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    Ich sehe "Herr der Ringe" mit völlig anderen Augen, seit ich selbst einen Ring in den Schicksalsberg geworfen habe
    Joana Müller
    Joana Müller
    -Redakteurin
    Seit Joana in ihrer Kindheit "Harry Potter" und "Der Herr der Ringe" gesehen hat, lässt sie sich immer wieder gerne in fantastische Welten mitnehmen - und schreibt noch lieber darüber.

    Als ich das erste Mal Peter Jacksons „Der Herr der Ringe”-Trilogie sah, war für mich klar: Ich muss nach Neuseeland! Jahre später machte ich meinen Traum wahr, mit dem Einen Ring im Gepäck – doch Frodos Mission nachzuspielen, lief anders als geplant…

    Warner Bros.

    Es gibt kaum einen Filmreihe, die mich so sehr geprägt hat wie „Der Herr der Ringe” von Peter Jackson. Ich weiß noch genau, als meine Eltern den dritten Teil der Reihe 2003 im Kino sahen und aufgeregt davon erzählten. Mein Vater war seit seiner Jugend großer Fan der Romane von J.R.R. Tolkien und erwartete die Verfilmungen seit Jahren. Dass ich mit gerade Mal neun Jahren selbst zu jung für einen Kinobesuch war, war vor allem meiner Mutter absolut klar. Als mein Vater eines Tages jedoch die DVDs der „Der Herr der Ringe”-Trilogie mit nach Hause brachte, da konnte auch meine Mutter nicht mehr protestieren. Und so versammelten wir uns mit meinem zwei Jahre älteren Bruder im Wohnzimmer, um die Filme zu schauen, die uns auch 20 Jahre später immer noch verbinden wie keine anderen.

    So theatralisch das auch klingen mag, war ich von der ersten Minute gebannt und gepackt von der Geschichte des Ringes, der imposanten Musik, den fantastischen Figuren und vor allem den wunderschönen Landschaften, die in der Trilogie gezeigt werden. Dass es solche Landschaften irgendwo auf der Welt geben sollte, war für mich zu diesem Zeitpunkt absolut unbegreiflich und als ich das erste Mal das Wort Neuseeland hörte, direkt sonnenklar, dass ich da irgendwann mal hinmusste. Nach der Schule reihte ich mich jedoch erstmal nicht in die Gap-Year-Backpacker*innen ein, die zahlreich ans andere Ende der Welt reisten, sondern verfolgte zunächst meine journalistische Laufbahn.

    Fürs Studium nach Mittelerde

    Als sich im Studium dann jedoch die Möglichkeit eines Auslandssemesters eröffnete, erinnerte ich mich an das Land meiner kindlichen Träume und wählte die University of Otago in Dunedin auf der Südinsel Neuseelands. Damals ahnte ich noch nicht, dass diese Reise meine Sichtweise auf die Saga bestehend aus „Der Herr der Ringe: Die Gefährten”, „Der Herr der Ringe: Die zwei Türme” und „Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs” für immer verändern und sogar meine berufliche Laufbahn beeinflussen würde.

    Meine Mainzer Studienfreund*innen machten mir zum Abschied das einzige Geschenk, das für dieses Unterfangen in Frage kommen sollte: Eine Kopie des Einen Rings, den ich höchstpersönlich in den Schicksalsberg (der richtige Name ist natürlich Mount Ngauruhoe) im Tongariro National Park auf der Nordinsel Neuseelands schmeißen wollte. Dass das nicht so einfach ist, hatte ich bis dahin doch eigentlich schon um die 20 Mal bei Frodo gesehen. Aber dazu später mehr...

    So ging schließlich mein Flug nach Neuseeland und ein paar der besten Monate meines Lebens sollten beginnen. An nahezu jedem freien Wochenende machte ich kleine Kurztrips von Dunedin aus über die Südinsel verteilt, besuchte den Fiordland National Park, Christchurch und Canterbury, die Westküste und Queenstown mit den südlichen Alpen.

