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    Gabrielle
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    8martin
    8martin

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    3,0
    Veröffentlicht am 12. März 2010
    Ein sehr anstrengender Film, der dem Zuschauer viel abverlangt an Verständnis und Einfühlungsvermögen. In äußerst dunklen Farben gehalten zeigt er eine Gesellschaft, die in Konventionen erstarrt ist und in der das Wahren der Form alles bedeutet. Es geht in diesem Ehedrama um Verlassen und Wiederkehr in einer menschlich erkalteten, fast leblosen Umgebung. In langen Dialogen wird die Echtheit von Gefühlen überprüft. Isabelle Huppert spielt überzeugend emotionslos die ausbrechende Ehefrau und bietet wohl den kältesten und statischsten Geschlechtsverkehr der Filmgeschichte.
    Kino:
    Anonymer User
    5,0
    Veröffentlicht am 18. März 2010
    Im Negativ der Repräsentation



    Dass in dieser Besprechung das Ende vorweg genommen wird, vermag der Film “Gabrielle” zu verkraften, weil er nicht von der Überraschung lebt, die er dem Zuschauer bis zum Ende vorenthält, um ihn bei der Stange zu halten, sondern davon, dass er insgesamt überrascht, wie noch das “kleine Detail” liebevoll eingebunden ist: kleine Nebenrollen Szenerien bisweilen nur schattenhaft berühren, schnipselige Wortbeiträge während der Empfänge, die sich ergänzen wollen und sich dann doch nur anstacheln, um in ihrer Geschwätzigkeit sich gegenseitig zu übertreffen, zwischen all dem: umherschwirrende Figuren, die mit der Zeit Konturen gewinnen: namenlose Dienstmädchen, die im Reigen um Herrschaften herum huschen. Sprunghaft werden größere oder kleinere Dienstleistungen mit unmerklichen Bewegungen angefordert, um wiederum, je nach Laune, mit noch kleineren Gesten, wie weggeworfen, abgewiesen zu werden. Dabei Dienstkleidungsteile errascheln, dienstbeflissene Schritte das etwas heller glänzende Parkett zum Resonanzboden machen, diesem im opernhaften Ambiente Klänge entlocken, die ihrerseits schwarz-weiß abgedunkelte Räumlichkeiten befärben, in diese unheilschwangere Atmosphäre Figuren fragmentarisch – wie schon im “Fleisch der Orchidee” (1975) – ein- und auftauchen, um gleich wieder zu verschwinden, beklemmend und schattenhaft, vielleicht im Halbschatten die Gesichtshälfte eines Dienstmädchens zum Vorschein kommt, um dem Betrachter es zu überlassen, die andere Hälfte des in Dunkelheit verhüllten Gesichts mit dem, was er im helleren Licht deutlicher sieht, zu einer Harmonie zusammenzufügen, die begehrlich macht.



    Um dann ohne viel Umstände tonlos-trockenen Dialogen in der Art eines Kammerspiels Platz zu machen, wo alles ganz deutlich sich präsentiert, puristisch, in diesem Purismus, man mag ihn stilisiert nennen, Klangliches nachhallt, in der Einbildung des Betrachters, diese vom Klang der Herzen zeugt, den sprechende Figuren in sich und in anderen auslösen, oder nicht, wer will das wissen, doch in jedem Fall im Betrachter, der aus dem visuellen Gewirr dialogischer Stimmen, wohl-, an- und abklingender Geräusche stillen Genuss ziehen soll, aus einem Privileg der Distanz heraus, die nur dem Betrachter zukommt, während es – anders als auf einer leibhaftigen Theaterbühne – den im bewegten Bild agierenden Figuren, den Zuschauern und ihren Reaktionen fern, so ohne weiteres nicht vergönnt sein mag zu vernehmen, wie, warum und ob sie in den Herzen etwas zum Erklingen bringen, es sei denn, sie verwechseln das, was sie in sich selbst erzeugen, mit dem, was einem an Äußerlichem klebenden Auge zukommt, wenn es Erregung aus der Beobachtung zieht. Da mag vieles stumm von weit her sich zusammenfügen, wenn filmisch-figurale Momente – für sich genommen inkommensurabel – opern- und bühnengleich zu einem harmonischen Ganzen geformt interagieren. Ein visuell-tonales, mimetisch-dialogisches Meisterwerk, in dem Patrice Chéreau den schönen Ton trifft, um nicht zu sagen: Inkommensurables zu einem Gemälde zusammenbringt, um dennoch zu betören, den Betrachter erst mal wie von Sinnen zurücklässt, bevor er, Traumatisches hinter sich lassend, zu Verstand kommt, um schließlich nach dem zweiten, dritten oder vierten mal Sehen erst zu bemerken, was im Detail auf der Leinwand passiert. Mal eben schnell sehen ist nicht.



