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    Harry Potter und der Orden des Phönix
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Harry Potter und der Orden des Phönix
    Von Jürgen Armbruster

    Die Zeiten als alleinerziehende Sozialhilfeempfängerin hat Joanne Kathleen Rowling längst hinter sich gelassen. Das Forbes Magazine schätzt ihr Vermögen auf eine Milliarde Dollar und kürte sie damit zur reichsten Frau Großbritanniens. Da kann selbst Her Majesty Queen Elizabeth II. mit geschätzten 500 Millionen Dollar nicht mehr mithalten. Zu verdanken hat Rowling ihren Reichtum einer spontanen Idee, die sie bei einer Zugfahrt von Manchester nach London überkam: Harry Potter. Der Rest ist Geschichte. Rund um den Schüler der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei wurde ein gigantisches Imperium aufgebaut, mit dem sich problemlos ein Kleinstaat finanzieren ließe. Die mittlerweile sechsteilige Romanreihe (der finale siebte Teil „Harry Potter And The Deathly Hallows“ erscheint am 21. Juli in englischer Sprache und im Oktober dann auch auf Deutsch) wurde in über 60 Sprachen übersetzt (darunter auch Exoten wie Altgriechisch) und hat eine weltweite Gesamtauflage von über 325 Millionen Exemplaren.

    Auch die in mittlerweile größer werdenden Abständen erscheinenden Verfilmungen sind eine Erfolgsgeschichte wie aus dem Bilderbuch. Mit Harry Potter und der Stein der Weisen (976 Mio.), Harry Potter und die Kammer des Schreckens (876 Mio.), Harry Potter und der Gefangene von Askaban (789 Mio.) sowie Harry Potter und der Feuerkelch (892 Mio.) kommen bereits die ersten vier Teile in der Summe auf ein weltweites Einspielergebnis von jenseits der 3,5-Milliarden-Dollar-Grenze. Mit dem Rechteverkauf und der DVD-Auswertung ist dies nicht mehr und nicht weniger als eine Lizenz zum Gelddrucken. Den künstlerischen Höhepunkt erreichte die bisherige Reihe unbestritten mit Alfonso Cuaróns „Der Gefangene von Askaban“. Der gebürtige Mexikaner machte eigentlich alles richtig, bewies viel handwerkliches Geschick und vergaß darüber hinaus das Wichtigste nicht: die Geschichte selbst. Was TV-Regisseur David Yates nun mit „Harry Potter und der Orden des Phönix“ abliefert, ist im Grunde genau das Gegenteil. Von der Romanvorlage sind nicht viel mehr als Bruchstücke übrig geblieben und die austauschbare Inszenierung lässt jegliche Eigenständigkeit vermissen. Kurzum: „Harry Potter und der Orden des Phönix“, die fünfte Verfilmung der Fantasy-Saga, ist eine kleine Enttäuschung.

    Die ungeliebten Sommerferien bei den Dursleys neigen sich dem Ende entgegen, als Harry (Daniel Radcliffe) vollkommen unerwartet von zwei Dementoren angegriffen wird. Zwar kann er sich und seinen verhassten Cousin Dudley (Harry Melling) gerade noch so mit einem Patronus-Zauber retten, doch damit beginnen für ihn die Probleme erst. Das Zauberei-Ministerium unter der Leitung von Cornelius Fudge (Robert Hardy), der die Auferstehung Voldemorts (Ralph Fiennes) nicht wahr haben möchte bzw. leugnet, strengt ein Verfahren gegen Harry wegen der ungenehmigten Nutzung von Magie durch einen Minderjährigen unter Anwesenheit eines Muggels an. Nur dank der Hilfe des Hogwarts-Schulleiters Albus Dumbledore (Michael Gambon) entgeht Harry einer Verurteilung und einem damit verbundenen Schulverweis. Unterschlupf findet er in der Zwischenzeit beim „Orden des Phönix“, einer von Dumbledore gegründeten Widerstandsgruppe, die sich dem Dunklen Lord entgegen stellt und der auch Harrys Patenonkel Sirius Black (Gary Oldman) angehört. Doch in Hogwarts angekommen werden die Probleme nicht kleiner. Das Zauberei-Ministerium installiert, um Dumbledore besser kontrollieren zu können, Dolores Umbridge (Imelda Staunton) als Großinquisitorin von Hogwarts, die auch schnell die Macht in der Zauberschule an sich reißt. Anstatt Verteidigung gegen die Dunklen Künste steht fortan viel Theorie auf dem Lehrplan. Daher gründen Harry, Ron (Rupert Grint) und Hermine (Emma Watson) den Geheimbund „Dumbledores Armee“, in der Harry seine Freunde in den Verteidigungen gegen die Dunklen Künste unterrichtet. Wenn sie schon in Hogwarts nicht auf die eine Konfrontation mit Du-weißt-schon-wer vorbereitet werden, dann nehmen sie den Zauberstab eben selbst in die Hand…