    Bei all diesen Trips schwang „Der Herr der Ringe” immer mit und so buchte ich so manche Touren, die mich an die abgelegensten Orte des Landes bringen sollten, nur weil sie als Drehorte für die Trilogie von Peter Jackson dienten. Highlights dessen waren der nördliche Teil Queenstowns, der als Kulisse für Sarumans Turm Modell stand, wie auch der abgelegene Drehort der Rohan-Hauptstadt Edoras in Canterbury bei Christchurch, wo man auch die Kulisse von Helms Klamm in der Ferne sah.

    Joana Müller
    Auf den Spuren von "Der Herr der Ringe" in Neuseeland

    Dazu erzählten mir Neuseeländer*innen davon, wie die Dreharbeiten damals das ganze Land vereinnahmt hatten und nahezu jede Einwohner*in von Queenstown und Wellington als Kompars*in oder Crewmitglied an der Trilogie mitwirkte. Das alles war Musik in meinen Ohren und inspirierte mich dazu, später mal selbst an einem Filmset stehen zu wollen.

    Nachdem mein Semester an der Uni vorbei war, nahm ich mir noch einen Monat ausgiebig Zeit, um den Norden der Südinsel und die Nordinsel Neuseelands zu erkunden. Denn im Norden warteten unter anderem noch drei absolute „Herr der Ringe”-Must-Sees auf mich: die WETA Special Effects Studios in Wellington, Hobbingen und das Auenland, wie auch der berühmt-berüchtigte Tongariro National Park aka Mordor mit dem Schicksalsberg, wo ich auf Frodos Spuren wandelnd den Ring reinwerfen wollte.

    Mordor im tiefsten Winter?

    Mein Ziel rückte Woche für Woche näher und ich mietete mich schließlich in einem Hostel in Taupo ein, von wo aus ich das große Unterfangen „Mordor” starten wollte. Dass mir eine Sache jedoch einen Strich durch meine jahrelange Planung machen könnte, habe ich in all der Zeit nicht bedacht. Dabei hatten sie mich im Wanderverein der Uni Dunedin doch ausgiebig gewarnt, dass es nur eine Sache gibt, die einem in Neuseeland wirklich gefährlich werden kann: und zwar das Wetter. Und so sollte es auch an dem Ort sein, der für Mordor als Double hergehalten hatte. Denn dort lagen circa 20 Zentimeter Schnee und Eis und es gab Sturmwarnungen – schließlich war es Mitte Juli und das ist in Neuseeland tiefster Winter.

    Jetzt hatte ich also schon den Ring im Gepäck und war schon in Neuseeland, nur wenige Kilometer vom Tongariro Nationalpark entfernt – und konnte trotzdem nicht dorthin?! So leichtsinnig dieser Gedanke auch war, wollte ich mein neunjähriges Ich auf keinen Fall so hängen lassen. Also suchte ich nach dem letzten Strohhalm, der sich mir irgendwie bot – und fand eine geführte Tagestour zum Mount Ngauruhoe mit Eisäxten, Schneeanzügen, Helmen, Spikes und circa zehn ähnlich verrückten und lebensmüden Filmnerds, deren Traum es war, die karge Vulkanlandschaft einmal live zu sehen, selbst wenn diese von Schnee bedeckt sein sollte.

    Joana Müller
    Der eingeschneite Mount Ngauruhoe

    Der Bus zum Park ging am nächsten Morgen so gegen 5 Uhr. Im Stockdunkeln packte ich also meine dicksten Klamotten, den Ring und meine Kamera ein, und kam vorfreudig an einer kleinen Base an, wo auch schon meine Mitstreiter*innen und unser Tourguide auf mich warteten. Dann gab es eine Einführung, wie wir mit einer Eisaxt umgehen sollten, wie wir die Spikes unter unsere Schuhe klemmten und wann man sich am Seil der Vorderperson festhalten sollte. Und dann ging es auch schon los.

    Zunächst durch die kilometerlange flache Landschaft um den Berg herum, die noch vom schwarzen Vulkanstein gezeichnet und nur wenig von Schnee bedeckt war. Hier konnten wir uns gemütlich mit der Umgebung vertraut machen und mussten auch unsere Ausrüstung noch nicht herausholen. Diese kam erst zum Einsatz, als wir uns dem Berg weiter näherten, der selbst mit seinem puderweißen Überzug durch seine markante Kegelform eindeutig als der Schicksalsberg aus „Der Herr der Ringe” zu erkennen war. Schon bald kamen die ersten Steigungen, die schneebedeckt und vereist waren und schließlich auch das schwere Equipment nötig machten.

