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    Wuchtiges "Jack Ryan"-Comeback: Das taugt die neue Amazon-Serie um den Kult-Agenten

    Online-Riese Amazon ist so überzeugt von „Jack Ryan“, dass weit vor dem Start bereits eine zweite Staffel in Auftrag gegeben wurde. Wir haben die ersten drei Folgen der Agenten-Serie vorab gesehen und verraten euch, ob das Vertrauen berechtigt ist.

    Amazon

    Alec Baldwin, Harrison Ford, Ben Affleck und Chris Pine. Bei der illustren Darstellerriege, die in insgesamt fünf Kinofilmen schon Tom Clancys Kult-Analysten Jack Ryan verkörpert hat, kann man schon eingeschüchtert sein, wenn man dem CIA-Agenten nun noch einmal neues Leben einhauchen soll. Und dennoch geht (Ex-)Comedy-Star John Krasinski, der mit „A Quiet Place“ erst in diesem Jahr auch als Regisseur einen Überraschungs-Hit im Kino gelandet hat, in der neuen Amazon-Serie „Jack Ryan“ mit jeder Menge Selbstvertrauen die schwere Aufgabe an – und meistert sie mit Bravour. Die wuchtig inszenierte Serie selbst kann da nicht immer ganz mithalten.

    Darum geht's in "Jack Ryan"

    Nach einem Einsatz als Ex-Marine und einer wenig erfüllenden Zeit an der Wall Street, wollte es Jack Ryan (Krasinski) als Analyst bei der CIA eigentlich etwas ruhiger angehen lassen. Als er nach vier Jahren in dem Job allerdings auf eine mehr als verdächtige Serie von Geldüberweisungen stößt, führt ihn die Suche nach deren Quelle auf Anweisung seines neuen Vorgesetzten James Greer (Wendell Pierce) vom sicheren Arbeitsplatz mitten in eine gefährliche Hetzjagd durch Europa und den Mittleren Osten, wo ein Terroristen-Führer (Ali Suliman) im Stillen einen Angriff auf die USA und ihre Verbündeten plant...

    Die Entscheidung, bei der fünften Jack-Ryan-Inkarnation den schon in unzähligen Filmen und Serien thematisierten Kampf der US-Behörden gegen den Terrorismus im Mittleren Osten als Dreh- und Angelpunkt der Handlung aufzugreifen, mag auf dem Papier nicht die originellste sein. Doch das Autoren-Duo Carlton Cuse („Lost“, „Bates Motel“) und Graham Roland („Mile 22“, „Lost“) bemüht sich redlich (manchmal vielleicht auch etwas zu sehr) darum, ihrer Geschichte mehr Nuancen zu verleihen und so etwas Eigenes zu schaffen – und das durchaus mit Erfolg. Der ebenso simple wie effektvolle Kniff: der Verzicht auf plumpe Dämonisierung.

    Ein menschlicher Terrorist

    Natürlich bleibt auch in „Jack Ryan“ der terroristische Gegenspieler der Bösewicht (alles andere wäre angesichts seiner Taten auch kaum vertretbar). Und dennoch trauen sich Cuse und Roland, ihrem Antagonisten Suleiman eine menschliche Seite abzugewinnen. So bieten sie zumindest einen Erklärungsansatz dafür, was ihn zu seinem Extremismus getrieben hat. Eine zentrale Rolle nimmt dabei eine Rückblende ein, die direkt die erste Folge einrahmt und nicht nur einen an die Nieren gehenden Einstieg in die Serie bietet (bei dem typische Gut-Böse-Klischees kurzerhand vertauscht werden), sondern dem Antagonisten (spätestens mit einer rührenden Zeitebenen-Gegenüberstellung) auch den wohl emotionalsten Moment der ersten „Jack Ryan“-Stunden beschert.

    Während es auf US-Seite eher unterkühlt abläuft, ist das emotionale Herzstück der Serie generell in den Szenen im Mittleren Osten verortet. Nachdem zunächst Suleiman mit etwas Hintergrund ausgestattet wird und fortan einen Balanceakt zwischen liebendem Familienvater und bedrohlichem Terror-Fürsten vollführt, rückt schließlich seine Frau Hanin (Dina Shihabi), die sich immer weniger mit den Machenschaften ihres Mannes arrangieren kann, stärker ins Zentrum. Ihre wachsenden Zweifel, die Sorge um ihre Kinder und ihre sich daraus ergebenden Entscheidungen bilden bald einen Handlungsstrang, der fast genauso viel Raum einnimmt wie das unmittelbare Geschehen um den Titelhelden der Serie.

    Selbst-Torpedierung

    Hanin wird als smarte und (er)stark(ende) Frauenfigur aufgebaut, die zwar nicht immer souverän agiert, dadurch aber erst recht menschlich ist. Umso ärgerlicher ist es, dass die „Jack Ryan“-Macher diese Figurenzeichnung und die Feinfühligkeit, die sie bei der ausgewogenen Darstellung der verschiedenen Seiten über weite Strecken an den Tag legen, immer mal wieder selbst torpedieren. Wenn etwa ausgerechnet die umstrittene Drohnen-Technologie des US-Militärs für Hanin zum Heilsbringer in einer brenzligen Zuspitzung der Ereignisse wird, stößt das ziemlich sauer auf, nicht zuletzt, da es ansonsten weitestgehend gelingt, solch plumpen Hurra-Patriotismus zu umschiffen. Der ohnehin recht ungelenke Nebenstrang, der hierbei aufgemacht wird, wirkt dadurch noch mehr wie ein (für derartige Waffeneinsätze werbender) Fremdkörper.

