Es gibt Filmerfahrungen, auf die ist man nicht vorbereitet. „Dìdi“ war letztes Jahr eine solche für mich, denn die Coming-Of-Age-Dramödie von Sean Wang ist nicht nur ein bockstarker Debütfilm, sondern auch eine gnadenlos ehrliche Reflexion der eigenen Jugend, die manchmal wirklich ins Mark trifft.
Filme übers Erwachsenwerden in den 90er-Jahren gibt es einige, doch bisher hat mir noch keiner so direkt vor Augen geführt, wie universell gültig die scheinbar individuellen gesammelten Erfahrungen der Teenager-Zeit in ihrem Kern doch sind. Das unaushaltbare Warten auf ICQ-Nachrichten des Schwarms, das unbeholfene Liebäugeln mit der Skate-Kultur, bröckelnde Freundschaften und permanente Selbst-Verleumdung, um irgendwie dazuzugehören – all das scheinen meine Erinnerungen zu sein, gehören aber zeitgleich einer ganzen Generation.
Zudem ist „Dìdi“ eine absolute Achterbahnfahrt der Gefühle. Ihr werdet lachen, beschämt zusammenzucken, sauer auf die Gesellschaft und die ganze Welt sein und bestimmt auch verschämt eine Träne verdrücken. Mir ging es jedenfalls ganz genau so – und allein dieses emotionale Chaos ist schon eine Rückkehr in die schlimmste Phase der eigenen Adoleszenz.
Falls ihr den Film noch nicht geschaut habt, bekommt ihr jetzt die ideale Gelegenheit dazu, denn „Dìdi“ gibt es ab dem heutigen 13. März 2025 im Streaming-Abo von WOW (ehemals Sky Ticket):
Und darum geht es in "Dìdi"
Der 13-jährige Chris (Izaac Wang) hat kürzlich die Grundschule in Fremont, Kalifornien, abgeschlossen und steht vor dem Übergang zur Highschool nach den Sommerferien. Doch die schulfreie Zeit gestaltet sich für den Sohn taiwanesischer Einwanderer unerwartet turbulent. Zwischen wechselnden Freundesgruppen, ersten Liebeserfahrungen und familiären Spannungen muss sich Chris zurechtfinden. Zu Hause gibt es ständige Konflikte mit seiner vier Jahre älteren Schwester Vivian (Shirley Chen), die bald zum Studium aufbricht. Chris vermisst seinen in Taiwan lebenden Vater und fühlt sich von seiner fürsorglichen Mutter Chungsing (Joan Chen) bedrängt, die ihrerseits unter den scharfen Kommentaren der mit ihnen lebenden Schwiegermutter Nai Nai (Chang Li Hua) leidet.
Chris möchte eigentlich nur zu den vermeintlich coolen Kids gehören, wie seine Freunde „Soup“ (Aaron Chang) und Fahad (Raul Dial). Zudem hofft er, die Aufmerksamkeit der etwas älteren Mitschülerin Madi (Mahaela Park) zu gewinnen. Um bei ihr Eindruck zu schinden, studiert er ihre Social-Media-Kanäle genau, um herauszufinden, wie er am besten punkten kann. Diese Sommerferien werden für Chris zu einer Zeit des intensiven persönlichen Wachstums und der Suche nach seiner Identität innerhalb der komplexen dynamischen Familiensituation und der sozialen Herausforderungen.
Sean Wang hat ein gutes Auge für Familiendynamik
Bereits in seinem Debütfilm wird klar: Regisseur Sean Wang hat ein besonderes Gespür für Familiendynamik. Zwar ist der Film aus der Perspektive des 13-jährigen Chris erzählt, doch es ist nicht so, als würde dieser die Spannungen und Konflikte in seinem Haus nicht mitbekommen. Insbesondere der Streit zwischen Mutter Chungsing und ihrer fordernden Schwiegermutter Nai Nai brodelt gewaltig und könnte jeden Moment eskalieren. Doch wie Jugendliche nun einmal so sind, schafft es Chris nicht, die richtigen Schlüsse zu ziehen und die eigenen Probleme und Bedürfnisse zumindest zeitweise in den Hintergrund zu rücken.
Die Erkenntnis, dass auch die Eltern nicht über den Dingen stehen, sondern tagtäglich mit erdrückenden Ängsten zu kämpfen haben, ist dem Teenager noch nicht vollständig klar – den Zuschauer*innen wird dies aber immer wieder schmerzlich vor Augen geführt. Und so schämt man sich etwas im Kinosessel oder der heimischen Couch – und fühlt sich ertappt ob der eigenen Ignoranz und der schrecklichen Egomanie vergangener Tage.
Falls ihr übrigens noch mehr von Sean Wang sehen wollt, dann sei euch hier noch der wunderschöne Kurzfilm „Nai Nai & Wài Pó“ ans Herz gelegt, den der Regisseur seinen beiden Großmüttern gewidmet hat. Diesen könnt ihr aktuell bei Disney+ streamen:
Wem das alles viel zu viel Emotionen sind und stattdessen lieber etwas Action genießen und das Hirn abschalten möchte, der bekommt hier einen tumben (aber äußerst unterhaltsamen) Streaming-Tipp von uns:
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