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    Mit einem Umfang von über 1.000 Seiten in der deutschen Übersetzung wurde mit „Harry Potter und der Orden des Phönix für ein Kinderbuch – was „Harry Potter“ immer noch ist – ein kritischer Punkt erreicht. Joanne K. Rowling erreichte hier den Zenit ihres ausufernden Erzählstils, weshalb „Der Orden des Phönix“ auch gemein hin als bisher schwächster Teil der Potter-Romanreihe gilt. Nichts desto trotz ist es eine echte Herausforderung, diese 1.000 Seiten auf ein vernünftiges Drehbuch zu reduzieren – das Wesentliche vom Unwesentlichen zu trennen und dabei trotzdem nicht den Charme zu verlieren, den das Potter-Universum schon immer gerade durch das liebevolle Drumherum gewann. Mit dieser Aufgabe wurde Michael Goldenberg betraut. Zwar ist dieser nicht der fleißigste, der am Markt verfügbaren Drehbuchautoren, doch da sich in seiner Vita mit Contact zumindest ein wirklich herausragendes Werk befindet, sollte das schon irgendwie passen. Doch Pustekuchen. Gerade das Drehbuch ist bei „Harry Potter und der Orden des Phönix“ eine mittelschwere Katastrophe. Dass Einschnitte gemacht werden mussten, lag auf der Hand. Doch dass von der Vorlage nicht mehr viel übrig blieb, ist mehr als bedauerlich.

    Dabei ist es nicht nur die gnadenlose Reduktion auf den Hauptplot, an der das Drehbuch krankt. Selbst mit diesem Zugeständnis an den Umfang der Romanvorlage wirkt eben alles wie ein zusammenhangloses Flickwerk. Im Stakkato-Stil werden die wichtigsten Geschehnisse herunter gerissen, ohne Rücksicht auf den Potter-unkundigen Zuschauer zu nehmen. Um die gröbsten Storylöcher zu stopfen, werden zwar immer wieder Collagen aus dem Tagespropheten (der Zeitung der Hexen und Zauberer) mit einer dazugehörigen Erzählstimme eingestreut, aber das reicht dennoch nicht aus. Harrys anfängliche Isolation von seinen Freunden und die in ihm aufkochende Wut sind zwar ein zentraler Bestandteil der Handlung, dass er sich dann aber in einer Szene bei Ron und Hermine entschuldigt und sie bittet, sich wieder im Gemeinschaftsraum neben sie setzen zu dürfen, kommt wie aus dem Nichts. Mehr als nur einmal beschleicht einen das Gefühl, irgendetwas verpasst zu haben. Warum können auf einmal alle Mitglieder von „Dumbledores Armee“ die Thestrale, die zuvor nur von Harry und Luna Lovegood (Evanna Lynch) wahrgenommen werden konnten, sehen und auf ihnen zum großen Finale reiten? Was hat es mit diesem steinernen Torbogen auf sich? Woher kommt die Prophezeiung? Und selbst die Erklärung für Dumledores Verhalten während des Schuljahres kommt trotz finaler Aufklärung beim obligatorischen dumbledorschen Schlussmonolog reichlich platt daher. Wer sich im Potter-Universum auskennt, kann sich dies alles noch irgendwie zusammen reimen. Wer die Romanvorlage nicht gelesen hat, bleibt auf der Strecke. Es wirkt fast so, als wären ganze Szenen am Schneidetisch einfach vergessen worden.

