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    Der FILMSTARTS-Familientipp zum Wochenende: "Die Legende von Prinzessin Kaguya"

    In seiner 14-täglichen FILMSTARTS-Kolumne macht Rochus Wolff Vorschläge für den nächsten Familien-Filmabend - und zwar nicht nur aus der Perspektive eines Filmkritikers, sondern vor allem auch mit seiner Erfahrung als zweifacher Familienvater.

    Das Glück in den Pinselstrichen

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    Draußen wird es langsam wärmer, endlich kommt der Frühling! In unserer Straße leuchten auf einmal die Kirschbäume in hellem Rosa – ein Fest für die Augen und die Nase. Es ist also genau der richtige Zeitpunkt für „Die Legende der Prinzessin Kaguya“, denn eine Szene des Anime-Märchens bleibt beim Zuschauer besonders kleben: Nach langer Zeit, in der sie wie eingesperrt in einem Palast zubrachte, geht Prinzessin Kaguya erstmals wieder nach draußen, und zwar ganz bewusst, um die Kirschblüte zu erleben. Aber neben den Kirschbäumen, die ja auch vor unserem Haus stehen, gibt es auch eine Menge zu entdecken, das so ganz anders ist, als wir es gewohnt sind. Denn westliche Erzähltraditionen interessieren den legendären Regisseur Isao Takahatas („Die letzten Glühwürmchen“) nicht besonders.

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    Die Geschichte des Films geht auf die älteste romantische Erzählung Japans zurück. Die zunächst noch Takenoko (Bambussprössling) genannte Kaguya wird von ihrem Ziehvater Okina in einem Bambushain gefunden. Von Anfang an ist klar: Sie ist nicht wie von dieser Welt. Okina und seine Frau Ōna nehmen sie bei sich auf und ziehen sie groß. Weil der Bambushain aber – offenbar als Geschenk für Kaguya – plötzlich Gold und andere wertvolle Stoffe hervorbringt, schließt Okina, dass seiner Ziehtochter offenbar eine Zukunft als Adelige in der Hauptstadt zugedacht sein muss. Hier macht der Film einen harten Schnitt zum Leben in der Stadt, wo Kaguya von einer eigens eingestellten Hofdame unterrichtet, zugerichtet und diszipliniert wird. Für kleine Kinder taugt das schon alles nicht mehr – eher für größere, die kein Problem damit haben, in eine ganz eigene Welt mit unbekannten archaischen Regeln und Gebräuchen einzutauchen.

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    Zugleich fächert Takahata eine wunderbare Bilderwelt auf. Der Film ist - heutzutage leider eine echte Seltenheit - komplett handgezeichnet; mit klaren Linien, aber auch vielen Auslassungen für die eigene Phantasie. Die Striche verändern ihre Größe, Dynamik und Art mit den Bewegungen der Figuren. Aus Bleistiftlinien werden wilde Pinselschwünge. Schöner, bewegter, beglückender kann Zeichentrick nicht sein.

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    Die Edelmänner und Prinzen, die um Kaguyas Hand anhalten, kehren schließlich von ihren zum Teil wahren, zum Teil erlogenen Abenteuern zurück. Die Prinzessin aber sucht nach einem Weg, ihre Selbstbestimmung nicht zu verlieren. Da ist der Film aus dem Studio Ghibli ebenso berührend wie modern, wenn die junge Frau darum kämpft, sich in einer klar von Männern dominierten und bestimmten Umwelt zu behaupten. Vom tieftraurig-wunderschönen Ende will ich nichts verraten. Schließlich ist „Die Legende der Prinzessin Kaguya“ ein Film, dessen Zauber und Glück Eltern gemeinsam mit ihren älteren Kindern suchen, finden und erschnuppern sollten: Ein gezeichnetes Epos über das Freiheitsgefühl, das die Kirschblüten bringen, und über den Abschied, den das Mondlicht verheißt.

    Rochus Wolff, Jahrgang 1973, ist freier Journalist und lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern im Grundschulalter in Berlin. Sein Arbeitsschwerpunkt ist der Kinder- und Jugendfilm; seit Januar 2013 hält er in dem von ihm gegründeten Kinderfilmblog nach dem schönen, guten und wahren Kinderkino Ausschau.

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