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    Der FILMSTARTS-Familientipp zum Wochenende: "Vilja und die Räuber"

    In seiner 14-täglichen FILMSTARTS-Kolumne macht Rochus Wolff Vorschläge für den nächsten Familien-Filmabend - und zwar nicht nur aus der Perspektive eines Filmkritikers, sondern vor allem auch mit seiner Erfahrung als zweifacher Familienvater.

    Eine kleine Sommerräuberei

    Farbfilm

    Sommerferien sind jedes Jahr aufs Neue eine verheißungsvolle Zeit für Kinder. Für die kleine Vilja gehen sie jedoch erst einmal schlecht los: Denn statt wie versprochen mit ihr Fahrrad zu fahren, will ihr Vater lieber seine frisch ersteigerte Münzsammlung polieren. Und dann geht es mitsamt fieser Schwester auch schon zur Großmutter – langweiliger können Ferien nicht sein. Doch beim Überfall einer Räuberbande wird Vilja aus dem Auto heraus gekidnappt – zwar eigentlich eher aus Versehen, weil sie zufällig über die Rückenlehne in den Kofferraum gefallen war, aber wo sie schon mal da ist, behalten die Räuber sie eben. Als Freundin für den kleinen Kalle und seine Schwester Hele, aber auch, weil sie ein paar ordentliche Verbrechen auf dem Kerbholz brauchen, um bei den anstehenden Piralympics (dem Wettstreit der Piraten) eine Chance zu haben…

    Farbfilm

    In dem finnischen Kinderfilm „Vilja und die Räuber“ sind die Räuber gar nicht böse, sondern vor allem anders – ein wenig aus der Welt gefallen, sie können nicht einmal lesen oder schreiben. Geld interessiert sie nicht wirklich, sie verstehen es auch nicht. Stattdessen stehlen sie am liebsten Süßigkeiten, sind aber zu nett, um wirklich ernsthaft jemanden zu bedrohen. Sie leben frei in den Tag hinein und die Welten scheinen anfangs strikt getrennt zu sein: Bei Vilja ist alles hell und wohlfrisiert, die Räuber kommen in Schwarz und Leder daher. Aber in der Geschichte geht es vor allem darum, was die Räuber der braven, Geige spielenden Vilja an Wildheit und Rotzigkeit beibringen können – und sie ihnen im Gegenzug an Zivilisation. Das bringt Rebellion und Bürgerlichkeit auf eine Art zusammen, die gefühlt sehr skandinavisch ist (das ist aber vielleicht auch nur ein bequemes Vorurteil). Auf jeden Fall verhandelt der Film seine Konflikte mit den kindgebliebenen Räubern auf Augenhöhe seiner Zuschauer.

    Farbfilm

    Von der nonkonformen Räuberromantik gibt es gerade so viel, dass das Räuberleben noch interessant bleibt. Aus Sicht eines Erwachsenen wirkt das vielleicht sogar noch spießiger als die pastellfarbenen Klamotten von Viljas Eltern, aber für Kinder signalisiert es die Möglichkeit, aus der kontinuierlichen Fremdbestimmung, der sie jeden Tag unterworfen sind, endlich einmal auszubrechen. Idealerweise, darauf deutet das Ende hin, in einer Synthese aus dem Besten beider Welten: Geige und Geschrei, Lust am Dreck und ordentlich geputztes Fahrrad... Wäre Erziehung nur so einfach wie die Welt in dieser Sommerphantasie!

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    Ein wenig Realitätsbezug hat der Film dann aber doch: Das freie, wilde Leben der Räuberbande ist, da sind sich alle neuen und alten Räuber einig, nur im Sommer richtig schön. Und so verabschiedet sich Vilja am Schluss - geändert, verwildert, aber doch auf dem Weg zu ihren Eltern - mit dem Wunsch, der Winter möge möglichst kurz werden, damit die Räuber nicht zu sehr leiden müssen. Trotzdem gibt ihre neue Freundin Hele ihr und den Zuschauern noch mit auf den Weg: Sei immer ein Räuber!

    In diesen Kinos läuft „Vilja und die Räuber“ am kommenden Wochenende.

    Rochus Wolff, Jahrgang 1973, ist freier Journalist und lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern im Grundschulalter in Berlin. Sein Arbeitsschwerpunkt ist der Kinder- und Jugendfilm; seit Januar 2013 hält er in dem von ihm gegründeten Kinderfilmblog nach dem schönen, guten und wahren Kinderkino Ausschau.

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