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    Heute im TV: Niederschmetterndes Spannungskino mit einem "Star Wars"-Schurken und einem Star aus "Bridgerton"
    Sidney Schering
    Sidney Schering
    -Freier Autor und Kritiker
    Sein erster Kinofilm war Disneys „Aladdin“. Schon in der Grundschule las er Kino-Sachbücher und baute sich parallel dazu eine Film-Sammlung auf. Klar, dass er irgendwann hier landen musste.

    Im aufwühlenden und hochspannenden Drama „Una und Ray“ begegnet eine junge Frau einem Mann wieder, der massive seelische Narben bei ihr hinterlassen hat. Was folgt, ist kein bisschen reißerisch, sondern stark gespielt, komplex und beklemmend.

    Dank ihrer zentralen Rolle im Streamingerfolg „Lockwood & Co.“, ihrem Part im Netflix-Phänomen „Bridgerton“ und ihrer Besetzung im Paramount+-Format „The Burning Girls“ ist Ruby Stokes derzeit ein gefragter Name im Seriengeschäft. Ihr aufwühlendstes Projekt feierte aber bereits vor neun Jahren Premiere – auch wenn sie im beklemmenden Drama „Una und Ray“ bloß eine kleine, wenngleich perfekt gecastete Rolle spielt.

    Die Hauptrollen darin spielen dagegen „Verblendung“-Star Rooney Mara und „Rogue One“-Fiesling Ben Mendelsohn, während „Sound Of Metal“-Oscar-Gewinner Riz Ahmed eine prägnante Nebenrolle übernimmt. Der mdr zeigt „Una und Ray“ heute, am 18. September 2023, ab 23.10 Uhr. Alternativ könnt ihr den schwer verdaulichen, jedoch nicht sensationalistischen Film über die Folgen einer sexuellen Beziehung zwischen einem Mittdreißiger und einer 13-Jährigen im Abo bei Prime Video abrufen:

    "Una und Ray": Eine intelligente, unterschwellige Tour de Force

    Der Mittdreißiger Ray (Ben Mendelsohn) umgarnt die 13-jährige Nachbarstochter Una (Ruby Stokes), hat wenige Monate später Sex mit ihr und macht ihr weiß, dass sie gemeinsam nach Europa auswandern werden. Rays Taten fliegen zeitnah auf und er wird des Missbrauchs verurteilt, während eine emotional verwirrte Una um die verlorene, gemeinsame Zeit mit Ray trauert. 15 Jahre später führt die erwachsene Una (Rooney Mara) ein einzelgängerisches Leben voller emotionaler Distanziertheit.

    Ein Zeitungsartikel bringt Una zufällig auf die Spur, wo Ray mittlerweile lebt: Er ist unter neuer Identität als leitender Fabrikangestellter tätig – und dort kreuzt Una unangemeldet auf. Sie verwickelt Ray in ein Gespräch über das, was einst passiert ist. Er berichtet von seinem neuen Leben als verheirateter Mann. Und beide versuchen, den neugierigen Ohren von Rays Kollegium zu entgehen, wie etwa dem um Diplomatie bemühten Scott (Riz Ahmed)...

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    Obwohl Stokes bloß in Rückblenden zu sehen ist und ihre enorme Ähnlichkeit mit Rooney Mara gewiss einer der Hauptgründe dafür war, dass sie den Part bekommen hat: In ihren wenigen Minuten Filmzeit hinterlässt die Britin einen nachhallenden Eindruck. Ist sie es doch, die sowohl das naive Augenglitzern einer ratlosen Pubertierenden spielen muss, die sich über die Aufmerksamkeit eines Erwachsenen freut, als auch die vollkommene Zerrüttung, als Ray sie nach dem Sex allein in einem Hotelzimmer zurücklässt und ihr wenigstens teilweise dämmert, was mit ihr angestellt wurde.

    Es sind Szenen, bei denen sich die Kehle zuschnürt. Nicht zuletzt, weil Regisseur Benedict Andrews sie entgegen der Erwartung nicht einem Horrorfilm gleich inszeniert, sondern während der Annäherung die Ästhetik eines flirrenden Films über eine Sommerromanze pflegt, worauf eine klinische Abgeklärtheit folgt, die quasi sämtliches Leben aus der Bildsprache (und Una) saugt. Diese wirksame, dabei auf effekthascherisch-deutliche Mittel verzichtende Methodik setzt sich in der Kernhandlung fort:

    Andrews und Drehbuchautor David Harrower (der damit sein eigenes Theaterstück „Blackbird“ adaptiert) weigern sich, dem Publikum Lösungen in den Mund zu legen. Stattdessen drängen sie es durch den Verzicht auf erlösende Dialogpassagen dazu, selber das Gezeigte zu Ende zu denken. Dadurch setzen sich in der Vorstellung Unas Erfahrungen und emotionale Narben umso mehr fest, wird ihr nachhaltiges Trauma umso greifbarer.

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    Unerlässlich ist dabei natürlich Maras zehrendes Spiel einer Frau, die zwar weiß, was ihr angetan wurde, aber nicht begreift, wie genau ihr einst geschah, und was sie fühlen soll (oder kann). Wut, Angst, Erleichterung, dass es vorbei ist – oder sitzt der Stachel der vermeintlichen Liebe, die ihr eingeredet wurde, zu tief? Dass Mendelsohn seine Rolle mit einer Abgeklärtheit sowie einem mühelosen Charme in unverbindlichen, zwischenmenschlichen Momenten anlegt, macht „Una und Ray“ noch niederschmetternder.

    Denn während sich Una und Ray im Laufe ihres Gesprächs immer tiefer in die labyrinthartige, desorientierende Fabrik begeben, wird nahezu beiläufig verdeutlicht, wie unheimlich leicht es manchen Menschen fällt, jegliche Angriffsfläche zu verbergen. Das erzeugt mit kleinsten Mitteln erdrückende Spannung, wie diese zwei Figuren weiter verfahren und in ihren Leben verbleiben werden – und macht dieses Drama auch ohne explizite Szenen schaurig.

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