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    Ein Leben zwischen den Zeiten
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    3,0
    Veröffentlicht am 15. Februar 2021
    VON DER ANGST, ERWACHSEN ZU WERDEN
    von Michael Grünwald / filmgenuss.com

    Alt werden ist die einzige Möglichkeit, länger zu leben, so Johann Nestroy. Dieses Zitat prangt übrigens in metallenen Lettern unübersehbar auf der Fassade des unweit meiner Heimstatt gelegenen Pensionistenheims. Als Zusatz ließe sich noch hinzufügen: Alt werden heißt aber nicht, sich von seinem inneren Kind verabschieden zu müssen. Nur weil man alt aussieht, muss nicht alles vergessen sein, wofür man als Dreikäsehoch geträumt hat. J. M. Barrie, der Autor und Schöpfer von Peter Pan, hat sein Nimmerland als einen Ort gesehen, an dem sich das innere Kind vom eigentlichen Individuum, dass womöglich irgendwo in einer ungreifbaren Zwischenwelt vor sich hin döst, loslösen kann. Peter Pan, der wurde ja niemals mehr alt, es sei denn er würde Nimmerland verlassen und bseinen alten Körper zurückbekommen. Das hat Robin Williams selig unter Steven Spielbergs Regie ja schon erleben müssen. Das erlebt in dieser enorm freien Interpretation des literarischen Stoffes auch das Mädchen Wendy, das über einem von Mama geführten Bahnhofsdiner irgendwo in Florida wohnt und an welcher das Leben in vollen Zügen vorbeirattert. Bis sie eines Nachts jemanden sichtet, der auf den Waggondächern hin- und herläuft. Es ist – wir können es uns denken – ein Junge namens Peter, der Wendy mitnimmt auf eine Insel, auf der – auch das wird bald klar – nimmerländische Zustände herrschen, scheinbar niemand alt wird und die Kids tun und lassen können, was sie wollen. Ein Paradies! Endlich fei von elterlichen Zwängen. Endlich frei von Erziehung. Aber ist das wirklich genau das, wonach Kinder streben wollen?

    Benh Zeitlin, längst berühmt für sein metaphysisches Kinderdrama Beasts of the Southern Wild, geht mit Wendy erneut auf Spurensuche nach den Essenzen juvenilen Selbstbewusstseins, betritt dabei phantasmagorische Gefühlswelten mit versinnbildlichten Kreaturen und stellt Zeit und Raum auf den Kopf. Gedreht auf den Karibikinsel Antigua, Montserrat und Barbados, entlässt der Film sein Publikum in tropische Gefilde und schwelgt in majestätischen Aufnahmen von Montserrats Vulkan Souffrière Hills. Ein bisschen allerdings schwelgt Benh Zeitlin zu viel des Guten – pittoresker Leerlauf entsteht. Das Schwelgen beginnt dabei schon, als das Mädchen im Grunde noch überhaupt keine Sehnsucht nach ihrer Kindheit haben muss, weil sie mittendrin in selbiger steckt. Dennoch lässt Zeitlins Drehbuch besagtes Mädchen Dinge vermissen, die nur ältere vermissen. Schwer lässt sich vorstellen, dass Wendy und ihren beiden Brüdern irgendetwas fehlt, um Kind sein zu dürfen. Dieser Widerspruch sorgt für leichte Dissonanzen. Auch ist die kindliche Kraft der Imagination in diesem Film von zu vielen äußerlichen Faktoren abhängig, lässt diese zerbrechlich erscheinen und nicht so autark wie in jenen Filmen, in denen eine entbehrliche Realität ganze phantastische Welten in den Kindern entfachen kann, wie in Pans Labyrinth, I Kill Giants oder Wo die wilden Kerle wohnen.

    Mit letzterem lässt sich Wendy durchaus vergleichen. Auch Spike Jonzes Verfilmung des Kinderbuchs von Maurice Sendak schwelgt zur Genüge, hat auch eine ähnliche Bildsprache, lässt aber einer verblüffenden Fantasie die Ordnungsgewalt. Benh Zeitlin tut das nicht. Sein Peter Pan-Mythos ist ein Abgesang. Die Fantasie ist keine kindliche Projektion, sondern eine Enklave irgendwo außerhalb, die anderen Gesetzen unterliegt. Der junge Darsteller Yoshua Mack wirkt in seiner Rolle als Anführer der Schar relativ unglücklich wirkender Kinder am verlorensten. Wendy, die bald begreift, dass es ohne Erwachsenwerden nicht geht, bekommt nicht umsonst den Titel für diesen Film zugesprochen. Sie ist die, die irgendwann checkt, wo´s eigentlich lang gehen muss.
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