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    Lone Ranger
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Lone Ranger
    Von Carsten Baumgardt

    Wer wie Disney bei „Lone Ranger“ kolportierte 250 Millionen Dollar für einen einzigen Film ausgibt, setzt sich selbst so richtig unter Druck – zumal dann, wenn eben diese Viel-hilft-viel-Taktik schon im Vorjahr beim ebenso teuren „John Carter“ alles andere als aufging. Damals lag es nicht am Film - der war durchaus gut -, sondern das Marketing funktionierte nicht. Bei Disneys neuestem Viertelmilliarden-Dollar-Streich ist die Sachlage nun etwas komplizierter. Auf dem Papier ist die wilde Western-Sause „Lone Ranger“ tatsächlich ein potenzieller Superhit mit den edelsten Zutaten aus der Box-Office-Feinkostabteilung, ein „four quadrant everybody movie“, wie es Disneys US-Verleihchef Dave Hollis nennt – so etwas wie die eierlegende Wollmilchsau unter den Blockbustern also. Doch die Rechnung des Kreativteams der (bisher) vierteiligen „Fluch der Karibik“-Reihe um Superstar Johnny Depp, Regisseur Gore Verbinski und Produzenten-Legende Jerry Bruckheimer, das aus „Lone Ranger“ einen wüsten Genre-Mix und eine Art „Pirates In The Wild Wild West“ macht, geht nicht auf. Zwar gelingt ihm trotz aller Formelhaftigkeit einiges an launigem Stückwerk, dieses will sich aber partout nicht zu einem stimmigen Unterhaltungscocktail zusammenfügen.

    Im Jahr 1869 kehrt der pazifistische Anwalt John Reid (Armie Hammer) in seine Heimatstadt im Wilden Westen zurück. Der Ort wird von dem Eisenbahnmagnaten Cole (Tom Wilkinson) kontrolliert, der den berüchtigten Outlaw Butch Cavendish (William Fichtner) öffentlich hängen lassen will. Ehe es dazu kommt, wird der Missetäter jedoch von seiner Bande aus einem fahrenden Zug befreit. Cole schickt  daraufhin Reids Bruder, den Texas Ranger Dan (James Badge Dale), und dessen Jungs los, um den flüchtigen Banditen einzufangen. John Reid schließt sich der Gruppe an und überlebt als einziger eine fiese Hinterhalt-Attacke der brutalen Cavendish-Gang. Die wundersame Rettung hat er dem Indianer Tonto (Johnny Depp) zu verdanken, mit dem gemeinsam John nach seiner Genesung die Verfolgung der Mörderbande aufnimmt: Er verlangt nach Rache für seinen getöteten Bruder, glaubt aber so sehr an das Gesetz, dass er Cavendish mit der Hilfe seines ungleichen Komantschen-Partners vor ein Gericht bringen will, anstatt ihm einfach direkt eine Kugel in den Kopf zu jagen.

    Der „Lone Ranger“ ist ein alter Hase, mehr noch: ein Mythos - zumindest für die US-Amerikaner, bei denen die bereits 1933 in einem Radio-Programm erstmals aufgetretene (fiktive) Figur Ikonenstatus genießt. Nach einer sehr erfolgreichen und langlebigen TV-Serie (1949 bis 1957) und vier Kinofilmen war es dann allerdings lange ruhig um den maskierten gesetzestreuen Outlaw. Wer den Weiß-Hut-Träger im Jahre 2013 im modernen Gewand eines megateuren Blockbusters auf die große Leinwand zurückkehren lässt, kann sich nicht allein auf die Strahlkraft der längst etwas verblassten Legende verlassen und so hatte Produzent Jerry Bruckheimer die Idee, das scheinbar wasserdichte Erfolgskonzept der „Fluch der Karibik“-Reihe, die für Disney bisher gigantische 3,7 Milliarden Dollar (!) eingespielt hat, nonchalant eins zu eins auf den „Lone Ranger“-Stoff zu übertragen. In der Praxis erweist sich das Ausgangsmaterial allerdings als für eine Materialschlacht solcher (Budget-)Ausmaße wenig geeignet. Regisseur Gore Verbinski („Rango“, „The Ring“) packt den Film in seiner Not mit gegensätzlichen, oft kaum zueinander passenden Einfällen, Szenen und Figuren voll. Damit überlädt er „The Lone Ranger“ trotz überschaubarer Handlung und muss schließlich einfach zu viele Unebenheiten glattbügeln (was längst nicht immer gelingt), um einen homogenen Rhythmus und Erzählton zwischen Action, Komik, Klamauk und Drama finden zu können.

