpufft in Einstellungen, die genau den entscheidenden Tick zu lange dauern, oder werden durch übertrieben hektisches Geplapper unnötig verwässert. Die Geschichte von der gutmütigen Halbwaisen, die von einem Zyniker aus ihrer rosaroten Traumwelt in die Realität gerissen wird, wo ihr Herz in tausend Stücke zerspringt, sie aber endlich lernt, ihr eigenes Leben zu leben… Das ist gutes Material, das leider viel zu oberflächlich erzählt wird. Vielleicht hätten sich die Produzenten ein paar Folgen von „Grey‘s Anatomy“ ansehen sollen – ein wenig mehr Drama und emotionale Ernsthaftigkeit hätte der Komödie definitiv gut getan. Andererseits wollten die Macher „27 Dresses“ aber vielleicht auch genau so haben, wie er ist: schön bunt, leidlich unterhaltsam und ohne jegliche Nachwirkung.

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