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    Gesetz der Straße - Brooklyn's Finest
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Gesetz der Straße - Brooklyn's Finest
    Von Carsten Baumgardt

    Wer von New York spricht, meint in der Regel Manhattan, wo die überwältigende Mehrzahl der im Big Apple abgedrehten Hollywood-Produktionen spielen. Über die anderen vier Bezirke legt der Mainstream dagegen kaum Zeugnis ab. 1971 reinigte ein besessener, ambivalenter Detective namens „Popeye“ Doyle die Straßenschluchten Brooklyns mit einer Härte und Unnachgiebigkeit, dass es manchem Zeitbesaiteten die Sprache verschlug. Fast vier Dekaden nach William Friedkins bahnbrechendem Meisterwerk French Connection hat sich das Publikum längst an einen solch rüden Ton gewöhnt und es ist kaum anzunehmen, dass sich jemand darüber mokiert, wenn in Antoine Fuquas Cop-Drama „Gesetz der Straße – Brooklyn’s Finest“ gefühlt jedes dritte Wort „fuck“ lautet. Fuquas fiebrig aufgeladenes Ensemblestück überzeugt aber auch ohne Skandalwirkung als packender Thriller, der drei verschiedene Handlungsstränge unaufgeregt zusammenfügt und ein realistisch-illusionsloses Bild der New Yorker Polizeiarbeit entwirft.

    Ganze sieben Tage trennen den ausgebrannten Streifencop Eddie (Richard Gere) noch von der herbeigesehnten Pensionierung. Der Veteran verzichtet auf jegliches Risiko und wird deswegen von seinen Kollegen verachtet. Als er mit dem jungen Heißsporn Melvin Panton (Logan Marshall-Green) noch kurz vor Toresschluss einen neuen Partner an die Seite bekommt, lässt die erste Konfrontation der beiden nicht lange auf sich warten… Der gläubige Cop Sal (Ethan Hawke) hat längst sämtlichen moralischen Ballast über Bord geworfen. Seine Frau Angela (Lili Taylor) ist schon wieder schwanger, sie leidet an schwerem Asthma, das durch die feuchte Bruchbude, in der die Familie haust, immer schlimmer wird. Das Haus, das Sal kaufen will, kann er aktuell noch nicht bezahlen – auch nicht mit dem Geld, das er dem Gangster Carlo (Vincent D‘Onofrio) abnimmt, nachdem er ihn kaltblütig umgelegt hat. Sal versucht verzweifelt, weiter illegal Geld einzusacken, wenn gerade keiner hinguckt… Cop Tango (Don Cheadle) haben drei Jahre im Undercover-Einsatz komplett zermürbt. Er will aussteigen und wieder ein normales Polizistenleben führen, doch sein Vorgesetzter Lieutenant Bill Hobarts (Will Patton) drängt darauf, dass Tango noch einen letzten Auftrag annimmt, bevor er wieder die Seiten wechselt. Bei seiner Abschiedsvorstellung soll er den Gangster Caz (Wesley Snipes) ans Messer liefern. Doch mit dem verbindet Tango seit Jugendtagen eine Freundschaft…

    Polizeifilme, die in New York spielen, gibt es viele. Deshalb sind frische Perspektiven gefragt, die Regisseur Antoine Fuqua (Training Day, Tränen der Sonne, Shooter) auch findet. Der Action-Spezialist nimmt sich eines Drehbuchs von Neuling Michael C. Martin an, der selbst in dem berüchtigten Viertel East Brooklyn aufwuchs und nur unweit der Drehorte als U-Bahnaufseher arbeitete. Für diesen Job schmiss er kurioserweise sein Filmstudium am Brooklyn College. Erst als Martin fünf Jahre später in Folge eines Autounfalls viel Freizeit hatte, widmete er sich wieder seiner Filmleidenschaft und schrieb das Drehbuch zu „Gesetz der Straße – Brooklyn’s Finest“. Das Skript glänzt zunächst durch eine ungewohnte Detailtreue und seltene Authentizität. Was Fuqua aber besonders reizte, war die Struktur, die drei verschiedene Geschichten parallel entwickelt und einen Querschnitt der Polizeiroutine auf den drogenverseuchten Straßen Brooklyns vermittelt.