    Vielleicht ja doch. Denn betören im Hinblick auf was? Ist da was, das sich - zunächst rein imaginativ - auf eine gemeinsame repräsentative Oberfläche zeichnen lässt, was jedem zukommt? Jedes Geräusch, jeder Ton, jeder Klang, überhaupt dahingesprochene Sätze und Worte, das sich geistreich dünkende Geschwätz der Gäste, geben, jeweils für sich genommen, Substanzielles nicht preis, an dem gefühlige Erregungen andocken, zumal wenn diese sich gegenüber der Substanz, einem Außen, dem, wodurch sie induziert, verselbständigen, sich ihrem sozialen Ursprung, ihrer gegenständlichen Geschichte entfremden, um am Ende immer wieder im Ressentiment in sich leer zu kreisen. Den einzelnen Momenten, weil nur für sich sprechend, kommt kein lebendig-definitionshoheitliches Leben zu im Hinblick auf ein “soziales Ganzes”, als zielten die Teile eines Ganzen nur auf sich selbst, als seien sie sich selbst genug. Jenes Ganze steht, als sei es Moment neben seinen Momenten, wenn es sich denn überhaupt als sozialisierend ausmachen lässt, nur belanglos und tot neben seinen Momenten, die sich, um es anders herum zu sagen, faktisch zu nichts: zu Un-Sinn zusammenfügen: Unentwegt reden im Film Figuren stumpf aneinander vorbei, was die ästhetische Geste, der geistreiche Blick, die nicht schwitzende Stirn verhehlen mögen. Alles steht für sich selbst in seiner je eigenen Realität, ohne dass Teile in interaktiv-dialogischen Anstrengungen aufeinander verweisen, resp. nachvollziehbar wäre, ob, warum und wie das alles in eine gemeinsame Realität mündet. Diese mag als Erfolg, von dem einzelne mehr oder weniger durch Öffentlichkeit beschienen, über allem stehen, dies aber nur eine fragil-amorphe Zugehörigkeit begründet, ein über allem thronender Fetisch, der, wie es nun mal anbetungswürdige Dinge an sich haben, per definitionem imaginativ, nicht wirklich, jederzeit kündbar.



    In diesem Reigen gibt allein Dienstmädchen Yvonne, von Gabrielle in ein Beziehungsgespräch gebeten, perspektivisches Denken zu erkennen. Doch macht Yvonne sich die Perspektive Gabrielles nicht zu eigen, auch wenn sie ihr nicht ganz fremd ist. Sie setzt vielmehr eine eigene Perspektive dagegen, antagonistisch, nicht weil sie auf Konfrontation aus wäre, sondern weil Gabrielle dem Dialog die Konfrontation aufnötigt, ihr Dienstmädchen ins Unrecht setzend, um unziemliche Begehrlichkeiten abzuwehren, wie wir es von Menschen kennen, die vom Machtfetisch besessen sind, der in vorauseilenden Befürchtungen noch auf kleinste Begehrlichkeiten abweisend reagiert. Dabei lässt er Töne atonal aufeinander prallen, so dass Geschmacksfragen, man möchte fast sagen: der geforderte “gute Ton”, den analytischen Blick auf soziale Sachverhalte zu verstellen in der Lage sind. Auf die sehr intime Frage, ob sie denn glücklich sei: von ihrem Geliebten genug zurückbekomme, antwortet Yvonne, dass sie das nicht wisse, darauf bisher nie geachtet habe. Eine nicht beabsichtigte Kampfansage, die die Atmosphäre augenblicklich belastet. Dass Glück vielleicht gerade die Durchbrechung des Äquivalentsprinzips ist, die Durchbrechung eines Gebens und Nehmens zu gleichen Teilen, kommt Gabrielle nicht in den Sinn. Yvonne zeigt souveräne Größe des Herzens, die Gabrielle peinlich berührt, zumal die Größe vorsichtig, bescheiden und ganz und gar nicht erhobenen Hauptes daher kommt, eben wie es sich für Dienstmädchen ziemt. So funktionieren Hierarchien. Sie verbrauchen sich, lösen am Ende nur noch Brechreiz aus. Und so gerinnt das Gespräch, das so schön begann, zu einem Erlebnis, dessen Peinlichkeit Gabrielle diesmal ihrem eigenen Leben zu assimilieren nicht in der Lage ist, etwas, was sie uneingestanden von ihrem Mann einfordert, um weiterhin mit ihm leben zu können.