    Regisseur David Yates, der bisher vor allem im TV-Bereich aktiv war, ist bei dem, was ihm hier als Arbeitsgrundlage – sprich: dem Drehbuch – mit auf dem Weg gegeben wurde, natürlich ein ganz armer Hund. Eine wirklich überzeugende Arbeit konnte er eigentlich gar nicht abliefern. Aber auch er muss sich einige Vorwürfe gefallen lassen. Einen eigenen Stempel kann er der Potter-Saga nicht aufdrücken. Im Grunde kupfert er bei seiner Inszenierung gnadenlos bei seinen Vorgängern Columbus, Cuarón und Newell ab und lässt dabei jegliche Eigenständigkeit vermissen. Aber ganz verkehrt ist dieser Ansatz dann eben doch nicht. „Harry Potter und der Orden des Phönix“ sieht wieder einmal phantastisch aus. Die Schauwerte sind wie gewohnt großartig (der etwas billig wirkende Besenflug über die Themse zu Beginn sei einmal bewusst außen vor gelassen), die Kulissen mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Hier einen Vorwurf an Yates zu konstruieren, wäre Unsinn. Viel schwerwiegender wirkt jedoch, dass er sich immer dann, wenn das Drehbuch seine ganzen Schwächen offenbart, artig seinem Schicksal ergibt. Ihm gelingt es an den kritischen Stellen nicht, die vielen Fragenzeichen durch eine Tempoverschärfung oder sonstige inszenatorische Möglichkeiten zu überspielen.

    Einen richtig positiven Aspekt hat aber auch „Harry Potter und der Orden des Phönix“: Imelda Staunton (Shakespeare in Love, Nanny McPhee, Freedom Writers) dreht in ihrer Rolle als Dolores Umbrige ganz groß auf. Selten war ein Kichern derartig unsympathisch. Allein Stauntons Anwesenheit wertet den Film deutlich auf. Großartig! Das Sorgenkind bleibt aber wieder einmal Daniel Radcliffe. Er ist mit der Ambivalenz und inneren Zerrissenheit von Harry Potter in diesem fünften Leinwandabenteuer noch mehr als sonst überfordert. Da bringt auch der kleine Skandal rund um seine Theater-Premiere „Equus“ (inklusive Nacktauftritt und öffentlichem Rauchen) nichts. Radcliffe hat sich im Gegensatz zu seinen jungen Kollegen Emma Watson und Rupert Grint wieder einmal schauspielerisch kaum weiter entwickelt. Gary Oldman, Alan Rickman, David Thewlis und Ralph Fiennes können ebenfalls wieder überzeugen, ohne jedoch richtig von der Leine gelassen zu werden. Sie alle bekommen einfach viel zu wenig Leinwandzeit eingeräumt, um ihr ganzes Potenzial entfalten zu können. Gleiches gilt auch für Helena Bonham Carter als Todesserin Bellatrix Lestrange, die in der Summe allenfalls auf zwei Leinwandminuten kommt. Besonders schade ist, dass der im Roman noch wunderbar kurzweilige, weil vollkommen chaotische Charakter der Nymphadora Tonks (Natalia Tena) durch das Drehbuch vollkommen kastriert wurde und nur noch als optisches Gimmick dient. Von den neuen Charakteren kommt Evanna Lynch als Luna Lovegood ansonsten noch am besten davon, obwohl auch hier in der Romanvorlage noch viel mehr Potential steckte.

    Wie ist „Harry Potter und der Orden des Phönix“ abschließend einzuordnen? Das Drehbuch ist eine Katastrophe und wird zum ersten Mal auch die ganz eingefleischten Potter-Fans enttäuschen. Hier wurden einfach zu viele falsche Kompromisse gemacht und in der Summe ein unfertig wirkendes Werk abgeliefert, was den ganzen Film nach unten zieht. Optisch muss sich Yates mit seiner Verfilmung nicht viel vorwerfen lassen, aber der Charme der vorherigen Teile ist auf der Strecke geblieben. „Harry Potter und der Orden des Phönix“ wird natürlich wieder einmal ein Monsterhit. Darüber besteht ob der allgemeinen Potter-Hysterie keinerlei Zweifel. Aber nicht jedes gute Buch ist zwangsläufig auch ein guter Film. Manchmal kommen da eben doch nur mittelmäßige Filme bei heraus. So wie bei „Harry Potter und der Orden des Phönix“, dem mit Abstand schwächsten Teil der Saga...

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