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    Mammuth
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Mammuth
    Von Björn Becher

    Das Budget wird von Mal zu Mal größer, der Biss lässt dafür nach. Diesen Eindruck bekommt man zumindest beim Blick auf das bisherige Werk der Franzosen Gustave de Kervern und Benoît Delépine. Bei ihrem minimalistischen Langfilmdebüt Aaltra standen sie noch selbst in den Hauptrollen vor der Kamera und machten als Rollstuhlfahrer im Borat-Stil der Welt das Leben schwer. Für Louise Hires A Contract Killer konnten sie schon renommierte Schauspieler wie Yolande Moreau (Séraphine) und Bouli Lanners (Eldorado) gewinnen. Der Humor war nicht mehr ganz so böse wie beim Vorgänger, aber Todkranke als Killer zu missbrauchen, ist immer noch ein wohlkalkulierter Tabubruch. Bei ihrem neuesten Film „Mammuth“, der im Wettbewerb der 60. Internationalen Filmfestspiele von Berlin seine Premiere feierte, sind nun nicht nur Moreau und Lanners wieder dabei, sondern mit Gérard Depardieu (Die letzte Metro, Green Card) und Isabelle Adjani (Nosferatu - Das Phantom der Nacht, Das Auge) auch zwei echte Weltstars. Doch der provokativ Biss geht dabei verloren. Zwar gibt es bisweilen immer noch vermeintliche Tabubrüche, aber die Schockwirkung bleibt aus. Mit dem im Vergleich deutlich gemächlicheren Erzähltempo und der ständigen Wiederholung der gleichen Witze manövriert das Regie-Duo seinen Film an den Rand der Langeweile. Da kann auch ein gut aufgelegter Depardieu als alter hässlicher Fleischkloß wenig ausrichten.

    Der gemütliche, dicke „Mammuth“ (Gérard Depardieu) hat das Rentenalter erreicht und muss seinen Job in der Fleischfabrik aufgeben. Mit der neuen Freizeit weiß der weder schlaue noch handwerklich begabte Ruheständler wenig anzufangen. Als seine Frau Catherine (Yolande Moreau) ihn drängt, sich endlich um seine Rentenansprüche zu kümmern, entdeckt er, dass die Belege von zahlreichen seiner alten Arbeitgeber fehlen. Ohne die gibt es aber keine Rente. Also holt „Mammuth“ sein altes Motorrad aus den Siebzigern, dem er seinen Spitznamen verdankt, aus der Garage und macht sich auf den Weg, die Firmen von einst abzuklappern. Zu dumm nur, dass die mittlerweile teilweise nicht mehr existieren. Und das sind nicht die einzigen Hindernisse auf diesem Trip, der zu einer Reise in die eigene Vergangenheit wird.

    Auch mit „Mammuth“ greifen die Regisseure wieder das Reisemotiv auf. Bei „Aaltra“ ging es mit dem Rollstuhl, in „Louise Hires A Contract Killer“ in mordender Mission jeweils quer durch Europa. Nun führt der Weg immerhin noch quer durch Frankreich. Allerdings ist die Reise diesmal weit weniger komisch. Wie schon bei den Vorgängern werden die Witze schwächer je weniger sie mit der Hauptfigur zu tun haben, diesmal betrifft dies leider die Mehrheit der Gags. Die Vorlieben der Filmemacher für skurrile Nebenfiguren und gezielte Provokationen gehen Hand in Hand. Wenn der Totengräber (Dick Annegarn) fröhlich vor dem Grab tanzend Mundharmonika spielt oder ein Personalchef (Bouli Lanners) mit einer abgetrennten Hand onaniert ist das allerdings weder sehr komisch noch ein irgendwie erhellender Tabubruch. Wenn Witzchen, die schon beim ersten Mal nicht zünden, wie der Kampf mit einem Sprachcomputer am Telefon, in reduziertem Erzähltempo weiter zu Tode geritten werden, dann wird der Kinobesuch zum anstrengenden Erlebnis.

    „Mammuth“ fehlt auch die thematische Fokussierung der bisherigen Werke. In „Aaltra“ geht es um die Behandlung Behinderter, „Louise Hires A Contract Killer“ ist ein antikapitalistischer Rachefeldzug. Diesmal sollen wohl die Probleme des „kleinen Mannes“ im Mittelpunkt stehen, aber über punktuelle Ansätze dazu kommt der Film nicht hinaus. Wenn die Titelfigur Mammuth für Anfragen bezüglich einer nicht mehr existierenden Firma auf ein komisches Ding namens „Website“ verwiesen wird, ist das einer der raren Momente, in denen diese David-gegen-Goliath-Idee aufgeht.

    Wenn in „Mammuth“ etwas funktioniert, dann hat das meist mit Gérard Depardieu zu tun. Da reicht es fast schon, wenn der massige Mime einfach nur zu Hause rumsitzt und wie ein kleines Kind nicht weiß, was er anstellen soll. Zuweilen überraschen die Regisseure auch mit einer Überrumpelungstaktik. Da wird unvermittelt auf eine Szene geschnitten, in der Mammuth und sein Cousin (Albert Delpy, 2 Tage Paris) nackt im Bett liegen und sich gegenseitig einen runterholen, dies aber aufgrund von Arthritis und mangelnder Standhaftigkeit im Alter nicht richtig funktioniert. Das ist kein Comedy-Juwel, aber in seiner Plötzlichkeit erheiternd. Eine besonders große Enttäuschung ist dagegen der Auftritt von Isabelle Adjani. Die im vergangenen Jahrzehnt viel zu selten im Kino zu sehende Schauspielerin spielt die tote (!) Ex-Freundin von Mammuth, die immer wieder wie ein Geist, blutüberströmt im Hintergrund auftaucht und zudem nervende Kommentare aus dem Off von sich gibt. Die Figur komplett zu streichen wäre – so hart dies klingt - selbst für Adjani-Fans kein Verlust.

    De Kervern und Delépine zeigen nicht nur bei Adjanis Rolle, das sie mehr Wert auf die bloße Präsenz bestimmer Darsteller legen als auf die Stimmigkeit ihrer Charaktere. So besetzen sie Mammuth einfältige Cousine mit der durch simple Gedichte, abstrakte Kunst und Animationsfilme über das Internet bekannt gewordene Miss Ming. Die mit den Filmemachern befreundete Künstlerin hatte schon in „Louise Hires A Contract Killer“ eine kleine Rolle als schwerstbehinderte Verwandte eines Hauptcharakters, die gar nicht mehr mitbekommt wie sie als Mordinstrument benutzt wird. Dieser Auftritt war amüsant, aber nun wird ihre Leinwandzeit massiv verlängert und sie spielt sich gewissermaßen selbst (daher besteht sie im Film auch auf die Anrede Miss Ming). Mag ihr einfältiges Gehabe in wohldosierter Form noch gefallen, wird es auf die Dauer zum Nervfaktor und hat dem Film rein gar nichts hinzuzufügen.

    Fazit: De Kervern und Delépine haben die Rolle des Mammuth Gérard Depardieu auf seinen voluminösen Leib geschrieben und der macht ebenso wie die meisten seiner Co-Stars das Beste daraus. Es wäre keine Überraschung, wenn der große französische Kinostar für die Performance als übergewichtiger Biker mit fetten Haaren einen Silbernen Bären verliehen bekommt. Der Film als Ganzes ist allerdings eine Enttäuschung, denn der neueste Streich des französischen Regie-Duos ist zu harmlos, langweilig und unausgegoren.

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