    Fast so krass wie Frodo

    Unser Guide gab uns dabei schnell die Einschätzung, dass wir nur so weit gehen würden, wie es das Wetter erlauben würde. Ohne Schnee und Eis kann man normalerweise ein ganzes Stück durch den Nationalpark laufen und dabei mehrere Vulkanseen passieren – bezeichnet als Tongariro Crossing. So weit sollten wir es unter den Bedingungen aber lange nicht schaffen, auch wenn der prophezeite Sturm ausblieb und uns später sogar noch Sonnenschein erwartete. Wegen der vereisten Wege mussten wir dennoch umdrehen, nachdem wir den Fuß des Mount Ngauruhoe erreicht hatten. Es wurde also nichts mit meiner epischen Schicksalsbergbesteigung, denn eigentlich wollte ich den Ring ja ganz oben in die Vulkanöffnung schmeißen.

    Also blieb mir nichts anderes übrig, als den Ring genaugenommen einfach nur auf den Berg, anstatt in den Berg zu werfen, auch wenn es anders geplant war. Aber so ganz nach Plan lief die Reise ja auch bei den Gefährten nicht. Und ich musste mir ja immerhin keine Gedanken machen, ob meine Tat für die Vernichtung des Rings gereicht hätte oder nicht, schließlich galt es bei meiner Mission ja zum Glück nicht, Sauron zu besiegen.

    Ich habe mich nach diesem lebensmüden Ausflug jedenfalls ein bisschen so gefühlt wie Frodo, auch wenn ich den stundenlangen Rückweg wieder zu Fuß antreten musste, anstatt von ein paar Adlern mitgenommen zu werden.

    Joana Müller
    Der Ring am Fuß des Schicksalsbergs

    Darum hat diese Erfahrung meine Sicht aufs Filmemachen verändert

    Ich schaue die „Herr der Ringe”-Trilogie bis heute fast jedes Jahr und heule jedes Mal drauf los, wenn ich die Drehorte sehe, die ich damals selbst besucht habe. Die Arbeit, die die Location Scouts in die Auswahl der Motive gesteckt haben; die Arbeit, die es gewesen sein musste, Genehmigungen für diese streng geschützten Nationalparks zu bekommen, RIESIGE Filmteams an die Orte zu bringen und daraus schließlich eine ganz eigene Welt zu erschaffen...

    In Neuseeland habe ich den tiefsten Respekt vor dem Filmemachen gewonnen, den ich erst noch mehr verstanden habe, als ich ein paar Jahre später selbst mal am Set eines Hollywood-Blockbusters arbeiten sollte. Seit meiner Reise zum Schicksalsberg im Jahr 2016 sehe ich jedenfalls nicht nur die „Herr der Ringe”-Trilogie, sondern auch jeden anderen Film mit ganz anderen Augen.

    Zum Glück wurde diese Szene aus "Herr der Ringe" entfernt, denn sie hätte das Finale völlig kaputtgemacht!

    Anmerkung: Ich bin mir absolut bewusst darüber, dass die Wanderung bei den Wetterbedingungen durch den Tongariro National Park sehr gefährlich war. Daher würde ich das niemandem so leichtsinnig weiterempfehlen und mich heute wahrscheinlich auch nicht mehr dafür entscheiden, diese Tour zu machen, denn Bergretter*innen haben jedes Jahr schon genug damit zu tun, verrückte Tourist*innen von irgendwelchen „Herr der Ringe”-Locations zu bergen. Auch würde ich dringend davon abraten, bei solchen Wetterbedingungen auf eigene Faust loszuwandern. Wenn man es überhaupt macht, dann unbedingt nur als geführte Tour. Auch sollten die offiziellen Wege nicht verlassen werden, da nicht nur ihr selbst, sondern auch die landeseigenen Biosphären tiefen Schaden davontragen können.

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