    Von einem roten Handlungsfaden ist wenig zu spüren, was die Dramaturgie angeht, erinnert das wüste Treiben eher an einen wildgewordenen Mustang, der ziellos über die Filmprärie galoppiert. Die Probleme beginnen bereits mit der Rahmenhandlung, die 1933 in San Francisco in einem Museum angesiedelt ist. Ein kleiner Junge in „Lone Ranger“-Kluft entdeckt in einer Wildwestausstellung eine vermeintliche Wachsfigur Tontos, der greise Indianer erweist sich indes als quicklebendig und erzählt dem Knirps von seinen Erlebnissen mit dem Lone Ranger. Hier wird recht schwerfällig die Legende des tapferen Kämpfers für Gerechtigkeit beschworen und wenn Verbinski während der stattlichen zweieinhalb Stunden Spielzeit immer wieder Halt im Museum macht, dann bremst er den eigenen Film oft unnötig aus - die ohnehin häufig sehr holprige Erzählung kommt hier einige Male vollends zum Stillstand und schließlich erscheint auch die angedeutete mythische Dimension der Heldensaga als reine Behauptung und geradezu wichtigtuerisches Beiwerk.

    Der Indianer Tonto war bei den „Lone Ranger“-Fans schon immer eine sehr beliebte Figur und stieg nicht selten vom reinen Sidekick zum echten Partner des Titelhelden auf, auch Gore Verbinski beförderte ihn nun aus offensichtlichen und wirtschaftlich nachvollziehbaren Gründen zum gleichberechtigten Protagonisten - schließlich will man ein kassenträchtiges Zugpferd wie Johnny Depp nicht als Nebendarsteller verheizen. Doch der Megastar variiert seinen kultigen Captain Sparrow aus „Fluch der Karibik“ nur unwesentlich und stülpt seine mittlerweile eingefahrenen Piraten-Manierismen auch Tonto über. Das sorgt zwar für eine Handvoll Lacher, die Figur mit ihrer arg dünnen Geschichte bleibt so allerdings auch kontur- und substanzlos. Der putzmuntere Armie Hammer („The Social Network“, „J. Edgar“) stiehlt dem berühmten Partner mit seinem agilen Auftritt jedenfalls deutlich die Schau und erweist sich als Volltreffer-Besetzung für den Lone Ranger, zumal er auch die prekäre Balance zwischen Traditionstreue und heutigem Zeitgeist locker hält. Angetrieben durch seine noble Naivität schwingt er sich immer wieder notgedrungen zu Heldentaten auf – dabei klingt eine Selbstironie an, die ausnahmsweise vollkommen ehrlich wirkt und somit auch bestens funktioniert. Man guckt dem Jungstar gern zu, wenn er mit seiner Maske hadert (notwendig oder lächerlich?), seinen persönlichen Kampf mit dem Pazifismus ausficht oder sich in spektakuläre Actionszenen hechtet - ein Hammer-Typ, dieser Armie!

    Während die Charakterzeichnung beim Lone Ranger am gelungensten ist, muss sich der Rest der Besetzung mit größtenteils lahmen Stereotypen abmühen. Das gilt für den sonst standardmäßig großartigen Tom Wilkinson („Michael Clayton“) als fieser Eisenbahn-Tycoon, für William Fichtner („Contact“) als grotesk entstellter, aber dennoch blasser Bösewicht Cavendish, für Barry Pepper („Der Soldat James Ryan“) als moralisch inkontinenter Armee-Captain und auch für Helena Bonham Carter („Fight Club“), die als scharfschießende einbeinige Dirne ausschließlich plumpe Gimmicks beisteuern darf. Spaß macht „Lone Ranger“ nur in kleinen Schüben und in Einzelheiten. Mal ist es eine rasant inszenierte Zugverfolgungsjagd, dann eine gelungene Schießerei hier und da, gelegentlich auch der pure Genuss der exzellenten Kameraarbeit von Bojan Bazelli („Mr. And Mrs. Smith“, „The Ring“) oder der markanten Musik von Hans Zimmer („Fluch der Karibik“, „Der König der Löwen“).

    Über weite Strecken rumpelt der Blockbuster-Express polternd vor sich hin und droht mehr als einmal vollständig zu entgleisen: „Lone Ranger“ soll ein Familienpublikum mit Kindern unterhalten, aber gleichzeitig werden Körper durchsiebt, Herzen herausgerissen und Menschen skalpiert. Das kann nicht zusammenpassen! „Lone Ranger“ soll aufwändige Actionszenen der Multi-Millionen-Preisklasse bieten, aber dazu stehen nur Züge und Pferde zur Verfügung und so fehlt den entsprechenden Szenen nicht nur meist die letzte Wucht, sie wiederholen sich auch stark. Und dann soll „Lone Ranger“ noch den Genres Western, Komödie und Abenteuer gerecht werden und sie auf unterhaltsame Weise verbinden, aber Verbinski findet nie die richtige Mischung und so fehlt dem Film das erzählerische Gleichgewicht. Immer wenn es kurz ernsthaft wird (etwa als es um das Schicksal übel dahingemetzelter Indianer geht), beendet ein Gag die Anflüge des Seriösen mit einem wenig feinfühligen Handstreich - und damit ist weder dem ernsten Ansatz noch dem beabsichtigten Witz geholfen.  

    Fazit: Schiffbruch im Wilden Westen – „Fluch der Karibik“-Regisseur Gore Verbinski havariert mit seinem spektakulär-tosenden Western-Abenteuer „Lone Ranger“ trotz eines charismatischen Titelhelden, einiger rasanter Einzelszenen und gelegentlicher Kabinettstückchen, denn er bekommt seine Geschichte erzählerisch nie so ganz in den Griff.

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