„Dogman“ ist das Psychogramm eines Außenseiters, eine stimmige Milieustudie und ein Gangsterdrama. Regie führte der durch „Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra“ bekannt gewordene Regisseur Matteo Garrone.
Wie in der Ouvertüre von Spike Lees Sozialdrama „25 Stunden“ gehören die ersten Filmminuten der mitunter durchaus problematischen Begegnung zwischen Mensch und Hund. Eine Bestie wird gewaschen, ein knurrender Köter, eine gefährliche Töle, die an der Kette gehalten werden muss, damit es kein Unglück gibt. Doch er ist ein wahrer Meister seines Fachs, ein virtuoser Dompteur, er ist all diesen Vierbeinern gewachsen, den Schoßhündchen wie den gefährlichen Doggen und Dobermännern: der Hundesalonbetreiber Marcello, meisterhaft verkörpert von Marcello Fonte.
Etwas schwerer tut sich Marcello hingegen mit Menschen: Seine Frau hat ihn verlassen, seine Tochter, die er zärtlich liebt, kann er nur gelegentlich sehen, doch ein großer Tauchurlaub, nur für die beiden, ist das große Ziel. Wie die Bestien, die der Hundefrisör zu bändigen weiß, hofft er auch die menschlichen Bestien im Zaum halten zu können, mit denen er es in dem heruntergekommenen Stadtrandviertel, in dem er seinen Laden betreibt, zwangsläufig zu tun bekommt.
Doch in dem schwer erziehbaren Rocker Simone, in Deutschland würde man sagen, dem Problem-Rocker, begegnet nun wiederum Marcello seinem Meister: Es ist einfach unmöglich, diesen ungehobelten Klotz am Bein jeder menschlichen Zivilisation zu zivilisieren oder auch nur im Zaum zu halten. Der kriminelle Soziopath und Taugenichts schert sich um keine Regeln um Normen und schon gar nicht um andere Menschen. So macht er sich viele zum Feind, Marcellos Freundschaft aber kann er sich erhalten. Der rettet Simone aus falsch verstandener Loyalität nach einem Konflikt in dem kriminellen Milieu, in das er Marcello mit hineinzieht, sogar das Leben. Doch Simone dankt es ihm schlecht und hat schließlich die fixe Idee, von Marcellos Hundesalon aus durch einen Wanddurchbruch den benachbarten Juwelier zu berauben. Er bringt Marcello damit ins Gefängnis. Denn auch bei der Polizei und vor Gericht stellt Marcello sich immer noch schützend vor Simone. Erst als Marcello entlassen wird, sein Geschäft wiederaufzunehmen versucht und Simone ihm das schuldige Geld aus dem Raub vorenthält, ist das Maß voll: Marcello dreht durch und besinnt sich auf das, was er gelernt hat: bissige Biester zu bändigen …
Das gruselige Finale des Films lässt einem das Blut in den Adern gefrieren, doch es ist ein langer Weg dorthin, zu lang für Fans der italienischen Kult-Serie „Gomorrha“, mit der Matteo Garrone allerdings auch gar nichts zu tun hat. Garrone war der Regisseur des gleichnamigen Spielfilms von 2008, zu dem die Vorlage von Roberto Saviano stammt, der auch Autor der Serie ist. Wer also ein vielschichtiges Mafiadrama erwartet, dem wird bei „Dogman“ einiges fehlen. Die Geschichte könnte als Nebenstrang in der Serie sehr gut funktionieren, als Einzelwerk wirkt sie eindimensional, das Erzähltempo behäbig, der Schauplatz wie eine Theaterkulisse. Geradezu lähmend ist der immer gleiche Blick der unbarmherzigen Kamera auf die schäbigen Fassaden des kleinen Gewerbeviertels in der Nähe eines verdreckten italienischen Strands, den armseligen Ort, an dem Marcello sein dürftiges Dasein fristet. Marcello Fonte allerdings, als ewiger Duckmäuser, als kleiner, charakterloser Mitläufer, der sich eines Tages auf einmal nicht mehr wegduckt, sondern gegen die Unterdrückung und letztlich auch gegen sein eigenes Schicksal aufbegehrt,
ein David aus der Asche gleichsam, der sich zum Bezwinger der Bestie Goliath mausert,
der ist absolut grandios.
Fazit: Die großen Möglichkeiten, die Kino bietet, reizt „Dogman“ nicht aus. Der atmosphärisch dichte Gangster- und Milieufilm glänzt stattdessen mit einer hervorragend besetzten Hauptfigur und einem der schlimmsten Filmbösewichte aller Zeiten: dem hassenswerten Simone. Für ganz großes Kino reicht diese stimmige Stilübung des „Gomorrha“-Regisseurs nicht aus. „Dogman“ ist ein Film nicht für das große, eher für das Filmfest-Publikum.