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    Nach Disqualifikation von Netflix-Film: Erster Shitstorm gegen die Oscars 2020

    Die für die Oscars zuständige Academy hat entschieden, dass die Netflix-Produktion „Lionheart“ nicht für Nigeria bei den Oscars in der Kategorie „Bester internationaler Film“ antreten darf. In den Sozialen Medien wird das mit Entsetzen aufgenommen.

    Netflix

    Von 1957 bis 2019 wurde bei den Oscars auch immer der „Beste fremdsprachige Film“ gekürt. Nun heißt die Kategorie anders: 2020 wird erstmals der „Beste internationale Film“ bestimmt. Doch die strengen Regeln bleiben: Jedes Land der Welt kann einen eigenen Beitrag nominieren, die Academy entscheidet dann aber noch, welche zugelassen werden. Und man disqualifiziert trotz der Namensänderung immer noch vor allem Beiträge, in denen zu viel Englisch gesprochen wird.

    Mit dieser Begründung wurde nun auch „Lionheart“ nachträglich für die Verleihung 2020 disqualifiziert, nachdem er zuerst zugelassen war. Der von Netflix vertriebene (auf der Streamingplattform läuft er auch in Deutschland) Film biete nur rund zwölf Minuten Dialog in der vor allem im Südosten Nigerias verbreiteten Sprache Igbo. Der Rest ist in Englisch. Genau diese Begründung bringt nun zahlreiche Filmschaffende auf die Palme.

    Kolonialismus-Vergangenheit schließt Nigeria von den Oscars aus?

    Die Journalistin Samira Sawlani verweist so darauf, dass man in Nigeria nun einmal Englisch spreche – aufgrund der Vergangenheit des Landes. Dieses wurde von den Briten kolonialisiert, diese führten Englisch als offizielle Sprache ein:

    Auch ihre Kollegin Ivie Ani verweist darauf, dass mit der Oscar-Entscheidung der Kolonialismus quasi weiter existiere:

    Die Schlussfolgerung ist: In Nigeria wird Englisch gesprochen, also wird natürlich auch in den Filmen hauptsächlich Englisch gesprochen. Doch damit hat Nigeria niemals eine Chance bei den Oscars.

    Genau das moniert auch Regisseurin Ava DuVernay („Selma“), die bei Twitter die Entscheidung harsch kritisiert:

    "International" nicht "fremdsprachig"

    Der Ärger ist verständlich, denn das Argument wirkt gerade angesichts der Namensänderung absurd. Bisher war das Nicht-Englisch-Dogma der Academy auf den ersten Blick erkennbar, ging es doch um den „Besten fremdsprachigen Film“. Doch gerade mit einer Änderung in „Bester Internationaler Film“ verabschiedet man sich doch eigentlich von diesem Dogma.

    Deswegen hat Nigeria auch das erste Mal nun überhaupt einen Film für den sogenannten Auslands-Oscar eingereicht – was für sich schon bemerkenswert ist. Denn Nigeria ist immerhin eines der größten Filmproduktionsländer der Welt. Dort werden im Jahr mehr Filme produziert als in den USA.

    So ist auch die Enttäuschung von Regisseurin Genevieve Nnaji verständlich, die auch noch einmal darauf verweist, wie wichtig die englische Sprache mittlerweile in Nigeria ist und erklärt, dass ihr Film nun einmal zeigt, wie Nigerianer sprechen.

    Die Gründe für die starren Regeln

    Auf den ersten Blick scheint die Entscheidung ungerecht, man muss aber auch anmerken, dass die Regel, dass die überwiegende Sprache des Films nicht Englisch sein darf (was in der Vergangenheit sogar dazu geführt hat, dass mit der Stoppuhr gecheckt wurde), einen sinnigen Hintergrund hat.

    Es geht der Academy mit der Auslands-Oscar-Kategorie schließlich darum, besondere Filme auszuzeichnen, die bei dem amerikanischen (!) Filmpreis (dass der Oscar ein solcher ist, wird gerne vergessen) sonst keine Chance haben, weil das Gros der US-Kinogänger eben englische Filme schaut. Und die Sprachbarriere einfach abzuschaffen, würde womöglich dafür sorgen, dass in den nächsten Jahren einfach britische Großproduktionen in dieser Kategorie abräumen. Andererseits ist ein Film aus Afrika eigentlich genau so eine Produktion, wegen der die Kategorie überhaupt existiert.

    Wie die Hollywood-Branchenmagazine berichten, hat die Entscheidung allerdings noch einen Beigeschmack. Die Disqualifikation der Academy erfolgte nun, bevor sich das für die Kategorie „Bester internationaler Film“ zuständige Komitee überhaupt mit dem Film befasst hat. Sprich: „Lionheart“ wurde von den Verantwortlichen gar nicht geschaut.

    Regeln müssen geändert werden

    Nach vielen Debatten um die Oscars in den vergangenen Jahren ist die Academy nun mit dem ersten Shitstorm für 2020 konfrontiert. Denn kaum jemand dürfte verstehen, warum der Kategorie mit einem neuen Namen nicht auch ein neuer Anstrich verpasst wurde, wenn die starren, als antiquiert betrachteten Regeln behalten werden.

    Wir prophezeien schon einmal: Das Beispiel „Lionheart“ wird eine Debatte eröffnen, die dazu führen wird, dass Regeln geändert werden - auch wenn das vielleicht nicht ganz einfach ist, wie der Verweis auf britische Filme zeigt. Für „Lionheart“ dürfte das aber zu spät kommen.

    Etwas Oscar-Hoffnung gibt es für das nigerianische Drama übrigens noch. Auch wenn „Lionheart“ für die Kategorie „Bester internationaler Film“ disqualifiziert wurde, kann es theoretisch in anderen Kategorien von den Wählern nominiert werden. Allerdings sind da die Chancen von kleinen ausländischen Filmen viel, viel geringer, weil sie die meisten Wähler erst gar nicht gesehen haben. Deswegen gibt es für den Besten internationalen Film ja auch ein Komitee, welches die Beiträge alle sichtet.

     

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