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    Religulous
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Religulous
    Von Stefan Ludwig

    An Religionen lässt sich gewiss eine ganze Menge kritisieren, immerhin waren Religionsstreitigkeiten schon immer Auslöser unzähliger Kriege. Auch der aktuelle Kampf gegen den Terror hat seinen Ursprung in radikalen Auswüchsen des Islams. Daher lag das Konzept der satirischen Religions-Doku „Religulous“ eigentlich auf der Hand: Die Schwachpunkt der Religionen auf möglichst amüsante und bissige Art aufzudecken. Komödiant Bill Maher unternimmt eine Reise rund um den Globus, wobei er Gläubigen überall auf der Erde gehörig auf den Zahn fühlt. Nach furiosem Beginn entwickelt sich die Dokumentation von Borat-Regisseur Larry Charles jedoch zunehmend zur bloßen One-Man-Show mit einstudierten Gags.

    Bill Maher, agnostischer Sohn eines Juden und einer Katholikin, bezeichnet George Bush und Osama Bin Laden in einem Atemzug als religiöse Fanatiker. Der Comedian interessiert sich seit seinen Berufsanfängen für Religionen, da sich mit dem Thema leicht Lacher ernten lassen. Schließlich ist jeder religiösen Weltanschauung etwas Unlogisches inhärent, das man auf der Bühne leicht für seine Zwecke nutzen kann. Mit „Religulous“ treibt Maher dieses Konzept nun auf die Spitze: Er macht keine Witze über Religionen, die machen sich über sich selbst lustig, lautet sein Credo. In Interviews, die er mit Gläubigen überall auf der Welt führt, legt er dank stellenweise brillanter Analyse die Schwachpunkte des Gottesglaubens offen. Seine Gesprächspartner liefern ihm dabei selbst die optimalen Vorlagen. Ein ehemaliger Homosexueller, der mittlerweile in einer biederen Kleinfamilie lebt, erklärt mit felsenfester Überzeugung, dass es gar keine Schwulen gäbe. Stattdessen würde Homosexualität nur aus fehlender Selbstsicherheit resultieren. Diese absurde Diskussion gehört zu den Höhepunkten von „Religulous“.

    Auch Regisseur Larry Charles hat die Gottesfurcht nicht gerade mit Löffeln gefressen. Er fragt sich bei der Schöpfungsgeschichte und dem Leben Jesu, ob es sich dabei nicht eher um die Story des neuesten Disney-Animationsfilms handelt. Er möchte wissen, wie diese absurden Geschichten nur zum Grundstein für die westliche Zivilisation werden konnten. Doch so wenig er ein schlüssiges Konzept hinter dem Schöpfungsmythos entdeckt, so wenig hat er selbst eines vorzuweisen: Stattdessen schickt er Bill Maher auf eine zwar lustige, aber leider recht strukturlose Reise. Hier offenbart sich der größte Schwachpunkt des Films. Ein konsequenterer roter Faden hätte sicherlich gut getan. Lediglich die philosophischen Monologe, die Maher während seiner Tour im Auto hält, fungierend als zusammenhaltendes Element.

    Geht Maher zu Beginn noch schlagfertig auf seine Gesprächspartner ein, driftet die Dokumentation mit zunehmender Laufzeit in eine One-Man-Show ab, bei der viele Witze wie einstudiert wirken. Der Tiefpunkt ist ein Interview mit zwei schwulen Muslimen in einer Bar. Maher verzichtet darauf, ihre Antworten abzuwarten und reißt stattdessen einen platten Schwulengag nach dem anderen: eine kopflose Frechheit. Gerade im letzten Drittel gewinnt diese inhaltsleere Polemik immer mehr die Oberhand. Doch es gibt auch gute, bissige Momente, die den Glaubenswahn gekonnt auf den Punkt bringen. Etwa der Besuch in einem amerikanischen Bibelpark: Hier fühlt Maher sogar Jesus persönlich auf den Zahn. Als der Jesus-Darsteller (vergleichbar mit der Mäuseparade im Disney Park) gekreuzigt wird, brechen die übergewichtigen, Shorts tragenden Zuschauer reihenweise in Tränen aus. Ein ebenso aberwitziges wie erschreckendes Spektakel.

    Bill Maher ist hierzulande vergleichsweise unbekannt. Dabei sammelte er bereits 21 Emmy-Nominierungen und arbeitet in den USA seit 15 Jahren im Bereich des Polit-Talks. Nebenbei schrieb er Satire-Bestseller mit Titeln wie „When you ride alone, you ride with Bin Laden“. Bereits seit 1979 tritt er erfolgreich als Stand-Up-Comedian auf. Bis heute steht er mindestens 50 Tage im Jahr in Las Vegas auf der Bühne. Diese langjährige Erfahrung ist „Religulous“ deutlich anzusehen. Mit einer beeindruckenden Routine zieht Maher sein Programm durch, indem er Zweifel ins Getriebe der fünf wichtigsten Weltreligionen streut. Nebenbei watscht er auch Mormonen und Scientologen ab, an denen er ebenfalls kein gutes Haar lässt.

    „Religulous“ ist eine Mischung aus „religous“ („religiös“) und „ridiculous“ („lächerlich“). Treffender hätte der Titel nicht gewählt werden können. Natürlich geht es Bill Maher und Larry Charles darum, sich über Religionen lustig zu machen. Aber in den besten Momenten gelingt es ihnen auch, die Komik aufzudecken, die in den Religionen selbst sowieso schon drinsteckt. Dabei zeigen sie, welchen Unfug manche Leute glauben, ohne recht begründen zu können, weshalb sie dies tun. Insgesamt ist „Religulous“ ein amüsanter, sehenswerter Film, der leider im letzten Drittel den Fokus zu sehr auf den (etwas eitlen) Komiker Bill Maher selbst legt.

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