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    Zeppelin!
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Zeppelin!
    Von Christoph Petersen

    Der Zeppelin LZ 129 „Hindenburg“ befand sich gerade im Anflug auf den US-Stützpunkt Lakehurst, als die Ummantelung aus bis heute nicht sicher bestimmten Gründen Feuer fing und das Luftschiff am 6. Mai 1937 in einem riesigen Flammenmeer niederstürzte. Weil die Amerikaner ein Monopol auf Helium hatten und das Gas nicht an Nazideutschland liefern wollten, musste die „Hindenburg“ trotz vorheriger Unfälle mit hochexplosivem Wasserstoff gefüllt werden. Insgesamt kamen 36 Menschen bei dem Unglück ums Leben – 13 Passagiere, 22 Besatzungsmitglieder und ein Mitarbeiter des Bodenpersonals. Da sich der Zeppelin kurz vor der Landung befand, konnte der gesamte Absturz von amerikanischen Filmkameras dokumentiert werden. Diese und zahlreiche Originalaufnahmen aus den 1930er Jahren macht sich Regisseur Goridian Maugg nun für seinen Historienkrimi „Zeppelin!“ zu nutze. Dabei mischt er selbstinszenierte Spielszenen geschickt mit den historischen Filmdokumenten. Trotzdem ist das Ergebnis insgesamt enttäuschend. Während die historischen Abschnitte des Films überzeugen können, hätte sich Maugg die überflüssigen bis nervigen Rahmenhandlungen, die 1973 und 2005 spielen, nämlich lieber sparen sollen.

    Das „Hindenburg“-Unglück belastet die Familie Silcher bereits seit drei Generationen. Robert Silcher (Olaf Rauschenbach) kam 1937 als Besatzungsmitglied beim Absturz ums Leben. Sohn Jakob (Peter Wolf) kam nie über den Tod seines Vaters hinweg und zerbrach schließlich am übermäßigen Genuss von Alkohol. Enkel Matthias (Herbert Schäfer) will nun im Jahre 2005 die schwierige Geschichte seiner Familie endlich zu einem Abschluss bringen. Er treibt den Zeitzeugen Karl Semmle (Alexander May) auf, der über die Geschehnisse vor der verhängnisvollen Fahrt der „Hindenburg“ Bescheid weiß: Robert verlässt 1929 sein Elternhaus, um in Friedrichshafen auf der Zeppelin-Werft anzufangen. Dabei wandelt sich seine anfängliche Faszination für Luftschiffe immer mehr zum irrwitzigen Fanatismus. Auch wenn Robert die schöne Thea (Agnieszka Piwowarska), die Schwester seines Arbeitskollegen Konrad (Christoph Bach), ehelicht und gemeinsam mit ihr eine kleine Familie gründet, bleiben doch die Luftschiffe stets sein Lebensmittelpunkt. Zumindest bis der tragische Unfall der „Hindenburg“ seinem Streben ein Ende bereitet. Soweit die offizielle Version. Doch Matthias stößt bei seinen Nachforschungen auf Spuren, die ein vollkommen neues Licht auf die historischen Ereignisse werfen...

    Das größte Plus von „Zeppelin!“ ist eindeutig die Verflechtung des realen Unglücks mit einer fiktiven Story. Regisseur Maugg erzählt eine spannende, von Eifersüchteleien geprägte Dreiecksgeschichte vor einer beeindruckenden historischen Kulisse. Ohne die Story dabei jemals zu übertünchen, wird auch noch das stimmige Porträt eines immer mehr aufkommenden Nationalsozialismus entworfen. Und die intelligente Auflösung erfreut nicht nur Verschwörungstheoretiker, sie hält auch für den gemeinen Kinobesucher einen angenehmen, einfach passenden Überraschungseffekt bereit. Mauggs Inszenierung der in schwarz-weiß eingefangenen Spielszenen ist gelungen und harmoniert wunderbar mit den körnigen Archivaufnahmen. Ebenso perfekt passt sich die erdachte Spielhandlung zwischen den belegbaren Fakten ein. Würde „Zeppelin!“ nur im Jahre 1937 spielen, wäre mit Sicherheit ein richtig guter Film dabei herausgesprungen. Doch leider ist dies nicht der Fall.

    Maugg gibt sich nämlich nicht mit einem einfachen Historienkrimi zufrieden, sondern will auch noch die Auswirkungen des Unglücks auf zwei weitere Generationen der Familie Silcher herausarbeiten. Dabei dauert es zunächst einmal gute 20 Minuten, bis die drei Zeitebenen endlich geordnet sind – bis dahin muss der Zuschauer eine essayistisch angelegte, aber unnötig zerfahrene und mit merkwürdig philosophischen Monologen zugepflasterte Einführung über sich ergehen lassen. Und auch später können die im Endeffekt vollkommen überflüssigen Rahmenhandlungen kaum begeistern. 1973: Jakob ist am geheimnisumwobenen Tod seines Vaters zerbrochen und zu einem Säufer geworden. Doch anstatt erhellende Bezüge zu den vergangenen Ereignissen herzustellen, beschäftigt sich dieser Teil lieber mit der Alkoholsucht seines Protagonisten – das ist nicht direkt schlecht, steuert aber auch Nichts zum eigentlichen Filmgeschehen bei. 2005: Dieser Part des Films ist wirklich ärgerlich. Es wäre sicherlich okay gewesen, das Interesse von Matthias an seinem Großvater als unaufgeregten Aufhänger für die historische Erzählung zu nutzen. Aber Herbert Schäfer verkörpert Matthias, als würde alles Leid dieser Welt auf seinen Schultern lasten. Dazu kommt noch sein aufgesetzt wirkendes Herumgephilosophiere. Dadurch erlangt dieser Abschnitt viel mehr Gewicht, als ihm gut getan hätte. Und Schäfers überzogene, nie glaubhafte oder nachvollziehbare Darstellung ist sogar ziemlich nervig.

    Fazit: Mit seiner stimmigen Mischung aus Spielszenen und Originalaufnahmen wäre „Zeppelin!“ als reiner Historienkrimi auf der sicheren Seite gewesen. Doch Regisseur Maugg will höher hinaus – und stürzt bei diesem Versuch ebenso wie sein Protagonist Robert ab. Die drei Generationen umspannende Chronik einer an dem Unglück in Lakehurst zerbrochenen Familie bleibt nicht nur oberflächlich, das zerfahren-philosophische Geschwafel und das hemmungslose Overacting von Herbert Schäfer fallen zusätzlich negativ auf.

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