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    Weiße Lilien
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Weiße Lilien
    Von Björn Helbig

    Lange hat es in dem Regisseur von „Die totale Therapie“ gegoren. Doch nicht alles, was lange währt, wird schließlich gut. Seit der ersten Drehbuchfassung von „Weiße Lilen“ ist eine halbe Ewigkeit vergangen und heute, mehr als acht Jahre später, scheint das Ergebnis immer noch nicht rund. Immerhin untypisch für einen deutschen Film ist das, was Christian Frosch dem Zuschauer mit „Weiße Lilien“ präsentiert oder - man möchte fast sagen - zumutet. Ein wenig wirkt das Ganze nämlich so, als hätte David Lynch sich entschlossen, James Graham Ballards „Der Block“ zu verfilmen, aber die Regie aus Krankheitsgründen dann an Ayassi (Vinzent) abgegeben.

    Die nahe Zukunft: In dem futuristischen Wohnkomplex „Neustadt“ leben Tausende von Menschen, auch die junge, psychisch labile Hannah (Brigitte Hobmeier). Entgegen dem ersten Eindruck ist nicht alles friedlich und freundlich in der bequemen Wohnanlage: Sicherheit und Ordnung gehen nahtlos in Überwachung und Kontrolle über. Als Hannah nach der Flucht vor ihrem gewalttätigen und krankhaft eifersüchtigen Mann Branco (Xaver Hutter) in ein neues Luxusapartment in Neustadt umzieht, deren vorherige Bewohnerin sich kurz vorher aus dem Fenster stürzte, häufen sich auch für Hannah die rätselhaften Ereignisse. Nach und nach wird sie in eine Verschwörung hineingezogen, bei der Freund und Feind, Halluzination und Realität immer schwerer zu unterscheiden sind.

    „Hannah ist keine Person, Hannah ist ein Symptom. Neustadt ist überall. Neustadt ist die Gegenwart der Zukunft von Gestern.“ - Christian Frosch

    Die ersten paar Minuten lang ist das Gezeigte durchaus interessant. Der Zuschauer sieht Bilder einer Party, unterlegt mit einer kräftigen Soulstimme, wird eingeführt in das stimmungsvolle Ambiente des Wohnkomplexes und schließlich Zeuge, wie sich eine Neustädterin aus dem Fenster – in ein Lilienbeet – stürzt. Doch schneeweiße Lilien und himbeerfarbenes Blut sind nicht das letzte und auch nicht das einfallsloseste Bild, das in den nächsten anderthalb Stunden präsentiert wird, so dass das Interesse vieler Zuschauer nach und nach erlahmen dürfte. Vieles wird angedeutet, aber kein Themenstrang konsequent verfolgt. Hat Hannah ihren Mann getötet? Ist der Liebhaber ihrer Arbeitskollegin Paula ein Terrorist? Soll sie selbst zur Mörderin werden? Ist alles einfach nur Kopfkino und die Antworten verstecken sich in Hannahs Psyche oder hat der Zuschauer es hier mit einer Sozialdiagnose über die Gefahren zukünftiger Gesellschaften zu tun?

    Man kann und soll sich an „1984“, Mulholland Drive, „Der Mieter, Fahrenheit 451, Cypher und Brazil erinnert fühlen, doch die Qualität dieser Vorbilder erreicht Froschs Film nie. Faktisch kommen einem eher Filme wie Vinzent in den Sinn. „Weiße Lilien“ präsentiert sich als ein wildes, augenscheinlich unausgegorenes Themenpotpourri aus Halluzination und Geisteskrankheit, 9/11-Trauma und Verschwörungstheorie, Fremdenfeindlichkeit, Gewalt in der Ehe, Staatssicherheit und unfreiwillig komischen „Sexanzügen“... Die gut gewählten Darsteller sind bemüht, sich erhobenen Hauptes durch das Szenario zu bewegen, doch zu oft verfallen sie in ein sehr gekünsteltes Spiel, was angesichts der artifiziellen Inszenierung und den merkwürdig hohlen Dialogen auch kein Wunder ist. Eine Ausnahme bildet das sehr gute Spiel von Walfriede Schmitt (Du bist nicht allein). An ihrer „Paula“ möchte man sich festklammern, um sich in dem psychedelischen Wirrwarr nicht zu verlieren.

    Ein paar Pluspunkte gibt es aber dennoch zu vermelden: Andreas Ockert hat einen stimmungsvollen Score geschaffen, der unheilvolle Klangteppiche gekonnt mit Jazzelementen verbindet. Kameramann Busso von Müller (3 Grad kälter, „Hartes Brot“) setzt den Wohnpark „Alt Erlaa“ bei Wien, der als Vorlage für den Wohnkomplex Neustadt diente, atmosphärisch in Szene. So schaffen eine gute Kameraarbeit, Ausstattung, Beleuchtung, Musik und der Stilwillen des Regisseurs einen Film, der zumindest in Sachen Ambiente gefällt.

    Fazit: „Weiße Lilien“ macht optisch einen stringenten Eindruck. Inhaltlich belässt es der überfrachtete Verschwörungsthriller aber bei zahlreichen, letztlich uneingelösten Andeutungen. So dürfte Froschs Film nur für diejenigen interessant sein, für die ein Film nicht mehr zu sein braucht als Ausgangspunkt zum freien Assoziieren.

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