    Antagonismen, wie sie durch die Realität der Figuren sich aufdrängen, werden für den Zuschauer symbolisch zu einem harmonischen Ganzen zusammengefügt, die Figuren selbst zum perspektivischen Denken im Rahmen ihrer je sehr eingeschränkten Welt nur begrenzt in der Lage sind, als gäbe es das Wort “Perspektive” nur als phonetischen Laut, als seien Worte dazu da, signalgesteuert vorhersehbare Reaktionen auszulösen im Sinne des behavioristischen Reiz-Reaktion-Modells. Insbesondere die beiden Helden, die doch eigentlich einer gemeinsamen Lebenswelt angehören, finden nicht heraus aus einem Knäuel widerstreitender, antagonistisch anmutender Sichtweisen zur integrierenden Sichtweise einer gemeinsamen sozialen Welt, dazu Patrice Chéreau durch die schöne Form vielleicht verführt, diesbezüglich beim Zuschauer Begehrlichkeiten weckt, um die eine oder andere Träne hervorzulocken, auf dass sich alles im Innen zu einem repräsentativen Ganzen imaginativ-selbstgesprächig zusammenfügt. Wie gesagt, die figuralen Momente des Films geben für sich genommen diese Harmonie nicht her. Die Figuren stehen nebeneinander und neben sich, neben ihren Reden, neben den Reden ihrer Dialogpartner, aus der Distanz wahnhaft, weil ohne gemeinsame Realität Worte auf nichts, bzw. nur auf Imaginäres zielen, das sich im einzelnen Subjekt vor der Außenwelt glaubt verbergen zu müssen, um unausgesetzt an sich selbst sich zu nähren. Hier gerinnen Worte buchstäblich zur eigenständigen Realität, die sie v.a. deshalb sind, weil sie eine gemeinsame soziale Realität in sich verleugnen. In diesem Sinne, vielleicht nicht nur deshalb, mag der singuläre Terminus tatsächlich nicht für einen Gegenstand stehen, vielmehr neben einer (sozialen) Realität zu stehen kommen, für die er – und hier kann man unsere Sprachphilosophen wörtlich nehmen – nicht mehr spricht.



    Das fängt damit an, dass Jean Worte für wirklichkeitsmächtig erachtet, weil er alle Welt seine Worte trinken sieht, unabhängig davon, ob Menschen es innerlich so meinen wie sie vorgeben, es zu meinen. Wie dem auch sei, im Zweifel kann Großbürger Jean sich auf nivellierende Gewalt im Negativ der Repräsentation verlassen, obwohl Gewaltversuche bei seiner Frau nicht mehr verfangen. In Gewaltverhältnissen, basierend auf Schuld und Sühne, mag der Wahn seine ersten Kreise ziehen, doch für den Außenstehenden als Wahn nicht identifizierbar, weil allseitig gebunden an allgemein anerkannte Normalität, an der Macht des Faktischen, die nur Schuld und Unschuld kennt, um die eigene Unschuld – wenn’s sein muss, mit Gewalt – in ihr Recht zu setzen: zurückzuführen in eine gelebt-visionäre Utopie der Zeitlosigkeit der Repräsentation, die nur scheinbar auf Macht- und Gewaltverhältnissen nicht gründet. Es ist die (religiöse) Unschuld, die ohne Gewalt nicht auskommt, die auf Gewalt nicht verzichten kann. So ist es möglich, dass – im Negativ der gelebten Utopie einer nur zeitlos begreifbaren Repräsentation – der Sozius, wie alle Weltreligionen, Ströme vergossenen Bluts für legitim, ja unvermeidlich hält, noch ohne dass er ein Wässerchen trübt. Auch wenn bisweilen in der Gewalt, die Vergewaltigung auf der Treppe zeigt es, die ganze Hilflosigkeit, ihre Unschuld, die sich aus der Repräsentation speist, wahnhaft zum Ausdruck kommt. Auch der Wahn kennt nicht die Spur von Schuld oder Skrupel, andernfalls der Weg zurück in die Normalität drohte, dorthin, wo die Macht des Faktischen ihr Unwesen treibt, was es, aus der Perspektive des Wahns, zu vermeiden gilt.



