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    Die Netflix-Horrorserie "Chilling Adventures Of Sabrina" wird dem riesigen Hype nur teilweise gerecht

    Wir haben die zehn Folgen der ersten Staffel der Comic-Adaption schon vor dem offiziellen Start auf Netflix gesehen: Wir sagen euch, an welchen Stellen der Hype um die Teen-Horror-Serie gerechtfertigt ist. Und an welchen eher nicht...

    Diyah Pera / Netflix

    In den 1990er Jahren haben die Verantwortlichen in Hollywood zwar langsam erkannt, welches finanzielle Potential in der Verfilmung von Comics steckt. Aber über den Weg getraut haben sie den bebilderten Heftchen trotzdem nicht! Stattdessen wurden in den allermeisten Fällen nur die ganz groben Storys aus den Comics übernommen. So sind dann Filme oder Serien entstanden, die lediglich den Namen der Vorlage tragen, aber darüber hinaus einfach stur einem erprobten Konzept folgen: So ist die von 1996 bis 2003 ausgestrahlte Serie „Sabrina - Total verhext!“ im Kern eine austauschbare Teen-Sitcom, die mit den zugrundeliegenden Archie-Comics (auch wenn diese damals ebenfalls noch heiterer ausfielen) eigentlich kaum noch was gemein hat.

    20 Jahre und 20 MCU-Filme später sieht die Welt natürlich schon ganz anders aus. Comic is King! Und nachdem „Riverdale“, dessen dritte Staffel gerade auf Netflix erschienen ist, die Archie-Comics wieder salonfähig gemacht hat, folgt mit „Chilling Adventures Of Sabrina“ nun eine im selben Serien-Universum angesiedelte Adaption der gleichnamigen Comic-Reihe, mit der 2014 auch die Vorlagen eine düsterere Richtung eingeschlagen haben. Die Neuauflage erweist sich dabei als das genaue Gegenteil der 90er-Sitcom: „Chilling Adventures Of Sabrina“ ist „Harry Potter“ trifft „Buffy - Im Bann der Dämonen“ mit einem erstaunlich blutigen Schuss pulpigem Gothic-Horror.

    Da verwundert es gar nicht, dass die ersten Kritiken ziemlich überschwänglich ausgefallen sind. Und das hat den eh schon immensen Hype um die Serie zuletzt noch einmal zusätzlich befeuert. Aber so ein sich häufig auch verselbstständigender Hype birgt natürlich immer auch die Gefahr, am Ende enttäuscht zu werden. Um die Erwartungen wieder auf ein reales Maß zurechtzurücken, gibt es deshalb an dieser Stelle pünktlich zum Start der Serie noch einmal einen Reality Check: Wie gut ist die erste Staffel von „Chilling Adventures Of Sabrina“ also wirklich?

    Ist das spannend?

    Zu lange zu selten!

    Die ersten zwei Folgen steuert noch alles auf Sabrinas Satanische Taufe zu. Bei dem Ritual soll sie als Hexe dem Dunklen Lord ihre ewige Treue schwören und sich mit ihrem Blut in sein Buch eintragen. Das ist ein starker Anfang, da ist man direkt mittendrin im Geschehen. Gut so, gerade wo andere Netflix-Serien ja zum Auftakt ja auch gerne erst mal eine Weile rumtrödeln. Aber irgendwann hat man das dramaturgische Konzept durchschaut: Am Ende jeder Folge schwellt noch einmal schnell ein Cliffhanger hoch, der dann aber oft schon direkt am Anfang der nächsten Episode aufgelöst wird (und manchmal auch einfach weitestgehend wirkungslos verpufft). Alles ist ganz wichtig und ganz düster, aber nichts entfaltet eine anhaltende Wirkung.

    Hat man diese Folgenlosigkeit erst einmal durchschaut, fehlt der Serie im Mittelteil der ersten Staffel einfach der nötige Zug. Zu viel wiederholt sich unter anderen Vorzeichen. Das ändert sich aber zum Glück gegen Ende der Staffel. Die finalen zwei bis drei Episoden steuern tatsächlich auf einen Höhepunkt zu, der mehr Gewicht zu haben scheint, auch für die Zukunft der Serie. Es kann natürlich sein, dass „Chilling Adventures Of Sabrina“ jetzt einfach staffelübergreifend dasselbe Spiel wie in den ersten Episoden spielt und der Cliffhanger einfach direkt zu Beginn der zweiten Season zur Seite gewischt wird. Aber wir sind jetzt erst mal guter Hoffnung.

    Ist das politisch (zu) korrekt?

    Ja und nein!

