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    Neu im Heimkino: Dieser Rekord-Western löste mit seiner Freizügigkeit einen Riesenskandal aus – und war Inspiration für Martin Scorsese
    Sidney Schering
    Sidney Schering
    -Freier Autor und Kritiker
    Er findet Streaming zwar praktisch, eine echte Sammlung kann es für ihn aber nicht ersetzen: Was im eigenen Regal steht, ist sicher vor Internet-Blackouts, auslaufenden Lizenzverträgen und nachträglichen Schnitten.

    Religiöse Gruppen riefen zum Protest gegen ihn auf, und ohne ihn wäre Martin Scorsese vielleicht nicht der filmvernarrte Meisterregisseur, der er heute ist. Jetzt feiert der prickelnde Western „Duell in der Sonne“ seine HD-Heimkinopremiere.

    +++ Meinung +++

    Mehrere Regisseure wurden während der Produktion von „Duell in der Sonne“ zerschlissen, im Zuge der Nachbearbeitung rasselte der Film mit der Zensur zusammen, und selbst die letztlich ins Kino gebrachte Fassung erzürnte religiöse Gruppen, die zum Boykott aufgerufen haben. Produzent David O. Selznick machte sich das zu Nutzen und befeuerte das Marketing des sauteuren Films erfolgreich mit Verweisen auf den Skandal, der ihn umgab. Daher ging „Duell in der Sonne“ als Glanzbeispiel in die Geschichte der Filmvermarktung ein. Gekrönt wird dies davon, dass wir „Duell in der Sonne“ einen der prestigeträchtigsten Regisseure unserer Zeit zu verdanken haben:

    Laut Martin Scorsese ist der Skandal-Western der erste Film, den er je gesehen hat – und die Initialzündung für seine Liebe zum Medium. Obwohl die Mammutproduktion somit einen sehr prominenten Fan hat, wurde sie im deutschen Heimkino bisher unliebsam behandelt. Doch nun wurde Abhilfe geschaffen: „Duell in der Sonne“ gibt es seit Dezember erstmals in Deutschland Blu-ray, außerdem erhielt der Film eine restaurierte Neuauflage auf DVD.

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    Zusätzlich zum zweifach oscar-nominierten Film findet ihr auf der Heimkino-Neuveröffentlichung von „Duell in der Sonne“ eine Hintergrunddokumentation über Leinwandlegende Gregory Peck. Der zumeist auf integre Protagonisten reservierte „Wer die Nachtigall stört“-Star spielt in dem Skandal-Western einen grantigen Rassisten und somit eine seiner raren durch und durch unbequemen Rollen.

    "Duell in der Sonne": Eine sündige Western-Materialschlacht

    Als ihr Vater für den Mord an ihrer Mutter gehängt wird, ist Pearl Chavez (Jennifer Jones) zunächst auf sich allein gestellt. Letztlich vertraut sie sich entfernten Verwandten an, der Familie McCanles. Alsbald raubt sie dem ruhigen Jesse (Joseph Cotten) und dem draufgängerischen Frauenhelden Lewt (Gregory Peck) den Atem, was zu Zwistigkeiten innerhalb der Familie führt. Diese eskalieren, weshalb sich Pearl in die Arme des Ranchers Sam Pierce (Charles Bickford) flüchtet. Zu Pearls Frust nehmen die sie umschwirrenden Männer dies zum Anlass, ihre Differenzen auf die einzige Art zu klären, die sie kennen: Mit einem Duell in der Sonne...

    Bevor es zum Duell kommen konnte, verschliss der für das Drehbuch mitverantwortliche Produzent David O. Selznick fünf zu jener Zeit namhafte, geachtete Regisseure. Darüber hinaus schwang er sich selbst zeitweise auf den Regiestuhl, bevor er den Film letztlich King Vidor anvertraute. Vidor, den Scorsese als fortwährende Inspiration für seine eigene Arbeit bezeichnet, hatte jedoch kontinuierlich mit dem Überproduzenten zu kämpfen: Während sich Vidor vornehmlich für das dramatische Innenleben der Figuren interessierte, verlangte Selznick mehr Spektakel und überschäumende Dialoge.

    Das brachte unablässige Drehbuchänderungen mit sich, die gemeinsam mit der aufwändigen Sequenz einer mittels realer Elemente und detaillierter Modelle gefilmten Zugentgleisung das Budget explodieren ließen: „Duell in der Sonne“ wurde zu einem der bis dahin teuersten Filme der Hollywood-Geschichte – und musste sich dann noch mit der Zensurbehörde herumschlagen, die ihn als zu erotisch und sexuell offensiv erachtete.

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    Daher musste unter anderem eine Sequenz weichen, in der Jennifer Jones aufreizend tanzt, damit der Western den damals unvermeidlichen Anforderungen des sogenannten Hays Codes gerecht wird. Wie schon erwähnt, bewahrte dies „Duell der Sonne“ nicht vor Boykottaufrufen und medienwirksamen Beschwerden – was Selznick allerdings in die Karten spielte, da scheltend gemeinte Spitznamen für den Film wie „Lust In The Dust“ lediglich das Publikumsinteresse ankurbelten.

    Das eskalierte Budget, das innerhalb des Western-Genres zeitweise einen Rekord darstellte, konnte entgegen aller Unkenrufe wieder eingenommen werden, weshalb Drehbuchautor George S. Kaufman die den Skandal positiv umkehrende Kampagne seines Mitbewerbers neidisch-neckend „A Sale Of Two Titties“ taufte.

    Doch „Duell in der Sonne“ hat auch abseits einer für seine Zeit bemerkenswerten Härte und seiner sexuellen Freizügigkeit allerhand zu bieten: Vidor wurde Selznicks Wunsch nach stattlichem Spektakel vollauf gerecht, indem er eine recht geradlinige Eifersuchtsgeschichte zu einem leidenschaftlich-zornigen Epos aufbauscht, das neben kerniger Gewalteskalation warm-strahlende, starke Technicolor-Farben aufweist. Darüber hinaus ist die Filmmusik des vierfachen Oscar-Gewinners Dimitri Tiomkin („Zwölf Uhr mittags“) unglaublich einprägsam.

    Die vor prächtigen Landschaftsbildern erzählte Eifersuchtsgeschichte voller doppelbödigem körperlichen Einsatz hat trotzdem ihre Schwächen: Teils funktionieren die blumigen Dialoge als Stilmittel, die „Duell in der Sonne“ zur selbstbewussten Western-Oper hochstilisieren. Mitunter sind sie aber zu gestelzt und man wünscht sich, dass sich Peck, die für den Oscar nominierten Jones und Lillian Gish sowie der Rest des Casts noch öfter schlicht auf ihre Körpersprache verlassen.

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    Außerdem bleibt stellenweise unklar, wie sehr diese von schwerer Tragik und brennendem Zorn vorangetragene Geschichte als Abrechnung mit den Gesetzen des Wilden Westen gemeint ist: Der Stoff, mit dem in „Duell in der Sonne“ Glorifizierung, Verurteilung und Indifferenz voneinander getrennt werden, ist mitunter noch dünner als der Stoff, in den sich Pearl hüllt, um ihren Körper als Munition innerhalb einer Welt einzusetzen, in der die Waffen Männern gehören.

    Das ist in den besten Momenten von Jones mit Passion und Tragweite gespielt, in den schwächeren Augenblicken melodramatisch und schwer zu schlucken. Wer sich auf darauf einlässt, bekommt mit „Duell in der Sonne“ ein Western-Epos der großen Gefühle, emporgehoben durch fesselnde Musik und feurige Bildwelten.

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