    Freilich wird im Realitätsverlust des Wahns Gewalt als solche nicht als Realitätsverlust wahrgenommen, nicht als hilflose Reaktion darauf, dass Realität: Verhältnisse, Beziehungen, unumkehrbar sich geändert haben. Jean realisiert nicht, dass Realität untergründig sich ändert, sich auflöst, vielleicht schon lange sich gewandelt haben mag, er in einer geänderten Welt lebt, die sich nicht ohne weiteres in die Grundlagen einer alten Welt, eines immer ursprünglich-ferneren Glücks, rückverwandeln lässt, nicht mit noch so viel Gewalt, abgesehen davon, Untergrundarbeit unter Androhung von noch so viel Gewalt seine Arbeit immerzu weiter betreibt, der Untergrundarbeiter in Prozessen der Auflösung unhaltbarer, auch eigener Welten selbst nur hilflos involviert ist (irgendwann fürchtet keiner die Gewehre nicht mehr), und es alten Welten allenfalls vergönnt sein mag, den Menschen zu fernen Welten unendlicher Sehnsucht zu werden, am Ende sich zu wandeln in nicht lebbare, rein imaginativ-verkitschte Oberflächen der Repräsentation. Im Negativ dazu glaubt die Unschuld, und hier fängt der Wahn-Sinn an, auf Gewalt nicht verzichten zu können. Dann lebt sich das Ressentiment aus im Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Kunstliebhaber, musizierende Familienmenschen mutieren zu Massenmördern, nicht nur am Schreibtisch, urplötzlich – selbstgefällig im larmoyanten Unterton. “Einer muss der Bluthund sein”, sich opfern für die Vision, damit die anderen ihre Unschuld behalten, die es als imaginäre Utopie zu wahren gilt. Im Kontext wahnhafter Gewaltphantasien bekommt das unschuldig-visionäre Wort “Freiheit (wagen)” einen bösartigen, realitätsabgewandten Klang. Mein Gott, Merkel.



    Der wirkliche Wahn im Sinne eines nicht mehr zu leugnenden Realitätsverlustes mag in dem Moment sichtbare Kreise ziehen, wo die Fähigkeit zur Gewalt, die sich am geliebten Objekt (das nicht mehr so will, wie es soll) am liebsten schadlos halten würde, sich hinter dem Rücken einer unfasslichen Realität – schockartig merkbar im 11.Sept. – auflöst. Wie Gewalt nachvollziehbar legitimieren, wenn sie den mit Gewaltphantasien begabten Sozius in Mitleidenschaft zieht, auch den Liebenden seiner Lebensgrundlage beraubt? Unser Held Jean muss auf das Wohl von Gabrielle bedacht sein, denn sie ist ein zu wichtiges Glied seines Lebenszusammenhangs. Erste Kreise unmerklichen Wahns, in Gestalt “die alte Zeiten” beschwörenden Liebeswahns, zum perspektivischen Denken nicht (mehr) fähig, können in dem Moment Zugang ins Gemütsleben finden, wo der Sozius Fähigkeit und Möglichkeit einbüßt, sich an seinem geliebten Objekts authentisch, nachvollziehbar und legitimiert zu vergehen, um es dennoch immer wieder zu versuchen, wenn auch hilflos, denn dieses geliebte Objekt ist urplötzlich zur reißenden Bestie geworden, durch ein einmaliges Ereignis, ein Fehlgriff, in das Herrschafts- und Machtgefüge einer zeitlos sich wähnenden Repräsentation eingebrochen, die sich bisher immer allmächtig gewähnt und von ihren Allmachtsphantasien nicht lassen will – zu einer Bestie, mit der man, der Not gehorchend, eigentlich verhandeln, das heißt, irgendwie sich gemein machen müsste. Natürlich, solange der Zugang zur Gewalt macht- und selbstbewusst: im Negativ der Repräsentation nicht verschlossen, Krieg gegen einen territorial fassbaren Feind nachvollziehbar die eigene Existenz nicht in Mitleidenschaft zieht, kann der Sozius noch im Vorfeld des Wahns für sich in Anspruch nehmen, sich im Reich der Normalität zu bewegen: von einem noch nicht in den Wahn hineingezogenen Außen als ein normaler, diskursfähiger Mensch anerkannt zu sein. Im Interesse des Machterhalts, einer im politischen Raum zu wahrenden Homogenität zwischen Öffentlichkeit und Bevölkerung, gilt es denn auch, alle Bevölkerungen dieser Welt erfolgreich mit in den vollständigen Realitätsverlust zu ziehen, Gabrielle in den Liebeswahn zu involvieren, wie wir das in den USA im Zusammenhang mit dem 11.Sept. bis heute erleben. In Bezug auf seine Frau ist Jean genau dies nicht gelungen. Schnell noch ein hilflos-unschuldiger Vergewaltigungsversuch auf der Treppe, der natürlich alles noch schlimmer macht. Am Ende ward er verschwunden. Gott sei Dank.



    nachzulesen in: www.film-und-politik.de
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