    Wer sich jetzt generell darüber aufregt, dass Entertainment auch politisch ist, dem können wir auch nicht helfen. Ihr mögt glauben, dass das früher anders war, dem ist aber nicht so. „Buffy - Im Bann der Dämonen“ ist etwa eine hochgradig und ganz offen politische Serie – und das hat ihr in den 90ern nicht nur eine ungeheure Relevanz verliehen, es ist auch einer der hauptsächlichen Gründe, warum die Serie so verdammt gut ist.

    Aber in den ersten Folgen von „Chilling Adventures Of Sabrina“ droht die politische Komponente immer wieder zur bloßen Masche zu verkommen. In dem ganzen Handlungsstrang um die Satanische Taufe geht es im Kern natürlich auch um Sabrinas Selbstbestimmung: Will sie wirklich schon mit 16 Jahren einem Mann Ergebenheit und Treue schwören. Das funktioniert gut, denn es wird über die ersten zwei Folgen hinweg stimmig vorbereitet – und spielt auch im Rest der Staffel immer wieder eine zentrale Rolle. Sowieso hat die Idee eines Hexenzirkels ja an sich etwas immanent Feministisches. Das passt also auch.

    Aber in den nächsten Folgen werden weitere ähnlich gelagerte Fässer aufgemacht: Es kommt zur Gründung eines Frauenclubs gegen die sexuell übergriffigen Bullys in der Schule. Es wird eine Kampagne gegen das Verbot von „anstößigen“ Büchern in der Bibliothek gestartet. Es wird ein Erlass gegen potentiell gefährliche Internats-Aufnahmerituale angestrebt. Et cetera. Nur wirken diese Nebenhandlungsstränge weit weniger stimmig ausgearbeitet. Statt einem „Monster der Woche“ gibt es vielmehr ein „Thema der Woche“. Das hätte man durchaus alles machen können. Aber dann hätte man den einzelnen Themen mehr Zeit einräumen sollen. So wirkt es zu oft wie ein Mittel zum Zweck.

    Auch das ändert sich übrigens in der zweiten Hälfte, wo die politische Korrektheit zunehmend gleich ganz über Bord geworfen wird. Aber das hat hauptsächlich mit der Figur von Sabrina selbst zu tun...

    Wie ist Kiernan Shipka als Sabrina?

    Großartig, weil undurchschaubar!

    Die inzwischen 18-jährige Schauspielerin ist als Sally Draper in „Mad Men“ berühmt geworden. Schon als Serien-Tochter von Kult-Werbefuzzi Don Draper fiel sie besonders durch eine immer leicht stoische, nur ganz schwer einzuordnende Mimik auf, die ihre natürliche Niedlichkeit wunderbar konterkariert. Für eine Serie wie „Mad Men“, in der es praktisch keinen uneingeschränkten Sympathieträger geben soll, passt das natürlich perfekt. Aber für eine Teenie-Serie wie „Chilling Adventures Of Sabrina“? Für uns stand da in dieser Hinsicht vorab schon ein großes Fragezeichen!

    Aber die Zweifel waren unbegründet. Kiernan Shipka ist als Teen-Hexe schlicht faszinierend – gerade weil sie so unnahbar und undurchschaubar bleibt. Wenn Sabrina nach der zumindest auf der Plotebene leicht süßlichen ersten Staffelhälfte in den finalen Folgen [VORSICHT, Spoiler!] plötzlich Menschenopfer bringt und einer Mitschülerin eiskalt die Kehle durchschneidet, dann wirkt das gar nicht wie ein krasser Bruch in ihrem Charakter [Spoiler ENDE]. Vielmehr ist diese Ambivalenz von Anfang an in Shipkas Performance angelegt. Wobei Sabrina durchaus auch schon in einer der ersten Episoden sagt: „Wenn du noch einmal was über meine Mutter oder meinen Vater sagst, dann lass ich dich an deinem eigenen Blut ersticken.“

    Fazit: Wir freuen uns trotzdem auf die 2. Staffel!

    Eigentlich ist das von den Machern gar nicht mal so dumm. Weil die Serie erst in den letzten zwei Folgen der ersten Staffel so richtig anzieht, freut man sich trotzdem auf die bereits bestätigte Fortsetzung, obwohl die Serie in den zehn Auftaktfolgen zwischendurch auch immer mal wieder anständig durchhängt. Am Ende überwiegen aber die positiven Elemente: Die Macher trauen sich was. Und das nicht nur bei den erstaunlich blutigen und brutalen Horroreinschüben. Sabrina wandelt sich nach einem politisch überkorrekten Auftakt zu einer spannenden, ambivalenten (Anti-)Heldin. Und einige der Nebenfiguren haben echt Potential, selbst wenn dieses in der ersten Staffel noch bei keiner einzigen von ihnen auch nur annähernd ausgeschöpft wird.

    Die zehn Folgen der ersten Staffel „Chilling Adventures Of Sabrina“ sind ab sofort auf Netflix verfügbar.

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