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Kinobengel
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4,5
Veröffentlicht am 12. Januar 2025
schutzlose Seelen
Dänemark hat am 1. Weltkrieg nicht teilgenommen, gleichwohl spürt die Bevölkerung einige der Folgen. Für Karoline (Vic Carmen Sonne) hat das Schicksal nichts Gutes übrig. Als sie von ihrem Chef geschwängert wird, erscheint Peter (Besir Zeciri), der vermisste, vom Krieg entstellte Ehemann. Dagmar (Trine Dyrholm), die ungewünschte Säuglinge annimmt, hilft ihr.
Magnus von Horn setzt eine dänisch-schwedisch-polnische Koproduktion um, basierend auf wahren Begebenheiten. Sein 2. Langfilm bietet viele erschütternde Bilder, die in Schwarzweiß auch ohne harte Kontraste die aussichtslose Situation vieler Menschen darstellen. Nach der unheimlichen Startsequenz sind weitere Horrorelemente zu erwarten, das herrschende Elend in der Wirklichkeit ist jedoch grauenhaft dominant. Dabei gelingen dem polnischen Kameramann Michal Dymek bemerkenswerte Nahaufnahmen sowie Einstellungen, die unverhohlen das Leben zeigen, aber durch inszenatorische Gestaltung und das gezielte Spiel mit Licht und Schatten zuweilen für Theatralik sorgen, ohne dass tatsächlich eine fantastische Ebene installiert ist.
Der Regisseur vermittelt gekonnt eine kämpfende Unterschicht, eine Karoline, die Entbehrungen ertragen kann, Schwankungen in der psychischen Stabilität inbegriffen. Wenn die beeindruckende Vic Carmen Sonne („Holiday“, 2018 von Isabella Eklöf) der Protagonistin die nuancenreiche Mimik einer Gepeinigten aufsetzt oder ihr ein seltenes Lächeln gibt, wird das Publikum ergriffen. Nicht minder fesselnd ist die Veranschaulichung notwendiger Improvisationen, das Greifen nach jedem Strohhalm für ein Leben im Dreck, eine vorübergehende Befreiung von seelischen Verletzungen per Behelfsdrogen und gewollte wie ungewollte Begegnungen mit Peter. Durch die Anstellung in Dagmars Delikatessenladen scheint sich das Blatt zum Vorteil von Karoline zu wenden. Imponierend unbeirrbar bleibt von Horn bei der Geschichte seiner Hauptfigur, eingebettet in einen der bedeutsamen Kriminalfälle Dänemarks.
„Das Mädchen mit der Nadel“ ist erzählerisch, schauspielerisch und optisch überwältigend wie schonungslos.