Vorneweg – diese Kritik beinhaltet viele Spoiler, daher wenn möglich erst nach dem Film lesen! Anscheinend ist Batman so komplex, dass alle bisherigen Regisseure, seine psychische Analyse nicht ganz unfreiwillig umgangen haben. Mit Nolan hat sich das geändert. Batman Begins beschäftigt sich mit Bruce Wayne, der versucht sein Trauma mithilfe einer Maske zu bekämpfen. Er erlegt sich selbst den Zwang auf, dass sein Trauma, niemals wieder irgendeinem Menschen passieren soll. Bruce ordnet diesem Ziel alles unter – auch seine Mitmenschen und sein eigenes Leben. TDK zeigt, was er damit erreicht hat und wirft ihn an den Abgrund zwischen Rache und Gerechtigkeit. Batmans Taten verschwimmen, in dem er zu drastischeren Methoden greift (zB. Überwachung) um seine sadistischen und menschenverachtenden Feinde aufzuhalten. Nolan lässt hier sogar die Frage offen, ob letztendlich Bruces Ausbruch in Gestalt von Batman der Auslöser für die Existenz von Menschen wie dem Joker ist, der den Terror geradezu personifiziert.
In seinem letzten Werk geht Nolan einen konsequenten Schritt weiter. Er zeigt einen Bruce Wayne, der sich durch seine Zwänge selbst gebrochen hat. Die Maske die er erschaffen hat, im Glauben damit sein Trauma zu überwinden, hat ihm alles genommen. Seine Liebe und Hoffnung im Leben. Bruce ist dorthin zurückgekehrt, wo er nach dem Tod seiner Eltern schon einmal war. Dieser Zustand gipfelt im Aufeinandertreffen mit Bane. Einem Menschen, der ähnlich wie Bruce, all sein Handeln und Denken einem Ziel unterwirft. Und wie Bane und seine Mitstreiter denken, zeigt sich in einer der ersten Filmeinmstellungen:
Einer der Gefolgsleute von Bane versucht das abstürzende Flugzeug zu verlassen. Bane fordert ihn jedoch auf, sitzen zu bleiben und sich zu opfern um den Flugzeugabsturz glaubwürdig zu machen. Der Mann will nur noch wissen ob die Operation erfolgreich war und ergibt sich wiederstandslos seinem Schicksal.
Nolan bezieht sich ständig auf geschehene und gegenwärtige Ereignisse. Er greift den Geist der Occupy-Bewegung auf, streift Elemente des Stalinismus und durchzieht sein Werk mit gesellschaftlicher Kritik: Das alles ist nicht nur loses Beiwerk, sondern im Gegenteil sogar essentieller Bestandteil des Filmes. Rises zeigt eine dekadente Gesellschaft. Eine Welt der Reichen, die nicht pleite gehen können, deren Macht über Staaten und Politik erhaben ist. Genau das ist Banes Begründung für sein Handeln. Er will die Revolution, mit dem Sturm auf die Bastille. Die Herrschaft der Reichen beenden. Er sagt an einer Stelle:
„ Wir sind nicht gekommen um zu erobern, sondern um zu befreien“
Ein Zitat eines amerikanischen Generals vor dem Einmarsch in den Irak. Vom Revolutionär entpuppt sich Bane jedoch zum Stalinisten, der seine Gegner skrupellos beseitigt in dem er sie tötet
oder in das Exil verbannt – Tot durch den Gang über ein Eisfeld, stellvertretend für den eisigen sibirischen Norden. Nolan drückt ihm sogar einen Zünder in die Hand zum sprengen der sog. „zivilisierten Welt“ wie Bane sie nennt.
Er schürt die Angst vor dem Nuklearschlag, die wir gerade hier in Deutschland durch den Kalten Krieg kennen gelernt haben.
Batman dagegen ist ein Spiegelbild für die „zivilisierte Welt“, für Amerika, das in sich zerrissen ist und mit fragwürdigen und nahezu wirkungslosen Methoden verzweifelt gegen den Terror aufzubegehren versucht. Um Bane zu schlagen und seine vernichtende Mission aufzuhalten, muss Bruce über sich hinaus wachsen. Den Schlüssel dazu findet er in ganz menschlichen Dingen, wie zu lernen, den Tod wieder zu fürchten und das Leben zu schätzen. Er muss lernen, dass seine Zwänge ihn nicht kontrollieren. Zum Ende hin geht es genau darum:
um die Reise von Bruce Wayne zurück zur Menschlichkeit, raus aus seinem Gummianzug in dem er immer steckt. Alfred sagt es zu Beginn: „ ... but some men rise from the darkness“
Diese Reise zeigt Nolan auf phänomenale Weise. Er bietet uns sogar vielfache Möglichkeiten der Interpretation, gerade auch in der letzten Einstellung des Filmes. Er zeigt, dass er sein Publikum respektiert und als ebenbürtig ansieht. Genauso smart und clever wie er selbst. Dass gerade durch diese komplexe Art der Geschichtenerzählung und der vielen Querverweise der Film teilweise bleischwer und langatmig empfunden werden kann, ist kein Wunder. Man kann Nolan vorwerfen dass er einfach zu viel sagen wollte mit diesem Film – aber man kann ihm nicht vorwerfen, dass er damit daneben lag.