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    First Reformed
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    3,0
    Veröffentlicht am 14. November 2020
    MÄRTYRER VON HEUTE
    von Michael Grünwald / filmgenuss.com

    So kann es einfach nicht weitergehen. Nicht auf diese Weise. Der Mensch an sich ist die Geißel seines eigenen Planeten, alles richtet er zugrunde. Verkommen bis ins Mark, egoistisch, fahrlässig. Angesichts dieser verheerenden Umstände haben sich Leute wie Travis Bickle aufgerafft, zumindest für eine Nacht ihren Harnisch anzulegen und gegen die Verdammnis zu kämpfen. Bickles Kampf ist in die Filmgeschichte eingegangen: Taxi Driver. Geschrieben hat diese finstere Großstadtballade Paul Schrader – die Zeitschrift cinema lieferte hier in einer ihrer letzten Ausgaben ein spannendes Making Of zum Film. Jahrzehnte später hat Schrader auch Regie geführt – und zwar nicht in einer Neuauflage seines Buches, sondern in einem ganz anderen, aber recht themenverwandten Film, der die Institution Kirche gleich mit ins Gebet nimmt.

    First Reformed ist genauso wenig wie Taxi Driver ein Beitrag für entspanntes Entertainment, um mal die ganze deprimierende Weltlage um sich herum zu vergessen. First Reformed sichtet man, wenn man genau das nicht vergessen will, und vielleicht motiviert genug ist, sich zumindest aus dem Verhalten der Charaktere in diesem Film Inspiration zur Veränderung zu holen. Was kann ich also tun, um dieser prekären Lage Herr zu werden? Resignieren, den Kummer im Alkohol ertränken – oder rausgehen und kämpfen? Ethan Hawke als spät berufener Priester einer ganz speziellen Gemeinde im Osten der USA versucht sich in diesem wirklich wenig erbaulichen Werk an beidem. Und wer Ethan Hawke und sein Oeuvre kennt, wird wissen: der ehemalige Before Sunrise-Star stemmt natürlich auch diese Rolle mit grüblerischer Intensität.

    Hawke verkörpert einen Geistlichen, wirkend in der touristisch nicht uninteressanten Sehenswürdigkeit von Kirche, die als erste reformierte der neuen Welt gilt. Besucher kommen und gehen, lassen sich vom Pastor durch die historischen Highlights führen. Zum Gottesdienst findet sich maximal eine Handvoll Betwilliger ein, der Glaube an eine übergeordnete Entität scheint von gestern zu sein. Zwischen diesen Gottesdiensten trauert der Mann um seinen im Krieg gefallenen Sohn, steht vor den Trümmern einer frühen Ehe und muss auch noch den recht deprimierenden Worten eines Umweltaktivisten lauschen, der die Hoffnung für schlichtweg alles längst aufgegeben hat. Die Folge ist: dieser jemand bringt sich um, zurück bleibt die Ehefrau (Amanda Seyfried) und ein ungeborenes Kind. Dieser Suizidfall lässt den Priester nicht mehr los, er geht den Auslösern dieser Tat nach – uns stößt auf vernichtende Fakten, welche die Sinnhaftigkeit seines Tuns als Seelsorger in Zweifel ziehen.

    Paul Schrader filmt in strengem 4:3-Format, seine Bilder sind düster und schmucklos komponiert, drinnen wie draußen herrscht kalter, verregneter, ein in schmutzigen Farben getauchter Spätherbst. Die Zuversicht spielt in einem anderen Film, auch wenn zwischen Hawke und Seyfried so etwas wie der Versuch einer gegenseitigen Erbauung zu erahnen ist. Letzten Endes ist es fast schon katharischer, finsterer Haunted House-Nihilismus, der einen Ausweg aus allem verspricht, der aber genauso wenig zur Lage der Menschheit beitragen würde wie ein Suizid.

    Taxi Driver hatte hier noch einen Funken ritterlichen Glaubens wie das märchenhafte Befreien einer zur Schlachtbank geführten Prinzessin – in First Reformed dreht Schrader mitunter den Spieß um. Der Zweck heiligt längst nicht mehr die Mittel. Die einzige Medizin bleibt die Liebe. Der Weg, den Schrader bis dorthin geht, führt allerdings durch den Dornwald. Umwege gibt’s keine.
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