    „I don’t want God’s forgiveness. I want his fucking help.“ – Cop Sal

    Fuqua, der sich in „Training Day“ dem Alltag auf den Straßen von South Central Los Angeles widmete und damit Denzel Washington einen Oscar verschaffte, wechselt die Küsten und entwirft in „Gesetz der Straße – Brooklyn’s Finest“ ein Porträt von New Yorker Polizisten, die sich in East Brooklyn mit der höchsten Kriminalitätsrate der Metropole herumschlagen müssen. Der Ton, den Fuqua anschlägt, ist düster, das Vorgehen der Cops kompromisslos und auf die Frage, die er aufwirft, gibt es keine einfache Antworten: Wie viele Freiheiten darf sich ein Polizist herausnehmen, um noch zu den Guten zu zählen? Der Regisseur schafft eine elektrisierende Atmosphäre, die schnell klar macht, mit welch immensem Druck die Beamten zu leben haben. Cop Sal hat längst alle Grenzen überschritten und mordet, um selbst nicht zu verrecken, während sein kurz vor dem Ruhestand stehender Kollege Eddie mehr Energien in die Bekämpfung der eigenen Dämonen steckt, als in die Eindämmung des Verbrechens. Bei Undercover-Mann Tango ist die Linie zwischen Gut und Böse auch schon längst nicht mehr zu erkennen. Selbst wenn Drehbuchautor Michael C. Martin bei der Charakterzeichnung mit einigen Allgemeinplätzen aufwartet, setzt sich doch ein Bild zusammen, das die Ansprüche an eine realistische Milieuschilderung erfüllt.

    Fuquas straffe und einfallsreiche Inszenierung gleicht die kleinen Unebenheiten der eher simplen Figurenkonstellation aus und hält den Adrenalin-Pegel des Publikums auf konstant hohem Niveau. Zunächst besticht der Film durch die stimmige Schilderung des Milieus, die Gewalt bricht nur vereinzelt, aber dann stets eruptiv hervor. Das Action-Glanzstück ist dabei eine herausragend montierte Sequenz, in der ein schwerbewaffnetes S.W.A.T.-Team in eine Wohnung von Drogenhändlern walzt und ein Inferno verursacht, bei dem kaum Gefangene gemacht werden. Fuquas Kameramann Patrick Marguia ist oft nah dran am dynamischen Geschehen, ohne dem Zuschauer dabei den Überblick zu rauben.

    Von den Schauspielern teilen sich die drei Hauptdarsteller die Meriten. Ethan Hawke (Reality Bites, Before The Knows You’re Dead) gibt die impulsivste und exponierteste Vorstellung ab. Der verzweifelte Cop balanciert permanent am Abgrund – ohne große Hoffnung auf einen Ausweg aus seinem Dilemma. Hawke wirkt hager und ausgemergelt, aber vor Muskeln strotzend. Ruhelos hetzt er durch die Straßen, um Beute zu machen. Richard Gere (Pretty Woman, Hachiko) garantiert die ruhigsten Momente des Films, wenn er versucht, stoisch allem Ungemach aus dem Weg zu gehen. Aber auch er wird nicht verschont – schließlich hat jeder seinen Blutzoll zu entrichten. Don Cheadle (Traffic, Boogie Nights) ist der Grenzgänger, dessen Aussicht auf Ausstieg immer wieder Dämpfer erhält. Alle drei leisten gute Arbeit, ohne sich aber für mögliche Auszeichnungen in Pose zu spielen. Nachdem Wesley Snipes (Demolition Man, Blade) jahrelang die Niederungen des B-Actionfilms durchwaten musste, kehrt der Neunzigerjahre-Actionheld nun zu einer großen A-Produktion zurück, ohne allerdings außergewöhnliche Akzente zu setzen – immerhin hat Snipes aber immer noch eine gewisse Präsenz, die er in die Waagschale werfen kann.

    Fazit: Schuld und Sühne in den dunkelsten Ecken des Molochs New York - mit „Gesetz der Straße – Brooklyn’s Finest“ verbindet Regisseur Antoine Fuqua ein hartes Cop-Drama mit den Vorzügen eines Ensemblefilms und punktet mit einer feinen Inszenierung, die kleine Schwächen in der Charakterzeichnung mühelos vergessen macht. Zynisch und kompromisslos wie der Originaltitel „Brooklyn’s Finest“ lotet Fuqua in pessimistischem Ton die moralische Grauzone im Polizeialltag aus und trampelt auf der zarten Pflanze Hoffnung herum wie ein Berserker – stets auf der Suche nach Erlösung.

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