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    Einer der kontroversesten Filme der 2000er-Jahre - basierend auf einer wahren Geschichte
    Pascal Reis
    Pascal Reis
    -Redakteur
    Pascal liebt das Kino von „Vertigo“ bis „Daniel, der Zauberer“. Allergisch reagiert er allerdings auf Jump Scares, Popcornraschler und den Irrglauben, „Joker“ wäre gelungen.

    Larry Clark ist vor allem bekannt für „Kids“ - einen der kontroversesten Filme der 1990er-Jahre. Doch „Bully“ von 2001 schlägt in eine ähnlich aufwühlende Kerbe. Weil der viel mehr Aufmerksamkeit verdient hätte, folgt eine Empfehlung von Pascal Reis.

    Larry Clark („Ken Park“) ist ein Meister darin, den täglichen Kampf von oftmals unterprivilegierten Jugendlichen ins Zentrum des Geschehens zu rücken. Mit „Kids“ schuf er so Mitte der 1990er-Jahre einen waschechten Skandalfilm. Mit ungeschönter, fast schon dokumentarischer Furchtlosigkeit verfolgte der Filmemacher hier das von Gewalt, Sex und Drogen geprägte Leben der New Yorker Teenies.

    Für „Bully“, hierzulande 2001 erschienen, ist Larry Clark einen ähnlichen Schritt gegangen. Allerdings ist der Handlungsschauplatz nicht die niemals schlafenden Metropole, sondern die amerikanischen Suburbs – und hinzu kommt der Umstand, dass „Bully“ auch noch auf einer wahren Geschichte basiert, die sich so im Jahre 1993 im Sonnenstaat Florida zugetragen hatte.

    Ihr habt das schockierende Jugendporträt von Larry Clark bislang noch nicht gesehen? Bei Amazon Prime Video steht der Film aktuell in der Kauf- und Leihversion zur Verfügung. Da die DVD bereits vergriffen und eine Blu-ray noch nicht in Deutschland erschienen ist, erweist sich das Angebot von Prime Video als gute Ausweichmöglichkeit.

    Darum geht’s in "Bully"

    Bobby Kent (Nick Stahl) hat eine Atmosphäre der Angst und Gewalt um sich aufgebaut. Sie bildet eine Art Gegengewicht zur Beziehung zu seinem Vater (Ed Amatrudo), der seinem Sohn keinerlei Freiraum gewährt. Bobbys Freunde haben nichts zu lachen, wenn ihm irgendetwas mal wieder nicht in den Kram passt. Marty Puccio (Brad Renfro) erfährt das ständig am eigenen Leib.

    Obwohl er Bobby eigentlich nahe steht, nutzt dieser seine Macht gegenüber Marty gnadenlos aus. Bobbys Demonstrationen der Stärke gehen sogar so weit, dass er Martys Freundin Lisa (Rachel Miner) und deren Bekannte Ali (Bijou Phillips) vergewaltigt. Gemeinsam schmieden die Frauen und Marty daraufhin einen Plan, um Bobby in die Falle zu locken. Nie wieder soll er in der Lage sein, sie zu demütigen...

    Dieser Film tut weh

    Larry Clark wurde immer wieder der Vorwurf gemacht, dass er sich einem pseudo-gesellschaftskritischen Rahmen bedient, um dadurch möglichst viel nackte Haut vor seinem Publikum ausstellen zu können. Ich bin jedoch der Meinung, dass nicht nur „Kids“, sondern auch „Bully“ dieser Kritik bei genauerer Betrachtung nicht standhalten, da Clark ein ausgesprochenes Maß an Empathie für die verlorenen, orientierungslosen Jugendlichen mitbringt, indem er veranschaulicht, aber niemals verurteilt.

    Auch in „Bully“ dreht sich alles um eine Gruppe Teenager, die sich irgendwann mit dem Kopf zur Wand gerichtet wiederfindet. Clark muss nicht unterstreichen, dass ihr Verhalten, mit dem sie sich von dem vergewaltigenden, unterdrückenden Tyrann lösen wollen, völlig falsch ist. Dafür sorgen letztlich die Verurteilungen, die am Ende vor Gericht ausgesprochen werden. Vielmehr geht es dem Film um eine moralische nachvollziehbar machen – und diese Jungs und Mädchen, die eigentlich noch Kinder sind, sind auf emotionaler Ebene einer erschreckenden Logik gefolgt.

    LEONINE
    Ziemlich schlechte Freunde: Bobby & Marty

    „Bully“ zieht sein Publikum zusammen mit den Protagonisten in eine verheerende Lage der Aussichts- und Ausweglosigkeit, ohne dabei jedoch eine selbstzweckhafte Grausamkeit zu forcieren. Clark geht es um das Greifbarmachen einer seit jeher geschundenen Lebensrealität, in der sich alles um Machtstrukturen dreht. Wie wir alle am eigenen Leibe erfahren haben, ist Macht die bestimmende Determinante in der Ausformung (nicht nur) jugendlicher Gruppendynamiken.

    Ich hatte oftmals das Gefühl, dass sich viele Kritiker*innen daran gestört haben, dass die Filme von Larry Clark für die Zuschauerschaft immer auch mit Unannehmlichkeiten verbunden sind. Ja, das naturalistisch gehaltene Eintauchen in den Zustand jugendlicher Sozialverwahrlosung tut weh. Aber um die Gefühlswelt der Charaktere greifbar zu machen, muss ein „Bully“ auch weh tun. Und Larry Clark knüpft durch die unvermittelte Klarheit in der Erzählästhetik ein besonders enges Band zwischen Film und Publikum. Das führt zwangsläufig zu Abwehrreflexen.

    Für mich zählt „Bully“ zu den großen Highlights Anfang der 2000er-Jahre. Larry Clark ist hier nicht nur ein Anti-Hangout-Film, sondern vielmehr noch ein True-Crime-Schocker gelungen, der seine Härte aus der puren Selbstverständlichkeit einer in ihrer Hilflosigkeit völlig gelähmten Generation zieht. Und wenn diese hier beschriebene Generation dann doch mal eine Entscheidung zum Aktionismus trifft, endet es zwangsläufig in noch schrecklicher Grausamkeit. Dafür sind keine dramaturgischen Zuspitzungen nötig, denn die schrecklichsten Geschichten schreibt das Leben selbst.

    Diese Fortsetzung zu einem der besten Horrorfilme aller Zeiten ist viel besser als ihr Ruf – vom "ES"-Regisseur

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