Land of Bad
Vor Beginn der Mission steht Sergeant JJ „Playboy“ Kinney (Liam Hemsworth) vor einem schier unlösbaren Dilemma. Er kann sich einfach nicht entscheiden, ob er den Snackautomaten der Air Force base um Fruit Loops oder Frosted Flakes erleichtern soll. Sein neuer Teamleader nimmt ihm die Entscheidung ab, kurz und trocken: „I´d go Fruit Loops. My daughter loves them.“
Dieser kurze Auftakt beinhaltet bereits alles, was den Kriegsthriller „Land of Bad“ ausmacht. Ein lockerer Ton, kernige Sprüche und schwierige Entscheidungen. In der Didaktik nennt man so etwas einen gelungenen Einstieg. Auf den folgt dann ein ebenso gelungner Auftakt. Binnen fünf Minuten werden wesentliche Figuren - ein Viermann-Delta Force-Team vor Ort plus zwei Drohnenpiloten auf dem Stützpunkt - , Mission - Befreiung eines gefangenen CIA-Spions- und Gegner - die philippinische, islamistische Terrorgruppe Abu Sayyaf - etabliert. Man ahnt, dass der flapsige Ton im Helikopter und auf der Basis sehr bald mit der harten Realität des Kampfeinsatzes kollidieren wird. Und dass die die neueste Technik aus Drohnen-gestützter Aufklärung und Luftschlagkompetenz ihre Grenzen hat. Nach dreißig Minuten wird diese böse Ahnung Gewissheit.
Vom Suchen und finden der Authentizität
„Land of Bad“ verfolgt keinen pazifistischen Ansatz, verkündet keine Antikriegsbotschaft. Er ist aber auch kein Klon der vielen moderneren Kriegsabenteuer, die zwar mit graphischen Darstellungen nicht geizen, das Gezeigte aber durch aufreizende Coolness vor, hinter und mit den Waffen mit heroischem Glanz aufpolieren und damit zwangsläufig romantisieren. Sergeant Bishop (Ricky Whittle) gibt dem neuen Teammitglied Kinney die passende Botschaft mit auf den Weg: „War is barbaric. It ain´t never gonna fucking change. (…) Let me tell you a story. You can fight with all your robots and your reapers and cell phones you want. The end of the day, when the technology fails and all your batteries and your bullets and your bombs run out, you know, and the fucking sun explodes, war comes down to one very simple thing. And that’s man killing man. Just takes on shit day to change our whole perspective. (…) Welcome to the land of bad.“
Diese Ansprache hätte auch von John Rambo stammen können, obwohl der sicher weniger Worte verwendet hätte, allerdings wäre diese Assoziation irreführend. Regisseur und Autor William Eubank (u.a. "Underwater", "The Signal") interessiert sich nicht so sehr was Krieg aus den Menschen macht, auch die Erschaffung oder Zementierung einer archaischen Ikone steht nicht auf seiner Agenda. Vielmehr geht es um den drohnengestützten Krieg der Moderne sowie dessen Grenzen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass dieses erkennbare Interesse in erster Line als Aufhänger für ein unterhaltsames Action-Vehikel dient. Liam Hemsworth ist - trotz Abzüge in der Charisma-Note - wie sein ältester Bruder Chris ein Helden-Posterboy. Er ist Gesicht, Motor und Fixpunkt des Himmelfahrtskommandos und Eubank verpasst ihm die entsprechenden Facetten und Situationen. Es ist letztlich beider Verdienst, dass diese Figur angesichts ihrer eindeutigen Filmhelden-DNA erstaunlich authentisch bleibt. Für das Szenario der Search-und Rescue-Mission gilt das freilich nur in Ansätzen. Was Sergeant Kinney im Feindesland alles vollbringt, erleidet und übersteht, dürfte die Realität solcher Kampfeinsätze mehr ausmalen als abbilden. Überhaupt spielt die Optik eine entscheidende Rolle.
Kamera-Profi auf Bilderjagd
William Eubank begann seine Karriere als Kameramann und das sieht man an und in jeder Einstellung. Er weiß genau, wo er das wichtigste Handwerkszeug eines Filmregisseurs platzieren muss, wann es sich lohnt ganz nah am Geschen zu sein und wann er lieber auf Distanz geht. In „Land of Bad“ gelingen ihm so eine Reihe phantastischer Shots, die man sich eingerahmt ins Wohnzimmer hängen könnte. Oft sind es vergleichsweise nebensächliche Dinge, wie der Start einer Transportmaschine vor der Skyline von las Vegas, oder der nächtliche Anflug im Hubschrauber auf das philippinische Einsatzgebiet. Die Aufnahmen haben eine gewisse Gravitas, eine ästhetische Eleganz und vermitteln das seltene Gefühl etwas Neues, eigenes zusehen. Was den visuell packenden Charakter zusätzlich aufwertet, ist der weitestgehende Verzicht auf CGI. Die Außendrehs an der filmisch noch vergleichsweise unverbrauchten australischen Goldcoast sorgen für ein ebenso frisches wie authentisches Setting. Auch die nicht wenigen Feuergefechte und Explosionen sehen zu keinem Zeitpunkt nach den sterilen Rechneroutputs vieler moderner Mainstream-Produktionen aus. „Land of Bad“ bekommt damit an den richtigen Stellen einen Oldschool-Anstrich, der ihn im Genrevergleich aus dem aktuellen Einheitsbrei heraus hebt.
Anarcho auf Szenenjagd
Und zu guter letzt wäre da noch eine kleine aber feine Zutat zur Hochglanz-Versiegelung. Das Zaubermittel heißt Russel Crowe und es sorgt auch hier wieder für den letzten Schliff. Obwohl hauptsächlich hinter einem Bildschirm sitzend und den eigentlichen Helden lediglich unterstützend, hinterlässt der Ausnahmemime mal wieder den bleibendsten Eindruck. Als flapsiger, den Autoritäten süffisant trotzender Anarcho stiehlt er spielend jede Szene in der er auftaucht. Ob mit Hawaiihemd unter der offenen Uniformjacke, der Anti-Rasur Ausrede einer hartnäckigen Bartwurzelentzündung, oder dem liebevoll-ironischen Witzeln über Ehe und Veganertum, Captain Eddie „Reaper“ Grimm ist eine einzige Provokation auf zwei Beinen, wenn auch eine ungemein sympathische. Auch dabei bewegt sich der Film sicherlich lediglich am Rande realer Begebenheiten auf den landläufigen US-Militärstützpunkten, aber Crowe überzieht nie so sehr, dass man an den militärischen Fähigkeiten seiner Figur zweifelt oder sie gar nicht mehr wahrnimmt.
So gesehen macht es absolut Sinn, dass Eubank den Film mit Captain Grimm beschließt. Wenn er mit seiner jungen Kollegin im offenen Hangartor vor der nächtlichen Kulisse der amerikanischen Glückspielmetropole in den Abspann tanzt, ist das nichts weniger als ein rundum gelungener Schlusspunkt. Die ganze Hektik, all die Anspannung und das martialische Getöse fallen ab und weichen einem der ältesten Entspannungsrituale der Menschheit. End of Bad.
(zuerst veröffentlicht: 23.04.2024)