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    "Unter 28 Grad kommt es zum Herzstillstand": Ein Arzt hilft, den Netflix-Hit "Die Schneegesellschaft" besser zu verstehen
    Stefan Geisler
    Stefan Geisler
    -Redakteur
    Stefan liebt Film. Er vermisst die wöchentlichen Besuche in der Videothek, denn das ziellose Umherirren in den Gängen hat ihm Seherfahrungen wie "Donnie Darko" oder "Fear and Loathing in Las Vegas" beschert.

    „Die Schneegesellschaft“ ist ein Drama über den schier unglaublichen Überlebenskampf einer uruguayischen Rugby-Mannschaft in den Anden. Nach der Sichtung des Films bleiben jedoch einige medizinische Fragen offen - die ein Arzt jetzt beantwortet.

    Netflix

    Der von Juan Antonio Bayona inszenierte Film „Die Schneegesellschaft“ ist aktuell die erfolgreichste internationale Produktion auf Netflix. Das Drama schildert den Leidensweg einer 1972 in den Anden abgestürzten Rugby-Mannschaft aus Urugay. Um größtmöglichen Realismus zu gewährleisten, wurde der Film mit Hilfe der 16 Überlebenden konzipiert. In Hunderten von Stunden aufgezeichneter Interviews teilten sie ihre Erinnerungen, damit das Dargestellte so wahrheitsgetreu wie möglich sein kann.

    Dennoch drängen sich viele Fragen auf – auch medizinischer Natur. Für unsere Schwesterseite AlloCiné hat Dr. Waël Houhou, seines Zeichens Notfallarzt und Mitbegründer der Soins Rando Survie, einem Unternehmen, das medizinische Schulungen für Wanderer und Überlebenskünstler anbietet, einige der offenen Fragen beantwortet, die viele Zuschauer*innen nach der Sichtung des Überlebensdramas umgetrieben haben.

    Wie lange kann ein Körper ohne Nahrung überleben?

    Der andauernde Mangel an Nahrung ist eines der prägenden Elemente des Films – letztlich sind die Überlebenden sogar gezwungen, ihre beim Flugzeugunglück ums Leben gekommenen Freunde zu verzehren, um nicht selber vor Hunger umzukommen. Doch wie lange kann ein Körper eigentlich ohne Essen auskommen? Dr. Waël Houhou dazu:

    Wir können drei Wochen ohne Essen und drei Tage ohne Trinken auskommen. Nach mehr als zehn Tagen wird sich der Körper je nach unseren Körperreserven selbst verwalten. Das heißt, wir werden das am wenigsten Wichtige verdauen, um das, was wir am dringendsten brauchen, am Leben zu halten. Wir werden Zucker, Fett und dann alles, was Muskeln hat, angreifen. Dies wird als Muskelschwund bezeichnet.

    Menschen mit Unterernährung haben kein Fett und keine Muskeln mehr, weil der Körper die Muskeln verdauen wird, um die wichtigsten Organe, nämlich Herz und Gehirn, zu versorgen. Wenn dies über einen längeren Zeitraum geschieht, kommt es zu extremer Autophagie. Der Körper wird also seine eigenen, kurzfristig nicht lebensnotwendigen Organe verdauen. Beispielsweise können die Leber oder die Bauchspeicheldrüse aufgefressen werden, um das Gehirn, das Hauptorgan des Körpers, weiterhin mit Energie zu versorgen.“

    Ab wann wird Kälte lebensbedrohlich?

    Besonders grausam gestalten sich im Film die Nächte für die Überlebenden. Die durchdringende Kälte, die den Protagonisten hier in die Knochen kriecht, lässt das Publikum selbst in der warmen Geborgenheit der eigenen vier Wände frösteln. In einigen Szenen scheinen sich die Menschen regelrecht in lebendige Eiszapfen zu verwandeln. Da stellt sich natürlich die Frage, ab wann denn Kälte eigentlich lebensbedrohlich wird. Auch darauf hat Dr. Waël Houhou eine klare Antwort:

    „Wenn der Körper unter 28 Grad liegt. Zwischen 32 und 28 Grad haben wir nicht mehr die Energie und die Verbindungen zu den Muskeln, die wir brauchen, also hören wir auf zu frösteln. Unter 28 Grad kommt es zum Herzstillstand. Ab 32 Grad kommt der Körper zum Stillstand. Wir atmen langsamer, alles nimmt ab. Die Herzfrequenz fällt unter 60 Schläge pro Minute, wir werden alle 6, 7 Sekunden einmal atmen. Dies hat einen Namen: Bradykardie. Danach fallen wir ins Koma und es kommt zu einem Herzstillstand.“

    Warum ist in einer Szene der Urin braun?

    In einer besonders einprägsamen Szene uriniert einer der Protagonisten in den Schnee. Doch statt eine gelbe Spur zu hinterlassen, färbt er diesen tiefbraun. Was bedeutet das? Auch das kann der Notfall-Mediziner erklären:

    „Der Urin wird immer konzentrierter, wenn ein Fall von Dehydrierung vorliegt. Der Urin kommt aus der Niere, die das Blut filtert. Das Blut fließt kontinuierlich durch die Niere. Wenn wir dehydrieren, sagt sich die Niere, dass sie so viel Wasser wie möglich behalten muss, also setzt sie sehr wenig Urin ab. Aber der Körper produziert trotzdem Abfallprodukte, vor allem Harnstoff und Bilirubin, die Abbauprodukte des Blutes sind. [...] Wenn du also nicht trinkst, muss es dir trotzdem gelingen, diese Abfallprodukte auszuscheiden, weshalb der Urin konzentrierter wird und eine dunklere Farbe haben kann.

    Wer „Die Schneegesellschaft“ noch nicht gesehen hat und sich nach dem Artikel einen Eindruck von dem Drama machen möchte, kann sich hier den Trailer anschauen:

    Hinweis: Ein ähnlicher Artikel wurde bereits auf unserer Schwesterseite allocine.fr veröffentlicht.

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