    Mehr Sorgfalt wird hingegen in die eigentliche Hauptfigur und deren Werdegang gesteckt. Jack Ryan ist ein eher klassischer Held mit klaren Prinzipien und ohne wirkliche Ecken und Kanten, funktioniert dadurch aber auch umso mehr als Identifikationsfigur. Es fällt nicht schwer, sich in seine heikle Lage hineinzuversetzen. Wenn Jack in einem Moment noch auf einer Gartenparty flirtet und im nächsten dann ohne Vorwarnung von dort mit einem Helikopter abgeholt wird, um nur einige Stunden später im Mittleren Osten aus dem Flieger zu steigen, ist man als Zuschauer durch die Plötzlichkeit der Geschehnisse fast genauso überrumpelt wie der CIA-Mann selbst.

    Verstand und Muskeln

    Vor Ort mutiert Jack dann nicht auf einmal zum strahlenden Action-Agenten. In seinem gewohnten Arbeitsalltag verlässt er sich in erster Linie auf seinen Verstand (das wird auch ohne die überdeutliche und komplett verzichtbare „Jeopardy!“-Szene in der ersten Folge klar). Sein Versuch, sich bestmöglich durch das ihm nun gebotene ungewohnte Terrain zu manövrieren, ist dementsprechend noch von allerlei Unsicherheiten und fragwürdigen Entscheidungen geprägt. Das alles bedeutet aber nicht, dass er völlig wehrlos ist, wie er schon kurz nach seiner Ankunft im Jemen in einer eskalierenden und vom Norweger Morten Tyldum („Passengers“, „The Imitation Game“) packend und intensiv inszenierten Extremsituation unter Beweis stellen kann

    Die erfreulich behutsame Entwicklung der Figur wird dabei von vornherein sehr nachvollziehbar aufgebaut. Schon früh wird gezeigt, dass Jack sich nicht nur geistig, sondern auch körperlich fit hält. Daneben gibt es auch immer wieder Verweise auf seine (traumatische) Militär-Vergangenheit. In John Krasinski wurde dabei die Idealbesetzung gefunden, um dieses Zwischenstadium greifbar zu machen. Als smarter Bürohengst hat er sich ja schon in vielen Folgen von „The Office“ bewiesen, inzwischen hat er aber auch die nötige physische Präsenz, um in Action-Szenen zu überzeugen.

    "The Wire"-Star als Trumpf

    Sein volles Potential als Figur entfaltet Jack Ryan aber erst im dynamischen Zusammenspiel mit seinem Vorgesetzten James Greer. Mit jeder Menge Charme legt „The Wire“-Star Wendell Pierce den in Ungnade gefallenen CIA-Veteran irgendwo zwischen mürrischem Boss und väterlichem Mentor an, der zwar immer wieder mit Jack aneinander gerät, ihn auf seinem beschwerlichen Weg aber auch stets anleitet und unterstützt, obgleich seine Moralvorstellungen nach all den Jahren im (Außen-)Dienst längst nicht (mehr) so rein sind wie die von Jack.

    Dass Greers Vergangenheit, gerade Jack gegenüber, zu Beginn so nebulös bleibt und sich die Macher den ungewöhnlichen wie genialen Dreh erlaubt haben, aus dem Agenten einen Moslem zu machen, sorgt in all dem für einige zusätzliche spannende Facetten. Eine ähnlich überzeugende Chemie hätte man sich derweil auch für die sich hier erst langsam entwickelnde, aber etwas behauptet bleibende Romanze zwischen Jack Ryan und Kathy Mueller (Abbie Cornish), seiner Ehefrau aus Tom Clancys Vorlagen, gewünscht.

    Fazit

    Trotz des schweren Themas zielt „Jack Ryan“ in erster Linie auf Unterhaltung ab – und trifft dabei auch voll ins Schwarze. Gerade weil die Serie bei allzu ausgetretenen Genre-Pfaden gerne mal eine andere Abzweigung nimmt und besonders in Sachen Figurenzeichnung mit einigen tollen Ideen glänzt, beschleicht einen aber hin und wieder das Gefühl, dass hier sogar noch mehr möglich gewesen wäre, wenn man noch etwas mehr Konsequenz bewiesen hätte. Doch als fesselnder Agenten-Blockbuster in Serienform funktioniert die Tom-Clancy-Adaption dank nervenzerrender Thriller-Action und des einnehmenden Hauptfiguren-Gespanns bestens.

    Alle acht Folgen der ersten „Jack Ryan“-Staffel können ab sofort auf Deutsch und Englisch bei Amazon Prime Video abgerufen werden. Eine zweite Season befindet sich bereits in der Mache.

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